CFP: Veränderte Lebenswelt(en) – Figurationen von Mensch und Technik

Tagung

Stichtag: 30. September 2013

Veränderte Lebenswelt(en). Figurationen von Mensch und Technik
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 23.-24. Mai 2014

Kulturgeschichte ist in hohem Maße Technikgeschichte. Die kulturelle Evolution ist geprägt von der Entwicklung technischer Artefakte, der Selbstdefinition des Menschen als Wissenschaftler, Ingenieur und Schöpfer sowie einem sich rasant beschleunigenden technologischen Fortschritt. Das Verhältnis von Mensch und Technik wird dabei nicht nur selbst zunehmend komplex, sondern ist auch Katalysator für veränderte Lebenswelt(en), deren Erleben alles andere als fraglos ist. Längst hat sich die eine Lebenswelt „in ein Netz und eine Kette von Sonderwelten verwandelt, die sich vielfach überschneiden und überlagern, […] aber […] nicht hierarchisch anordnen und teleologisch ausrichten lassen im Hinblick auf ein umfassendes Ganzes.“(Waldenfels 1985: 27) Die Weltenvielfalt verdankt sich gewiss nicht zuletzt dem Umstand, dass gegenwärtig modernste Erfindungen aus dem Bereich der Bio-, Nano- und Informationstechnologien im „Universum der Selbstverständlichkeiten“ (Blumenberg 1999: 22) aufgehen. Am deutlichsten tritt dies vermutlich in der fehlenden Handlungsmacht (agency) zutage, die nahezu jeder ohne multimediale Alleskönner erlebt. Smarte Geräte, genauer: unsere Nähe zu und Abhängigkeit von ihnen führen eindrücklich vor Augen, dass Cyborgs nicht mehr nur im Genre der Science-Fiction beheimatet sind (Haraway 1985, Turkle 2008). Ähnliches gilt für Roboter und Klone, die v.a. im medizinisch-therapeutischen Kontext immer häufiger – und unaufgeregter – diskutiert werden.
Das dynamische Verhältnis zwischen Mensch und Technik ist von zunehmender Verschmelzung und Entgrenzung geprägt, wobei die damit einhergehenden Wandlungsprozesse in unterschiedlichem Maße Aufmerksamkeit erfahren: Während soziale Netzwerke einen unübersehbaren Aufstieg erleben und „einen Trend gesteigerter Visibilitätszwänge“ (Reichert 2007: 212) etabliert haben, entwickelt sich das Internet der Dinge (vgl. auch Ubiquitous Computing bei Weiser 1991) eher unsichtbar (Fleisch/Mattern 2005). Ebenfalls nahezu unbemerkt scheint die Mensch-Maschine-Schnittstelle zu verblassen, seitdem sich z.B. Navigationsgeräte und Smartphones auch ,wortgewandtʻ zeigen und Hardware in einer intelligenten Umgebung aufgeht.
Die besagten Phänomene kündigen einen Paradigmenwechsel an, im Zuge dessen das funktionale Bild der Extensions of Man (McLuhan 1964) als bloße Mittel der Natur- und Umweltgestaltung von einem Verständnis ablöst wird, welches Technik als festes Konstituens des Selbst und der Identität fasst: Der Mensch der Gegenwart figuriert sich durch Hightech. Hieraus ergeben sich gänzlich neue Handlungszusammenhänge. Diese werfen die Frage auf, welchen Platz der Mensch in der/den von ihm erschaffenen Lebenswelt(en) einnimmt oder sich zugesteht.
Im Fokus des Workshops soll deshalb die Bestimmung des eigenen Standorts im Netz von Sonderwelten stehen. Hierbei gilt es, Böden und Horizonte intersubjektiver Erfahrung in ihren Doppelungen, Gleichzeitigkeiten und Sinngebungspotenzialen in den Blick zu nehmen und in drei miteinander stark interferierenden Themenfeldern zu untersuchen. Überschneidungen zwischen den geplanten Panels sind daher sinnvoll und unvermeidlich:

I. KÖRPERWELTEN
– Kann in unserer Gegenwart wirklich von einer Tendenz umfassender Cyborgisierung gesprochen werden? Wenn ja, auf welcher Grundlage? Wie beeinflussen Robotik und Klonen die Lebenswelt(en)? Haben diese Prozesse Konsequenzen für Identität und Genderverhältnisse? Welche Herausforderungen stellen sich für unser Handeln?
– Was sind die entscheidenden Faktoren bei der Entwicklung und Akzeptanz von Robotik bzw. Künstlicher Intelligenz? Kann es (künstliche) Intelligenz ohne ein Körperschema geben? Welche Konsequenzen ergeben sich aus den anthropomorphisierenden Tendenzen in der Robotik (Uncanny Valley)?
– Wie und durch welche medialen Instanzen erreicht der wissenschaftliche und technologische Diskurs die Öffentlichkeit? Welche Diskussionen schließen daran an?

II. NETZWELTEN
– Was für Welten eröffnen sich im Cyberspace für mit smarten Geräten „verwachsene“ Benutzer?
– Welche Tendenzen der Entkörperlichung zieht das Netzdispositiv bzw. das mobile Dispositiv im individuellen und intersubjektiven Erleben nach sich?
– In welcher Weise verändern sich Sozialisierungsprozesse, Mentalität und Sozialität?
– Wie ist es um die menschliche Autonomie bestellt? Büßt der Mensch Anteile seiner Autonomie ein? Oder überträgt er sie nur auf technische Artefakte/Agenten?
– Zu den Triebfedern der Netzwerkgesellschaft gehören u.a. Aufmerksamkeit als Währung, Schwarmverhalten, neuartige Selbstpraktiken und Wissenstechniken. Wie konstituiert sich ihr Wechselspiel?

III. DENKWELTEN
– Literatur und Film greifen die unter den Körper- und Netzwelten subsumierten Themenkomplexe häufig auf und entwerfen unterschiedliche Szenerien. Sind diese noch mit Kategorien wie Utopie, Dystopie zu fassen oder zeichnet sich auch hier ein „Universum der Selbstverständlichkeiten“ ab?
– Welcher Rhetorik sowie kinematographischer Gestaltungsmittel bedienen sich fiktionale Entwürfe, um das Mensch-Technik-Verhältnis darzustellen?
– Hat es Verschiebungen gegeben in der Wahrnehmung dessen, was wir als beängstigend, wünschenswert oder außergewöhnlich empfinden?

Die Konferenz steht Nachwuchswissenschaftlern aus Geistes-, Sozial, Natur- und Ingenieurswissenschaften offen und findet am 23-24. Mai 2014 am Karlsruher Institut für Technologie statt. Angestrebt wird ein interdisziplinärer Austausch.

THEMENVORSCHLÄGE: Die Bewerbung erfolgt mit einem deutschsprachigen Abstract (max. 500 Wörter), welches konkrete Fragestellungen und zentrale Thesen des geplanten Beitrags enthalten sollte, sowie mit einem tabellarischen Lebenslauf. Die Sprechzeit beträgt 20 Minuten. Ein Sammelband ist geplant. Bewerbungsschluss: 30. September 2013

Kontaktadresse für die Zusendung des Abstracts sowie bei etwaigen Fragen:
Lebenswelten@geistsoz.kit.edu

Das Organisationsteam
Marie-Hélène Adam, Szilvia Gellai
Institut für Germanistik: Literatur, Sprache Medien
Julia Knifka, Yasmine Kühl
Institut für Philosophie

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