GfM-Tagung Medien der Wissenschaften

GfM Tagung 2013Tagungsbericht von Lukas R.A. Wilde

Unter dem Tagungsthema „Medien der Wissenschaften“ traf sich die Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) vom 3.-5. Oktober 2013 an der Leuphana Universität Lüneburg. In einem Pool aus über 150 Vorträgen in 45 Panels und Workshops wurde das Verständnis historischer wie gegenwärtiger Medialität von Wissenschaftspraxen diskutiert. Erklärte Zielsetzung war somit eine erhöhte Selbstreflexivität des Gebildes „Medienwissenschaft“, das über vier Jahrzehnten hinweg zugleich Produkt wie Beobachterin medientechnologischer Veränderungen war und sich dabei stets hochgradig adaptionsbereit und ergebnisoffnen zeigen durfte. In vielleicht verwandtem Gestus markierte die GfM-Tagung auch für die Comicforschung ein kleines Novum, dies sogar in zweifacher Hinsicht: In einer konstituierenden Sitzung traf sich am ersten Tagungstag die frisch gegründete Arbeitsgruppe „AG Comicforschung“; am darauf folgenden Freitag präsentierte diese auch gleich das erste Panel medienwissenschaftlicher Comicforschung mit insgesamt zweistündigen Beiträgen zum Fokus der Tagung.

Die AG entstand aus einer Initiative der Initiator_innen Véronique Sina, Andreas Rauscher, Stephan Packard und Hans-Joachim Backe heraus. Etwa 15 Mitglieder waren zum konstituierenden AG-Treffen im ersten „Zeit-Slot“ der Tagung anwesend, um sich über mögliche Aufgabenfelder einer vernetzten medienwissenschaftlichen Comicforschung auszutauschen. Besonderes Augenmerk wird die AG auf Praxen des Austauschs legen, zu anderen medienwissenschaftlichen Arbeitsfeldern einerseits, zu GfM-ferneren, interdisziplinären Bereichen wie der ComFor andererseits. Ein erster Workshop zu grundlegenden Fragen nach Fachliteratur oder -verständnis ist für 2014 angedacht, um sich in Ruhe darüber auszutauschen, was unter medienwissenschaftlicher Comicforschung zu verstehen sein könnte. Zu den Sprecher_innen der Arbeitsgruppe wurden einstimmig Véronique Sina und Andreas Rauscher ernannt.

Auf dem ersten Panel der AG Comicforschung am darauf folgenden Freitag präsentierte man zwischen 17 und 19 Uhr drei Beiträge zum Tagungsthema unter dem übergreifenden Fokus „Wissenschaftsdiskursivierung im Medium Comic“. Neben der Thematisierung comicspezifischer Verfahren der Wissensproduktion wurden verschiedene Strategien der selbstreflexiven Wissensvermittlung in den Blick genommen. Der Comic wurde somit als „Labor der Medienwissenschaften“ verstanden, in dem nicht nur Wissen über, sondern auch Wissen durch Medien produziert wird.

Da Jens Meinrenkens Beitrag (Berlin) „Comic als Medium der Wissenschaft“ leider ausfallen musste, blieb für die übrigen drei Vorträge mehr Zeit, die auch zur Gänze genutzt werden konnte: Vielleicht auch aufgrund des voll gefüllten Raumes mit etwa 50 Zuhörern musste Moderatorin Véronique Sina die angeregten Diskussionen nach Ablauf der Zeit sogar sanft in die Kaffeepause verlagern. Insgesamt deckten die drei Vortragsthemen sehr vielfältige Bereiche der Comicforschung ab:

Simon Klingler und Andreas Veits (Hamburg) diskutierten in „Selbstreflexive Wissensvermittlung im Medium Comic. Wenn Comics Comics erklären“ die vielleicht am häufigsten zitierten Werke der Comicforschung, die doch beide im Spannungsfeld von Theorie und (Comic-) Praxis verfasst sind: Will Eisners „Mit Bildern erzählen“ (1995) und Scott McClouds „Comics richtig lesen“ (1999). Klingler und Veits untersuchten, welche Strategien der Wissensvermittlung sich im Vergleich von Eisner und McCloud beobachten lassen, was diese „Standardwerke“ als wissenschaftliche Basistexte leisten können und wo diese im Anschluss an methodologische Überlegungen der Medien- und Literaturwissenschaft weitergedacht werden müssten. Ausführlich und nicht unkritisch wurde dabei vor Allem McClouds Konzept des „Closure“ (auf dt.: „Induktion“) näher durchleuchtet.

Lukas Wilde (Tübingen) führte in „Die Szenographie der Alltagsnavigation. Manga-Grafiken zur Darstellung von Wirkungszusammenhängen im öffentlichen Raum“ auf anderes Terrain. Nicht, wie man Comics wissenschaftlich erforschen kann, sondern wie man mit Hilfe der Comicforschung nach bestimmten gesellschaftlichen Wissensformationen fragen kann, stand im Mittelpunkt der Frage. An szenographischen Bild/Text-Kombinationen japanischer Hinweisschilder, Gebrauchsanweisungen und Guidebooks wurde nach den kulturspezifischen Komponenten gefragt, die je nach intendiertem Adressaten sehr heterogene Bildstrategien zum Einsatz bringen. Anhand der Implementierung von Manga-Techniken eines weiten Spektrums von Konkretion zu Ambiguität wurden so verschiedene Bereiche eines implizit geteilten, kulturellen Wissens thematisierbar.

Roman Mauer (Mainz) schließlich unterbreitete in „Ikonizität und Zeugenschaft. Dokumentarische Comics über den israelisch-palästinensischen Konflikt“ ein wiederum anderes, hochaktuelles Forschungsfeld. Anhand jüngerer Comic-Reportagen über gesellschaftliche Konflikte und sozio-politische Zusammenhänge schloss Mauer auch an den jüngst erschienen ComFor-Tagungsband „der dokumentarische Comic“ an und untersuchte die komplexen Bildstrategien, die dem Comic als Reportage-Medium zur Verfügung stehen. Gegenüber einer „indexikalischen Zeugenschaft“, die filmischen Dokumentationen gerne zugesprochen wird, bedient sich der Comic des indivisuellen Strichs als Ausdruck der Authentizität, sowie spezifischen Symboliken, visuellen Assoziationen und Analogien, die im Beitrag zusammengestellt und als Mittel der Reportage diskutiert wurden.

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