CfP: Ein Antiheld? Gegenentwürfe zum Heroischen in Vormoderne und Moderne

Summer School des SFB 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen” der Uni Freiburg, 15.-17. Mai 2014

Stichtag:15. Dezember 2013

In Literatur und Populärkultur scheint der Antiheld eine vertraute, wenn
auch schwer zu fassende Figur. Lassen sich Shakespeares Bösewichte
ebenso wie Don Quijote, der tapfere Streiter gegen die Windmühlenflügel,
der sich in exzessiver Selbstjustiz übende Michael Kohlhaas ebenso wie
der Eichendorff’sche Taugenichts, und schließlich auch der sympathisch
scheiternde Donald Duck gleichermaßen mit dem Titel ‚Antiheld‘
bezeichnen? Sind Outlaws, Schurken, Pechvögel und Nichtsnutze allesamt
Gegenentwürfe zur heroischen Figur? Die wissenschaftliche Untersuchung
dieses Phänomens trug bisher vor allem in der Literatur- und
Kulturwissenschaft erste Früchte, vermag das Phänomen aber über den
eigenen Horizont hinaus nur wenig zu präzisieren.
Denn die Frage, was genau einen Antihelden ausmacht, ist bisher nicht
beantwortet worden. Wen bezeichnet man zu welchen Zeiten als Antihelden?
Welche Merkmale werden ihm zugeschrieben? Braucht ein Antiheld, um als
solcher benannt zu werden, immer den Helden als Gegenfigur oder wird in
ihm gleichzeitig mehr als nur der Antagonist eines literarischen oder
filmischen Protagonisten gesehen? Geht es bei dieser Zuschreibung um die
bloße Verneinung des Heldischen oder darüber hinaus? Werden auch
historisch verbürgte Personen als Antihelden begriffen oder handelt es
sich allein um ein literarisches und filmisches Phänomen? In welchem
konkreten historischen Moment zeigt sich dann ein solcher Antiheld der
Geschichte?

Die Summer School des Freiburger DFG-Sonderforschungsbereichs 948
„Helden – Heroisierungen – Heroismen“ geht davon aus, dass im
Anti-Heroischen mehr steckt als nur das Un-Heroische, also die Negation
des Helden oder schlicht seine Gegenfigur. Mit dieser Annahme wird die
Untersuchung des Phänomens ‚Antiheld‘ aufschlussreich für eine Fülle von
Disziplinen. Wenn unter einem Antihelden eine Figur verstanden wird, die
zwar in einem komplementären Verhältnis zum Helden steht, mit diesem
jedoch eine Fülle von Eigenschaften teilt (‚Teilhabe am Heroischen‘),
kann ihre Untersuchung im Umkehrschluss auch Einsichten in Formen und
Funktionen des Heroischen bieten. Im Zentrum der Summer School soll
daher neben dem Versuch einer Differenzierung des Phänomens auch die
Frage nach einer Teilhabe des Antihelden am Heroischen stehen. Ist er
wie der Held ein Störenfried der Ordnung, jemand, der Normen
überschreitet und agonal handelt? Ist er wie der Held eine Figur, die
vor allem über ihre Rezeption gesteuert und geformt wird, das heißt
durch ihre narrative und mediale Konstruktion und Vermittlung? Benötigt
der Antiheld wie der Held eine Gefolgschaft oder gar Verehrergemeinde?
Wo hingegen werden diese für den Helden konstitutiven Elemente
abgewandelt und bilden sich spezifisch antiheroische Habitusmuster
heraus? Kurz: Was unterscheidet Held und Antiheld?
Das Ziel der Summer School ist es, das Phänomen des Antihelden in seiner
Vielfalt grundlegend zu diskutieren und ein praxistaugliches Konzept für
die Analyse und Erforschung dieser Figuren zu entwickeln. Anhand dreier
Schwerpunkte sollen die oben genannten Fragen in einer offenen Form, die
kurze Vorträge und freie Diskussionsphasen kombiniert, behandelt werden.

I. Figuren (Keynote: N.N.)
Zunächst muss der Blick über Figuren der Literatur- und Filmgeschichte
hinaus erweitert werden und sich auf historische Personen der Vormoderne
und Moderne richten. Als Beispiele können die Ordnung sprengende Figuren
wie der fanatisch zündelnde Kaiser Nero, der widerspenstige Räuber
Schinderhannes oder gewaltbereite und terroristische Personen wie
Charles Manson oder Andreas Baader, aber auch in ihrer historischen (und
literarischen) Wahrnehmung gebrochene Figuren wie der englische Monarch
Richard III. und die schottische Königin Maria Stuart dienen. Lässt sich
die Figur des Antihelden anhand solcher Fallbeispiele typologisieren?
Und in welchem Verhältnis stehen in historischen Untersuchungsfällen
Heroisierungs- und Anti-Heroisierungsprozesse, da des einen Antiheld
zumeist des anderen Held war, so zum Beispiel kontrovers verhandelte
Figuren wie Napoleon Bonaparte? Ein besonderes Augenmerk soll in diesem
Bereich auch auf die Konstruktion von Gender – in extensivem Sinne, also
bezogen auf jegliche Formen geschlechts- oder gruppenspezifischer
Merkmale – gerichtet werden. Gibt es geschlechtsspezifische,
gesellschaftsspezifische, physische, psychologische oder ethnische
Charakteristika für die Zuschreibung als ‚Antiheld/in‘?

II. Formen (Keynote: PD Dr. phil. Dietmar Voss, Berlin)
Eine antiheroische Figur kann sich in verschiedenen Formen zeigen. Unter
der Hypothese, dass der Antiheld ebenso wie der Held medial vermittelt
und von sozialen, politischen, literarischen etc. Gemeinschaften als
solcher konstruiert und wahrgenommen werden muss, befasst sich dieser
Schwerpunktbereich mit den Artikulationsformen und möglichen Modellen
des Anti-Heroischen. Als derartige Modelle können in der Literatur
beispielweise die europäische Tradition des Schelmenromans –z.B.
Lazarillo de Tormes oder Simplicius Simplicissimus – herangezogen
werden, aber auch historische Beispiele, so etwa politische Attentäter
des 19. Jahrhunderts wie der Lincoln-Attentäter John Wilkes Booth.

III. Funktionen (Keynote: Prof. Dr. Ulrich Bröckling, Freiburg)
Im dritten Schwerpunktbereich soll nach den Interessen und Intentionen
gefragt werden, mit denen sich eine Figur entweder selbst zum Antihelden
stilisiert oder von anderen dazu gemacht wird: Wer fällt das Urteil
‚Antiheld‘? Untersucht wird die Funktion dieser Figur für bestimmte
Gruppen oder Gesellschaften, in denen sie agiert. Zu fragen ist
weiterhin nach der Konstitution von Anhängergruppen und ihren
spezifischen Motivationen, sich einem Antihelden anzuschließen. In
historischer Perspektive wäre außerdem zu klären, ob das Sprechen über
Antihelden in bestimmten Zeiten verstärkt auftritt und ob sich daraus
Rückschlüsse auf historische Lebenswelten, Gesellschaftsformen und
Denkstrukturen ziehen lassen.

Die Summer School verbindet mit diesem Vorhaben ein interdisziplinäres
Anliegen und richtet sich damit über die im SFB vertretenen Disziplinen
(Geschichte, Alte Geschichte, Archäologie, Germanistik, Anglistik,
Romanistik, Lateinische Philologie des Mittelalters, Kunstgeschichte,
Soziologie, Musikwissenschaft) hinaus an weitere Fachbereiche, wie z.B.
die Rechtswissenschaften, Religionswissenschaften, Theologie, Medien-
und Kulturwissenschaften.

Wir bitten um Vorschläge für Beiträge in Form eines Abstracts (max. 4000
Zeichen) und einer Kurzvita bis zum 15. Dezember 2013 an
summerschool@sfb948.uni-freiburg.de. Konferenzsprachen sind Deutsch und
Englisch. Weitere Informationen zur Summer School finden Sie in Zukunft
unter: www.sfb948.uni-freiburg.de/summerschool2014

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