Die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung wünscht ihren Leser_Innen und Freund_Innen nachträglich noch einmal einen guten Jahresstart. Auch zu diesem Jahreswechsel findet man sie überall, die Jahresbestenlisten. Die ComFor möchte sich erneut beteiligen (hier geht es zu Leseempfehlungen der Vorjahre). Wir haben unsere Mitglieder um ganz und gar subjektive Leseempfehlungen gebeten, die aus den vergangenen zwölf Monaten im Gedächtnis geblieben sind – aus welchen Gründen auch immer. Hier also einige Notizen zum Comicjahr 2016:
Ole Frahm
Literaturwissenschaftler, Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) Hamburg
Guido van Driel: Als wir gegen die Deutschen verloren haben
Sind Comics ein besonders geeignetes Medium für die Darstellung von Erfahrungen mit Gewalt? Nach der Lektüre von Als wir gegen die Deutschen verloren haben lässt sich sagen: ja, nicht zuletzt weil die gezeichnete, hier gemalte, pastose Bildserie als Tableaus eine Distanzierung erlaubt, in der Traum und Wirklichkeit, Projektion und Materialität seltsam gleichwertig und kritisierbar werden. Das Unwirkliche unserer Wirklichkeit und ihrer Geschichte wird erinnerbar – van Driel erzählt es berdrängend genau. Schon 2002 in den Niederlanden erschienen ist der Band in diesem Jahr endlich auf Deutsch veröffentlicht worden und wirkt so aktuell und überzeugend, als sei er gerade erst produziert.
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Catherine Meurisse: Die Leichtigkeit
Sind Comics ein besonders geeignetes Medium für die Darstellung von Erfahrungen mit Gewalt? Nach der Lektüre von Catherine Meurisse Buch Die Leichtigkeit läßt sich sagen: ja, nicht zuletzt weil das gezeichnete Bild eine Distanzierung erlaubt, in der noch das grausamste Geschehen – wie das Massaker, bei dem ein großer Teil der Redaktion von Charlie Hébdo ermordet wurde – mit einem Witz in Rabelaischer Tradition tradiert werden kann. Das ist auch eine Strategie gegen den um sich greifenden identitären Wahn unserer Tage. Dabei ermäßigt Meurisse nichts, der Schrecken, der Schock, das Unwirkliche des Geschehens treten in ihren karikaturesken Zeichnungen deutlich hervor – und beweisen die Kraft der Karikatur und des seriellen Bildes, deren Wiederholungen nicht nur Bearbeitungen des Traumas erlauben, sondern auch manchen Scherz.
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Floyd Gottfredson: Mickey Mouse Vol. 5: ‚Outwits the Phantom Blot’
Sind Comics ein besonders geeignetes Medium für die Darstellung von Erfahrungen mit Gewalt? Nach der Lektüre von dem fünften Band der wiederveröffentlichten Tagesstrips von Mickey Mouse läßt sich sagen: nein. Zwar treten die Deformation der Menschen der kapitalistischen Gesellschaft in Floyd Gottfredsons Zeichnungen deutlich zu Tage, aber die Gewalt, die der Rassismus der 1930er in den Südstaaten bedeutet, wird kaum durch die Kannibalen mit gebrochenen Südstaatenakzent – oder wie Gottfredson schreibt: „cannibals who speak English with a colored accent“ – reflektiert. Da hilft es auch nicht, dass diese Darstellung gerahmt ist: sie findet als Film von Disney in einem Studio statt (und erinnert an den ersten Strip von Mickey Mouse, den Disney geschrieben hat und in dem es auch Kannibalen gibt). Diese Wiederveröffentlichung ist zwar eingeleitet, aber die Kommentare machen vor allem deutlich, wie wenig entwickelt die Comic-Wissenschaft hinsichtlich philologischer Editionen ist. Und so wird auch nur hagiographisch kommentiert, warum die Augen von Mickey am 22.12.1938 von einfachen schwarzen Pupillen in den beiden Rundungen ihres Gesichts zu kleineren Augen werden, wodurch die Rundungen ihre Bedeutung verlieren, und zwar genau in dem Strip, in dem der rassistische Film beginnt. Sehen wir Mickey seitdem nurmehr als Schauspieler, der – wie gegen den agilen Tintenfleck Phantom – alle möglichen Rollen annimmt?
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Dietrich Grünewald
Kunsthistoriker, Emeritus Universität Koblenz-Landau, ehem. 1. Vorsitzender der ComFor
Ich möchte auf zwei Comics hinweisen, die ich mit großem Vergnügen gelesen habe und die ich gerne empfehlen möchte. Beide legen neben der Geschichte besonderen Wert auf eine adäquate Visualisierung:
Alexandre Clerisse und Thierry Smolderen: Ein diabolischer Sommer
In Ein diabolischer Sommer erzählt ein Icherzähler ein einschneidendes Erlebnis aus seiner Jugend, das damit endet, dass sein Vater spurlos verschwindet. 20 Jahre später publiziert er die Erinnerung, trifft seine alte Jugendliebe wieder und erhält durch sie Hinweise, die das mysteriöse Geschehen aufklären. Die Geschichte entpuppt sich als spannende Agentengeschichte mit überraschendem Ausgang. Der Reiz des Bildromans liegt in seiner Gestaltung. Das Jugenderlebnis spielt sich 1967 ab – und der Zeichenstil greift wunderbar die bunte Illustrationswelt dieser Zeit auf, wie wir sie z. B. aus Kaukas Münchhausen, aus Bilderbüchern und Zeitschriften kennen, eine bunte glatte Farbenwelt, die mit der Pop-Art und ihr verbundenen Comics wie Jodelle korrespondiert. Nicht nur Architektur, Einrichtung und Kleidung spiegeln die 1960er Jahre, so manche Szene erinnert an die Motive David Hockneys, wobei die Landschaftsdarstellungen mit ihren sich in die Bildtiefe windenden Straßenverläufe seine grandiose Bildwelt aus den 1990er Jahren zitiert und damit eine Brücke über die Zeit schlägt. Und dann ist da noch Diabolik- der maskierte Dunkelmann aus der italienischen Comicserie um den 1962 von Angela und Luciana Giussani erfundenen und von Luigi Marchesi gezeichneten Gentlemen-Verbrecher, der im Geschehen auftaucht… So ist die Geschichte mit ihrem Verweis auf Diabolik und auf das Magazin Pilote auch eine Hommage an frühe Comiclektüre.
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Matthias Lehmann: Die Favoritin
Lehmann erzählt aus der Perspektive der kleinen Constanze, die isoliert von der Außenwelt in einem Schloss aufwächst, unter der Fuchtel einer gewalttätigen Großmutter und eines passiv-erduldenden Großvaters. Doch Constanze ist tatsächlich ein Junge, dem die Großmutter die Mädchenrolle aufzwingt. Das erinnert an Rilke, den die Mutter im Verlustschmerz über die verstorbene Schwester in eine Mädchenrolle drängte; wie einst Rilke muss auch „Constance“ Mädchenkleidung und lange Haare tragen. Der historisierende Aspekt wird durch die Visualisierung aufgegriffen. Die Zeichnungen wirken ein wenig wie alte Holzstiche, ihr Schwarz-Weiß trägt den bedrückenden Charakter der Geschichte, was wiederum durch absurd-witzige Elemente und die cartoonhafte Darstellung der Akteure, gebrochen wird. Realität und Fantasie, Wunsch und Konstruktion greifen ineinander. Das zeigt sich in Dramaturgie und Layout, in zahlreichen Bildmetaphern und Bildzitaten (wie Ary Scheffers Tod Géricaults, 1824), in den ohnmächtigen Gewaltfantasien „Constances“, der Einbeziehung von Comic-, Film- und Literaturlektüre (Goethes Leiden des jungen Werther) ins Kinderspiel. Wenn „Constance“ den Kindern des portugiesischen Hausmeisterpaares mit einer Maske begegnet, so spielt das auf raffinierte Weise mit der Doppelbödigkeit der Situation, und ihre Demaskierung (was die getragene Maske wie die aufgezwungene Mädchenrolle betrifft) veranschaulicht Leid und Tragik „Constanzes“, die – wie sich dann zu Ende der Geschichte herausstellt – eigentlich Maxime heißt und als Zweieinhalbjähriger geraubt worden war…
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Thomas Hausmanninger:
Christliche Sozialethik, Universität Augsburg
Xavier Dorison und Thomas Allart: HSE – Human Stock Exchange 1-3
Xavier Dorisons Comics sind bei uns vor allem durch den Erfolg von Das Dritte Testament bekannt geworden und daher häufig auch in Deutsch übersetzt. Bei diesem Dreiteiler fehlt leider (bislang?) die deutsche Ausgabe. Dorison präsentiert darin eine Art Social Science fiction, in der er die neoliberale Konzeption der Marktwirtschaft und die Konsequenzen eines deregulierten Börsenkapitalismus weiter denkt: Die Börse war einst eine Erfindung, die die Acquisitation von Kapital für Unternehmen durch Ausgabe von Anteilsscheinen ermöglichen sollte und in der Folge diese Anteilsscheine selbst als auf dem Markt handelbare Ware betreute. Ausgehend von einem realen Fall lässt Dorison, selbst Absolvent einer Elite-Wirtschaftsschule, nun einzelne Personen und ihre wirtschaftlichen Unternehmungen börsennotierbar werden. Seine Hauptfigur Felix Fox, tätig als Verkäufer im Call Center eines Automobilproduzenten, versucht diese Chance zu nutzen und muss erfahren, was es bedeutet. wenn der Mensch als Ganzer nur noch durch die ökonomische Brille betrachtet wird. Die französische Gesellschaft der Zukunft wird von Dorison als extreme Klassengesellschaft mit über 50% Arbeitslosigkeit gezeichnet, in der die Bürger*innen in ökonomisch aufgeteilten, von paramilitärischen Truppen bewachten Zonen leben. Treffend zerlegt der Autor dabei die Stereotypen neoliberaler Ideologie.
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Bertrand Marchal und Rodolphe: Memphis 1-3
Durch die Zusammenarbeit mit Leo am Universum von Kenya und Namibia steht der Name Rodolphe in letzter Zeit mehr und mehr für phantastische period pieces, also in einer zurückliegenden Epoche mit recht authentischer Zeitgeschichte angesiedelter Erzählungen, die Historie und Phantastik miteinander verweben. Bertrand Marchal und sein ausgezeichneter Colorist Sebastien Bouet setzen mit Memphis nun eine Geschichte in scheinbar den 1960er Jahren in den USA um, bei der sich zunehmend zeigt, dass man sich mitnichten in dieser Region und Zeit befindet. Verschwörungstheoretische Elemente und eine an Rätseln orientierte Narration sorgen für Spannung in einer angenehm langsam und sorgfältig erzählten Geschichte, die als Krimi beginnt und als Science fiction endet. Sebastian Bouets Lichtführung in den Farben ist – wie schon in Namibia – erneut ein Augenschmaus.
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Philippe Richelle u.a.: Les mystères de la … republique
Philippe Richelle hat sich einen Namen gemacht durch seine beiden vorangehenden Serien Sectrets bancaire und Secrets bancaire USA, in denen er – ähnlich Dorison, aber in der aktuellen Zeitgeschichte platziert – die Folgen des Finanzkapitalismus durchbuchstabiert. Mit den drei parallel laufenden Serien Les mystéres de la – triosième, quatrième, cinquième – republique arbeitet er nun die Zeitgeschichte Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Alle drei Serien sind außerordentlich lesenswert, werden aber wegen ihrer ausschließlichen Konzentration auf die französische Geschichte kaum je übersetzt werden. Es handelt sich jeweils um Krimis, die fokalisiert auf jeweils einen Kommissar als Hauptfigur durcherzählt werden. Skandalöse politische Hintergründe werden dabei stets aufgedeckt, die die Hauptfiguren mit der politischen Zeitgeschichte konfrontieren. Richelle geht mit Frankreich sehr kritisch ins Gericht. Wer Es war einmal in Frankreich hierzulande geschätzt hat, wird mit diesen drei Serien gut und spannend bedient sein. Zeichnerisch leisten Pierre Wachs, der hier einen fließenden Pinselstrich pflegt, und François Ravard, der ähnlich arbeitet, in zwei der drei Serien detailreiche, atmosphärische Bilder. Alfio Buscaglia, der die mittlere Serie zeichnet, bleibt leider hinter den beiden anderen zurück.
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Stephan Packard
Juniorprofessor für Medienkulturwissenschaft in Freiburg, 1. Vorsitzender der ComFor
Tom King, Gabriel Hernandez Walta und Jordie Bellaire: The Vision
Superheldencomics habe ich an dieser Stelle schon öfter empfohlen. Die Geschichte, die Tom King hier in 12 Episoden anspinnt und zu Ende bringt, ist auf den ersten und auf den dritten Blick auch einer. Auf den ersten, weil der Protagonist Marvels Superheld The Vision ist: ein vom bösartigen Ultron geschaffener und später zum Guten bekehrter Androide, Mitglied der Avenger, und bisher siebenunddreißigmal Retter der Welt, wie wir in der neuen Serie vorgerechnet bekommen.
Auf den zweiten Blick erweist sich die Erzählung als subtile und perfekt skandierte Tragödie. Ihre meisten Szenen spielen in dem amerikanischen Vorstadthaus, in dem die künstliche Familie, die der Androide sich gebaut hat, scheitert. Die empfindsame Komposition läuft ruhig und nachdenklich ab und raubt den Atem. Zugleich bietet sie beste Hard SF, die noch einmal präzise die bekannte und wieder aktuelle Frage nach dem künstlichen Menschen als Frage nach dem Menschen überhaupt stellt. Eine Antwort auf diese Frage kann ja Liebe lauten. Wie das unerbittlich schiefgeht, steht hier.
Mit Kings genialem Arrangement des Sujets und seinem Wort für Wort perfektem Text (unbedingt im Original lesen!) spielt die graphische Brillanz zusammen: Waltas scheinbar sachliche Zeichnungen treffen jeden emotionalen Ton exakt, und Bellaires gedämpfte Farben kehren die künstliche Pose der Androiden dort hervor, wo sie die verzweifelte Bemühung um authentische Affekte besonders menschlich macht. Dass es allen dreien in Plot, Wort und Bild dann gelingt, auf den dritten Blick auch noch der ganzen Vorgeschichte der Hauptfigur aus mehreren Jahrzehnten populärer Superheldencomics gerecht zu werden, kann man wahrscheinlich erst glauben, wenn man es selbst liest.
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Lukas R.A. Wilde
Medienwissenschaftler, Universität Tübingen
Meine erste Begegnung mit Max Baitingers gleichermaßen brachialer wie subtiler Befindlichkeitsstudie fand in der Erlanger Schuhstraße statt, in der Rotopol während des Comic-Salons eine hübsche kleine Ausstellung arrangiert hatte. Es war aber weniger der Vernissage-Sekt und nicht einmal die Anwesenheit des Künstlers, die mich hinein gelockt hat, sondern eine etwas grummelige Bemerkung eines Erlanger Passanten: „Jetzt stelle’se do schon Gebrauchsanweisungen aus!“ Der aufgeräumte Minimalismus in Baitingers zweitem längeren Werk (nach einer grandiosen Heimdall-Neuinterpretation) ist aber durchaus kein Selbstzweck. Es geht um die pedantischen Zwangsneurosen, die festgelegten Flächen und geordneten Abläufe einer Großstadtexistenz, in die eine Art Naturgewalt namens „Röhner“ einbricht – der „Freund von früher“, den man nicht mal seinem ärgsten Feind wünscht, obwohl er doch eine absolut nette Type ist. Und es gibt ja noch die Frau von Nebenan, und alle Dreiecks-Geometrien dazwischen. Von „unterkühlten Punchlines“ schrieb Oliver Ristau in seiner Kritik, das trifft es recht genau: aber nicht nur sprachlich so perfekt geschliffen, dass keine Silbe Verschleiß bleibt, sondern eben auch in der Bildersprache, die Räume und Gegenstände ständig mit aberwitzigen Metamorphosen bedroht. Das Alltägliche und das Surreale – am Ende ist man sich tatsächlich nicht mehr sicher, warum man beides je für Gegenpole hielt.
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Matthieu Bonhomme: Der Mann, der Lucky Luke erschoss
Apropos Comic-Salon: Von all den wiederkehrenden Gesprächsthemen dieses Salon-Jahres ist mir ein etwas alberner Running Gag in besonders guter Erinnerung. „Also dieser Matthieu Bonhomme… Ein guter Mann!„, „Wirklich, ein guter Mann, muss man sagen!“ Scherz beiseite, Bonhomme ist sogar ein ganz großartiger Mann, dem hier etwas wirklich Wunderbares geglückt ist! Überzeugende Nebenfiguren, Italo-Western, kritische Mythen-Reflexion… zu all dem Lob, das dieser Überraschungs-Band bereits erhalten hat, lässt sich nichts hinzufügen. Besonders raffiniert fand ich, dass alles, was man über die Figur „Lucky Luke“ zu wissen glaubte, in Bonhommes Welt selbst Hörensagen-Status hat; quasi die Lagerfeuer-Folklore eines etwas romantisch-überschwänglichen Biographen. Bei Bonhomme zieht niemand schneller als ein Schatten, aber jeder möchte (natürlich!) weiter daran glauben. Und wenn keine Zigaretten mehr geraucht werden können, dann aufgrund von allzumenschlicher Ressourcenverknappung, gemeinen Regenschauern und plötzlichen Windstößen. Auf den Nikotinentzug folgt dann auch unvermeidlich der Zitterich, da ist es mit schnellem Ziehen ohnehin vorbei. Man liest unweigerlich ein wenig mit hinein, wie etwa Tim und Struppi unter einem Bonhomme’schen Weltfilter aussehen könnten…
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Mark Millar und Frank Quitely: Jupiter’s Legacy
Apropos Dekonstruktion: Ich bin selbst sehr überrascht, dass ich mich noch einmal auf Mark Millars (gefühlt ca. 7000ten) Entwurf einer Superhelden-Entmantelung einlassen konnte. „Was, wenn Menschen in bunten Kostümen die Realpolitik der Gegenwart übernehmen und ein totalitäres Regime zur Weltenrettung errichten würden?“: Von Watchmen über Kingdom Come bis zu The Authority, eigentlich wäre kein Element dieser wilden, genre-reflexiven Collage nicht bereits in den 1990ern in den Tropen-Baukasten eingegangen und längst bekannt. Aber es liegt nicht nur an Frank Quitelys weiterhin atemberaubender Inszenierung, dass es sich hier – einmal mehr, diesmal wirklich, jetzt aber! –“larger than life“ anfühlt. Vielleicht paradoxerweise, weil Millar hier gar nicht größer schreiben will als das Leben. Es sind doch die ganz kleinen Geschichten der sorgfältig ausgearbeiteten Nebenfiguren, die sich am stimmigsten anfühlen. Der leider schon etwas gewohnte Zynismus des Autors lässt hier endlich wieder viel Platz für anderes, für das Licht am Ende des Tunnels, für eine Familien-Saga über drei Generationen, für leise Töne und unverhohlenes Mitfiebern! Endlich wieder mehr als eine Vorlage für actionreiche Verfilmungen (die paradoxerweise vermutlich genau darum auch einen großartigen Film abgeben könnte)! Man darf tatsächlich gespannt sein, ob die Schöpfer diese Töne länger durchhalten.
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Ich bin immer dankbar für solche Lesetipps!
Darf ich auf den Zug aufspringen und ebenfalls schnell zwei Werke empfehlen?
Der neue DOCTOR STRANGE von Jason Aaron (Text) und Chris Bachalo (Zeichnungen) ist zauberhaft leicht, und doch geht es um was. Kommt für mich an SANDMAN ran.
Manu Larcenets VALERIAN UND VERONIQUE-Adaption „Die Rüstung des Jakolass“ ist die pure Freude: Ein unverschämt lockeres Meisterwerk, das sich keinen Moment hinter dem Original verstecken muss. Witzig, skurril, originell.