CfP: Tötungsarten / Ermittlungspraktiken. Zum literarischen und kriminalistischen Wissen von Mord und Detektion

Tagung

Stichtag: 30. November 2013

Kindsmord, Giftmord, Lustmord; Mord aus Motiven wie Habgier, Eifersucht,
Rache und Zorn; Mord im Kontext von organisierter Kriminalität –
literarische Reflexionen auf Mord und Totschlag sind so vielfältig wie
die jeweils angewandten Praktiken der Verbrechensaufklärung. Friedrich
Schillers Der Verbrecher aus verlorener Ehre, E.T.A. Hoffmanns Fräulein
von Scuderi, Annette von Droste-Hülshoffs Die Judenbuche und Theodor
Fontanes Unterm Birnbaum sind nur die bekannteren der zahlreichen
deutschsprachigen Texte, die sich in diesem Wissensfeld bewegen. Sie
machen deutlich, wie sehr und auf welch unterschiedliche Weise Literatur
jeweils zeitgenössisches Wissen von Mord und Detektion zu reflektieren
und auf sein Funktionieren zu befragen vermag.
In der für Juni 2014 geplanten Tagung steht diese Beziehung zwischen
Verbrechen mit Todesfolge und deren Rekonstruktion in Literatur und
Kriminalistik des späten 18., des 19. und des frühen 20. Jahrhundert im
Zentrum der Betrachtung. Ausgangspunkt der Tagung ist die These, dass
Tötungsarten und Ermittlungspraktiken in einer intrikaten und jeweils
historisch spezifischen Relation stehen. Zunächst erweist sich der Bezug
zwischen Mord und Detektion als kausal und chronologisch, denn jeder
Mord bedarf, strafrechtlich gesehen, der Aufklärung. Darüber
hinausgehend ist es notwendig, gerade weil die Detektion in einem
Verhältnis der Nachträglichkeit an den Mord anschließt undTechniken der
Ermittlung damit zeitversetzt auf spezifische Tötungsarten antworten,
nicht allein die Techniken der Tatrekonstruktion in den Blick zu nehmen,
sondern auch die Praktiken der Tat selbst. Mord wie Detektion müssenals
Teile eines jeweils zeitgenössischen Wissens begriffen werden. Ob sie
einander dabei ergänzen, ob sie interferieren oder ob sie einander
kontrastiv gegenüber gestellt sind, gilt es am jeweiligen Beispiel zu
entwickeln. Da Tötungsarten und Ermittlungspraktiken als diskursiv
vernetzt begriffen werden, bietet sich ein Fokus an, der auf jenen
historischen Umbruchstellen liegt, an denen sich das zeitgenössische
strafrechtliche, forensische und medizinische Wissen von spezifischen
Tötungsarten und damit einhergehend den Praktiken der Detektion
verändert. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ereignen sich neben
Veränderungen im medizinischen Wissen und der diagnostischen Methodik,
wie Foucault sie in Die Geburt der Klinik beschreibt, zahlreiche
Wandlungen im Verhältnis von Tätern und Ermittlungsinstanzen. Hierzu
zählen etwa die Abschaffung der Folter als Mittel der Wahrheitsfindung
und damit einhergehend die Aufwertung von Zeugenaussage und Indiz,
welche die Prädominanz des Geständnisses als regina probationum
beendete. Bemühungen um die juristische Kodifikation, den
kriminalistischen Nachweis und die strafrechtliche Ahndung von Morden
müssen also, ebenso wie die jeweils mit diskursivem Aufwand verhandelten
Tötungsarten, im Kontext des zeitgenössischen Wissens analysiert werden.
Für die Tagung erwünscht sind Beiträge, die dem Verhältnis von Mord und
Detektion in deutschsprachiger Literatur und Kriminalistik des späten
18., des 19. und des frühen 20. Jahrhundert nachspüren (wobei einzelne
über diesen Zeitraum hinausgehende Beiträge denkbar sind) und sich dabei
mit einer der folgenden Fragestellungen auseinandersetzen: In welche
Diskursfelder schreiben sich spezifische
Tötungsarten/Ermittlungspraktiken ein? Wie werden diese Einschreibungen
in literarischen Texten reflektiert, werden sie aufgegriffen, überboten,
hinterfragt, gebrochen, ignoriert? Reflektieren literarische Texte, wenn
sie spezifische Tötungsarten/Ermittlungspraktiken entwerfen, jeweils
aktuelles – juristisches, medizinisches, anthropologisches – Wissen oder
finden sich umgekehrt Rückgriffe auf ältere Wissensbestände und
unzeitgemäße Techniken der Wahrheitsfindung? Wie stellt sich das
Verhältnis von Tötungsarten/Ermittlungspraktiken zur Literatur im
weiteren Sinne sowie dasjenige zum Genre im engeren Sinne dar? Inwiefern
wird die Einbindung und Darstellung von kriminalistischen Sujets durch
gattungs- und genrespezifische Vorgaben limitiert? Welche Narrative,
Szenarien und Chronotopoi werden etwa vom Drama, der Fallgeschichte, der
Novelle oder der Kriminalerzählung eröffnet? Bringt eine
kriminalistische Signatur auch Verschiebungen im Fiktionskontrakt mit
sich, die Auswirkungen auf die Genrezuschreibungen zeitigen?
Diese und verwandte Fragestellungen sollen von eingeladenen Keynote
Speaker und weiteren Beiträger/innen interdisziplinär diskutiert werden.
Erwünscht sind darum Beiträge aus Germanistik, Geschichte,
Rechtswissenschaft, Medizin, Philosophie und weiteren angrenzenden
Disziplinen.
Die Tagung wird vom 18. – 20. Juni 2014 im Tagungszentrum Crêt Bérard
bei Lausanne stattfinden. Die Reise- und Übernachtungskosten der
Referent/innen können im Rahmen des SNF-Projekts „Das unsichere Wissen
der Literatur“ (http://unsichereswissen.ch.) übernommen werden. Eine
Publikation der Tagungsbeiträge in einem Sammelband ist geplant.
Wir laden dazu ein, bis zum 30. November 2013 ein ca. einseitiges Exposé
des geplanten Tagungsbeitrags gemeinsam mit einem kurzen Lebenslauf
(Angaben zur Person, akademischer Werdegang, Fachrichtung sowie
Forschungsschwerpunkte) an die folgenden E-Mail-Adressen zu senden:
Gideon.Haut@unige.ch, Stephanie.Langer@unige.ch

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