Roland Faelske-Preisträger 2012

Die Universität Hamburg und die Roland Faelske-Stiftung vergaben im Jahr 2012 zum zweiten Mal den Roland Faelske-Preis für herausragende Arbeiten im Bereich Comic und Animationsfilm. Die Preisverleihung fand in dieses Jahr im Rahmen der Konferenz zur deutschsprachigen Animationsforschung „In Bewegung setzen“ am 16.11.12 statt.

Mit dem Roland Faelske-Preis 2012 wurden per Gutachter- und Auswahlverfahren folgende zwei Arbeiten ausgezeichnet:

  1. Andreas Veits, Varianten der Bewusstseinsdarstellung und Fokalisierung im Comic – Versuch einer Klassifizierung (M.A., Universität Hamburg, 2012)
  2. Jonas Engelmann, Perspektiven grafischen Erzählens – Zur selbstreflexiven Ästhetik des zeitgenössischen Independent-Comics (Dissertation, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2012)

Die Begründung der Auswahljury ist hier (mit Dank an Frau Prof. Astrid Böger und Herr Prof. Dr. Markus Kuhn) einsichtig:

Zur Begründung der Auswahljury:

Andreas Veits betritt mit seiner Masterarbeit Neuland, indem er die aus der literatur- und filmwissenschaftlichen Erzahltheorie bekannten Konzepte der Fokalisierung und der Bewusstseinsdarstellung für das Comicmedium adaptiert, hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf ein anderes Medium modifiziert und so ein eigenständiges analyseorientiertes Modell zur Klassifizierung von Fokalisierung und Bewusstseinsrepräsentation im Comic entwickelt. Dieses Modell wird mit bereits vorliegenden Teilansätzen zum Comic abgeglichen, anhand eines breiten Werkkorpus reflektiert und durch eine exemplarische Analyse hinsichtlich seiner Anwendbarkeit überprüft. Spannend ist über die methodologischen Reflexionen hinaus, wie Veits die speziellen visuellen Möglichkeiten von Comics zur Bewusstseinsdarstellung ausleuchtet, zumal Comics einerseits zwischen Literatur und Film angesiedelt sind, zugleich aber ein ganz eigenes Medium mit spezifischen Darstellungsmöglichkeiten bilden.

Dass Veits im ersten Teil seiner Arbeit wichtige Teilkonzepte Schritt für Schritt aus der klassischen literaturbasierten Erzähltheorie und der Filmnarratologie auf das Comic überträgt, gibt seiner Arbeit die notwendige und überzeugende theoretische Dichte und Genauigkeit, da die Medialität des Comics nicht nur im Allgemeinen diskutiert, sondern immer wieder im Detail reflektiert wird. Beeindruckend ist, wie Veits darauf aufbauend unterschiedliche Formen der Fokalisierung erörtert und klassifiziert. Unter Rückgriff auf die theoretische Systematik des von ihm entwickelten Modells sowie unter Zuhilfenahme eines breiten Analysekorpus werden konventionelle und spezifische Typen und Subtypen der Fokalisierung und der Bewusstseinsdarstellung anhand dezidierter Beispiele vorgeführt. Nach einem Zwischenfazit wendet Veits die gewonnenen Erkenntnisse in einer exemplarischen Analyse und Interpretation von Paul Hornschemeiers Graphic Novel Die drei Paradoxien an. Wiederum gelingt es ihm auf eindrucksvolle Weise, die verschiedenen narratologischen Instrumentarien am Text produktiv zu machen.

Aufgrund des hohen theoretischen und methodologischen Anspruchs weist die Arbeit von Herrn Veits über die üblichen Anforderungen an eine MA-Arbeit hinaus, kann als wichtiger eigenständiger Beitrag zur transmedialen Narratologie gelten und verdient so nach Auffassung der Jury den diesjährigen Roland Faelske-Preis.

Jonas Engelmann hat mit seiner Dissertation eine eindrucksvolle Arbeit über die „Perspektiven grafischen Erzählens – Zur selbstreflexiven Ästhetik des zeitgenössischen Independent-Comics“ vorgelegt, die zugleich den state of the art der kulturhistorisch orientierten Comicforschung markiert. Auf höchst differenzierte Weise und gestützt auf durchweg treffende Beispiele legt er in den einzelnen Hauptkapiteln jeweils die Grundzüge der Comicgeschichte hinsichtlich der zentralen Aspekte des Kapitels dar. Das hohe Reflexionsniveau und die Originalität der Arbeit zeigen sich auch an den Themenfeldern, die Engelmann eröffnet: So geht es ihm neben Grundlagen der Comicgeschichte um die Kunst der Aneignung und der Variation bzw. Subversion insbesondere im Independent-Comic, um das Prinzip der Wiederholung und des Werdens (z.B. des Tier-Werdens) im Comic, um Rassismus sowie um die Darstellung von Krankheit, wobei er hauptsächlich die AIDS-Diskurse bei Charles Burns und Frederik Peeters in den Blick nimmt.

Gerade was die Darstellung von ernsten Krankheiten (z.B. auch Krebs, Epilepsie) angeht, hat die Bedeutung von autobiografischen Graphic Novels in den letzten Jahren stark zugenommen, was auf die besonderen Möglichkeiten des Genres bei der Darstellung solch körperlicher Krisen und (vielleicht) auch ihrer Bewältigung hinweist. Ein letztes Hauptkapitel behandelt mit Religion im Comic ein sehr aktuelles und bekanntlich auch hoch umkämpftes Thema. Nach einem Exkurs über Marjan Satrapis populäres Werk Persepolis bietet Engelmann einen spannenden Überblick über jüdische Motive im Comic. Hier steht vor allem Joan Sfars Graphic Novel Klezmer im Vordergrund. Historisch vor der Shoah angesiedelt, behandelt dieses aktuelle Werk die verschiedenen jüdischen Stereotype und macht nachvollziehbar, warum Juden immer wieder auf solche Stereotype wie die „schöne Jüdin“, der „dämonische Jude“ oder der „schlaue Jude“ reduziert wurden und auch warum diese Festlegungen im Verlauf der Judenverfolgung ihre destruktive Wirkung entfalten konnten. Im Anschluss geht Engelmann noch auf das inzwischen kanonisch gewordene Werk Maus von Art Spiegelman ein bzw. die biographisch geprägten Vorläufer, die Spiegelman etwa in Breakdowns veröffentlicht hat.

Die Arbeit wird abgerundet durch ein Plädoyer „für eine kleine Comicform“, in der sich der Autor der von Ole Frahm stark gemachten ästhetischen Position anschließt und zu folgendem Schluss kommt: „In seiner kleinen Form zeigt der Comic auch Fluchtwege in der Kultur auf, die ein anderes Nachdenken über Geschichte, Politik und Identität möglich machen.“ Dass Jonas Engelmann mit seiner Dissertation einige dieser Wege aufspürt und für den Leser bzw. die Leserin erfahrbar macht, verdient nach Auffassung der Jury den diesjährigen Roland Faelske-Preis.

Ein Gedanke zu „Roland Faelske-Preisträger 2012“

  1. […] Jonas Engelmann have been awarded the Roland Faelske-Preis for research in comics and animation. Link (13/12/2012, German, […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert