Interdisziplinäres Medienwissenschaftliches Zentrum
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
4. - 6. April 2018
Bilder sind stärker als andere Darstellungsformen einer ganzen Reihe theoretischer und praktischer Negationen unterworfen, die von moralischen Tabus und politischer Zensur über religiöse Bilderverbote und -stürmereien bis zu philosophischen Verurteilungen reichen. Während zu diesen Zusammenhängen bereits eine große Anzahl von Forschungsbeiträgen vorliegt, ist jedoch weniger gut untersucht, ob Bilder auch selbst negieren können.
Viele Autoren, darunter Sigmund Freud, Nelson Goodman und Niklas Luhmann, geben auf diese Frage eine ihrerseits verneinende Antwort, was oft damit begründet wird, dass Bilder im Unterschied zu sprachlichen Sätze keinen propositionalen Gehalt besäßen, auf den sich Negationen anwenden ließen. Dem stehen jedoch Positionen gegenüber, die dem Bild durchaus die Fähigkeit zur Negation zusprechen. Diese Auffassung lässt sich vor allem dann vertreten, wenn man entweder einen breiten Begriff des Bildes, der auch dessen Interaktion mit und Integration von anderen Darstellungsmodi einbezieht, oder einen breiten Begriff der Negation vertritt, der diese nicht auf eine logische (und damit verbale) Operation verkürzt, sondern auch andere negative Phänomene, wie die Exklusion, die Inversion oder die Opposition, berücksichtigt.
Aus phänomenologischer Sicht stellt sich die Verneinung sogar nicht bloß als eine mögliche Option, sondern als ein notwendiges Konstituens des Bildes dar. Denn erstens sind Bilder spatial und im Fall zeitbasierter Bildmedien auch temporal begrenzt, was vor allem bei indexikalischen Bildern eine Ausgrenzung alles dessen impliziert, was nicht abgebildet wird. Zweitens ist jedes Bildobjekt sensorisch auf die Sichtbarkeit reduziert, was im Fall realer Gegenstände bedeutet, dass Bilder – zumindest direkt – weder nicht-visuelle Eigenschaften von Gegenständen noch überhaupt nicht-visuelle Entitäten darstellen können. Drittens tritt neben diese partielle insofern eine totale Abwesenheit, als alle gegenständlichen Bilder Objekte repräsentieren, die selbst absent sind. Und da Bilder aufgrund einer nicht selten anzutreffenden Ähnlichkeit mit ihren Objekten mit diesen verwechselt werden können, ist das Bewusstsein der Nicht-Identität von Objekt und Zeichen für ein angemessenes Verständnis des Letzteren bei Bildern wichtiger als bei nicht-ikonischen Zeichen wie jenen der Sprache.
Diese notwendigen werden wiederum um mögliche Negationen ergänzt. So können Bilder auch von bestimmten optischen Eigenschaften eines abgebildeten Objektes oder von einem Teil ihrer eigenen Eigenschaften absehen. Sie können fiktional, phantastisch oder abstrakt sein und damit die Wirklichkeit ihres Signifikats, dessen Möglichkeit oder sogar das Signifikat selbst negieren. Wie die Gestalttheorie, der Rezeptionsästhetik und die kognitive Erzähltheorie gezeigt haben, gesellen sich zur Abgrenzung des Bildes von einem Außerhalb Leerstellen innerhalb des Bildfeldes selbst. Diese entstehen vor allem dann, wenn im Betrachter bestimmte Erwartungen geweckt und zugleich enttäuscht werden, was mit einzelnen Bildern ebenso wie mit Serien mehrerer Bilder zu erreichen ist. Zu einem Mittel der Negation können Relationen zwischen mehreren Bildern auch dann werden, wenn diese nicht demselben Werk, sondern unterschiedlichen Werken angehören. Als Verneinungen lassen sich nämlich all jene interpiktoralen Bezugnahmen deuten, bei denen das Nachbild das Vorbild in einem starken Maße transformiert, wie es insbesondere bei der Parodie, der Travestie und der Persiflage der Fall ist. Dabei können auch unterschiedliche Kulturen, Typen und Medien von Bildern miteinander konfrontiert werden. Schließlich weisen auch bestimmte Bildtypen und -medien selbst besondere Affinitäten zur Negation auf. Das sind im ersteren Fall Pikto- und Diagramme, die auf in- oder externe Weise nummerische, verbale oder andere konventionelle Symbole einbeziehen, und im letzteren Fall technische Bildmedien, nämlich die analoge Photographie mit dem Positiv-Negativ-Verfahren, der Film mit der Abhängigkeit des Bewegungseindrucks von der Trennung der Einzelkader durch Dunkelheit sowie das digitale Bild mit der Null in Abgrenzung von der Eins.
Der Erörterung der Frage, ob und, falls ja, wie Bilder negieren können oder sogar müssen, dient die Konferenz Bild und Negativität. Hierfür werden Beiträge aus der Medienwissenschaft, der Kunstgeschichte, der Wissenschaftsgeschichte und der Philosophie gesucht, die sich des Themas aus einer theoretischen, analytischen oder historiographischen Perspektive annehmen. Dabei können unter Rückgriff auf unterschiedlichste – etwa logische, epistemologische, semiotische, dialektische oder narratologische – Methoden alle erdenklichen Gattungen von Bildern betrachtet werden, zu denen beispielsweise Comics, Filme und Photographien ebenso wie Gemälde, technische Zeichnungen und Funktionsgraphen gehören. Die Übernachtungskosten trägt der Veranstalter. Die Ergebnisse werden in einem Tagungsband dokumentiert werden. Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden um die Zusendung von Abstracts von 2.000-2.500 Zeichen für einen 30-minütigen Vortrag an PD Prof. Dr. Lars Nowak (lars_nowak@gmx.net) bis zum 31. Oktober 2017 gebeten.
PD Prof. Dr. Lars Nowak
Juniorprofessur für Medienwissenschaft
Institut für Theater- und Medienwissenschaft
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Bismarckstraße 1
91054 Erlangen
Tel.: 09131 8522911