CFP: Grenzen des Sag- und Zeigbaren – Humor im Bild von 1900 bis heute

Konferenz
Veranstalter_innen: Frank Becker, Antonia Gießmann-Konrads
Universität Duisburg-Essen, Campus Essen, Glaspavillon
12. - 14. Dezember 2018
Stichtag: 15.05.2018

„Was darf die Satire? Alles!“ – so das berühmte Zitat des Schriftstellers Kurt Tucholsky und seines gleichnamigen Artikels, der im Januar 1919 im Berliner Tageblatt erschien. Tucholsky thematisierte dabei auch den Umgang der deutschen Gesellschaft mit Satire, den er durchaus scharf kritisierte und den es seiner Ansicht nach zu hinterfragen galt. Der Artikel endet dementsprechend mit der vielfach als provokant bewerteten Proklamation, Satire dürfe „alles“. Anlässlich der aktuellen Debatten über die Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“, den terroristischen Angriff auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo oder die „Böhmermann-Affäre“ dient das Tucholsky-Zitat immer wieder als Aufhänger, um die Frage nach den umstrittenen Grenzen von Satire zu stellen. Die hitzig geführten Debatten und ihre Folgen zeigen, dass es innerhalb einer humoristisch-satirischen Darstellungsweise Grenzen gibt bzw. postuliert werden. So wird etwa nach Satire-Skandalen immer wieder kontrovers diskutiert, ob es illegitime Zielscheiben des Humors gibt – etwa religiöse Vertreter wie der Prophet Mohammed oder der Papst. Wie und ob sich diese Grenzen im Laufe der Zeit verändern, macht Humor zu einem zentralen Gegenstand kulturhistorischer Forschung. Nur mittels der Einbeziehung der historischen Entstehungsbedingungen wird Satire als solche erkenn- und deutbar und Tabubrüche werden verständlich.

Die Tagung möchte sich schwerpunktmäßig mit visuellen Formen des Humors befassen und neben der politischen Karikatur bewusst auch andere Bildgattungen wie z.B. Comics, Fotografie und -montage, Film und Fernsehen sowie humoristische Darstellungsmittel in der Malerei in den Blick nehmen. Die Frage nach nationalen, kulturellen oder epochenspezifischen Unterschieden innerhalb der visuellen Humorproduktion sind ebenfalls erwünschte Themenkomplexe, die auf der Konferenz zu untersuchen sind. Wer waren die (satirischen) Künstler und Zeichner, wo arbeiteten sie und wer veröffentlichte ihre Werke? Wie sehen Herstellungspraktiken von Satire aus? Von wem wurden sie rezipiert und kritisiert? Wann geriet „Humor im Bild“ in Konflikt mit der ihn umgebenden Öffentlichkeit? Welche Darstellungsstrategien überdauern einen größeren Zeitraum und warum und welche sind eher zeitgebunden und -spezifisch?

Der für die Tagung anvisierte lange Untersuchungszeitraum, der von dem Jahr 1900 bis in die heutige Zeit hineinreichen und dabei gezielt auch über die deutsche Ländergrenze hinausgehen soll, ermöglicht es, Kontinuitäten und Brüche visueller Humorproduktion aufzuspüren und nach den jeweils veränderten gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu fragen.

Politische Karikaturen sind in diesem Zusammenhang sicherlich zentrale Bildmedien. In Deutschland wurden sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts insbesondere in Satirezeitschriften publiziert, die sich großer Popularität erfreuten, jedoch immer wieder in Konflikt mit der Obrigkeit und der Zensur gerieten. Nicht selten folgten auf den Vorwurf der Majestätsbeleidigung Haftbefehle gegen die verantwortlichen Verleger oder Karikaturisten, was den Satirikern die Grenzen ihres Schaffens aufzeigte. Im Ersten Weltkrieg wurde Bildsatire bewusst für Propagandazwecke eingesetzt und in der Zwischenkriegszeit übernahmen satirische (Bild)Medien als Mittel politischer Auseinandersetzung eine wichtige Funktion. Von der nationalsozialistischen Regierung und dem DDR-Regime wurde Humor zum einen gezielt als propagandistisches Instrument benutzt und zum anderen aufgrund seiner Ambivalenz als Medium der Opposition und Subversion gefürchtet und folglich unterdrückt. Die in der Adenauerzeit gegründete und zwischen 1962 und 1982 veröffentlichte Zeitschrift Pardon übte einen wesentlichen Einfluss auf Politik und Gesellschaft aus. Aushandlungsprozesse über satirische Darstellungsformen verloren somit auch in der Bundesrepublik nicht an Brisanz. Die 1979 entstandene, bis heute skandalumwobene und aufgrund ihrer provokanten Titelseiten immer wieder verbotene Satirezeitschrift Titanic stößt regelmäßig öffentliche Debatten über Grenzen des in unserer Gesellschaft Sag- und Zeigbaren an.

Im Lichte eines interdisziplinären Ansatzes sollen neue Fragehorizonte und Perspektiven erschlossen und mögliche theoretische und methodische Zugänge diskutiert werden. Die historische Forschung hat sich bisher nur am Rande mit dem Thema „Humor im Bild“ beschäftigt und ist nach wie vor auf die Expertise von Nachbardisziplinen angewiesen. Folglich sind Beiträge nicht nur aus dem Bereich der historischen Forschung, sondern aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen ausdrücklich erwünscht.

Mögliche Themenbereiche:

  • Theoretisch-methodische Überlegungen: Visueller Humor als analytische Kategorie
  • Aus der Praxis: Produktionsprozesse von „Humor im Bild“ in verschiedenen Zeiten
  • Analyseebenen: diachrone und synchrone Betrachtungen der visuellen Humorproduktion, auch im transnationalen Vergleich
  • Mit oder gegen das System? – systemkonforme oder -kritische Satire
  • Satire-Skandale: Grenzüberschreitungen und ihre Folgen
  • Zeitlichkeit von Humor
  • Untersuchungszeiträume: Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, DDR und Bundesrepublik

Die Tagung findet vom 12.-14. Dezember 2018 in Essen statt. Unterbringung und Anreise (Bahnfahrt 2. Klasse, bei Flugreise Bahnfahrt 2. Klasse ab dem Flugplatz in Deutschland, der dem Tagungsort am nächsten liegt) werden finanziert. Kosten für Verpflegung können leider nicht übernommen werden. Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge in einem Sammelband ist geplant. Bitte übermitteln Sie uns bis zum 14. Mai 2018 ein Exposé (1-2 Seiten) als PDF-Datei mit biographischen Kurzangaben zu Ihrer Person, in dem Sie Fragestellung, Quellengrundlage und Arbeitshypothese Ihres Vortragsangebots skizzieren an: antonia.konrads@uni-due.de.

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