Universität Duisburg-Essen, 16. – 19. November 2016
Ein Gastbeitrag von Jan-Niklas Meier (Universität Bielefeld)
Die Lektüre von Comics hat in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel erfahren: Wurden sie einst im Rahmen medienkritischer Debatten als Schmutz- und Schundliteratur bezeichnet und nur von Jugendlichen oder Anhängern von Subkulturen konsumiert, stoßen sie mittlerweile auf ein breites gesellschaftliches Interesse. Auch im akademischen Diskurs rückt das Medium zusehends in den Fokus, dennoch fällt besonders im Feld der geisteswissenschaftlich-fachspezifischen und allgemeinen Didaktiken auf, dass bisher nur vereinzelte Beiträge zum Thema Comics existieren. Vor diesem Hintergrund stellte die Tagung „Comics in der Schule“, die vom 16. bis 19. November 2016 an der Universität Duisburg-Essen stattfand und von Ulrike Preußer, Markus Engelns, Felix Giesa und Clemens Kammler organisiert wurde, die Frage nach dem Stellenwert von Comics im didaktischen Kontext und nahm eine Bündelung der unterschiedlichen Ansätze vor. Da die Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen akademischen Bereichen kamen, wurde zunächst eine referenzfähige Grundlage zu den medialen Strukturen und Rezeptionsweisen von Comics erarbeitet, um sich anschließend über konkrete Projekte und Erfahrungen im Umgang mit Comics austauschen zu können.
Dass der wissenschaftliche Diskurs um Comics noch jung ist und somit ein großes Potential für die Entwicklung eigener Fragestellungen bietet, zeigte eine Reihe von Nachwuchswissenschaftler*innen, die ihre Projekte am ersten Tag der Veranstaltung in einem Werkstatt-Panel vorstellten. Mit einem medienkulturwissenschaflichen Fokus näherten sich Moritz-Alexander Büschken und Laura Lewald dem Gegenstand. Erstgenannter setzte sich hierbei exemplarisch mit einem Superheldencomic der X-Men-Reihe (Claremont et. al. 2011) auseinander und wies die Reproduktion zeitgenössischer US-amerikanischer Gesellschaftsbilder nach. Lewald nutzte die strukturale Mythentheorie, um am Beispiel des Disney-Comics Die Jagd nach der Goldmühle (Rosa 1999) die Parallelen zum finnischen Volksepos Kalevala nachzuweisen und das Potential der didaktischen Heranführung an die Gattung des Epos zu zeigen. Marcel Pyka (Essen) und Sara Forster (Stockholm) fokussierten sich im Anschluss auf die Comicadaptionen der Texte von Franz Kafka (Corbeyran/Horne 2013; Mairowitz/Montellier 2013; Mairowitz/Crumb 2014). Im Rahmen der Beschäftigung mit den Texten des Autors im Deutschunterricht verwies Pyka darauf, dass Comics insbesondere aufgrund der grafischen Darstellung einen weiten Raum für Anschlusskommunikation schaffen. Sara Forster, die als Lehrerin für Deutsch in einem schwedischen Gymnasium arbeitet, verdeutlichte am selben Gegenstand, dass die Adaptionen gleichzeitig als Auslöser interkulturellen Lernens im Fremdsprachenunterricht dienen können; so öffne das Medium Comic weitere Ebenen der Kompetenzentwicklung. Später bestätigte dies auch Sandor Trippó von der Universität Debrecen, der im Rahmen seines Projektes mit angehenden Deutschlehrer*innen und Dolmetscher*innen in Ungarn die Potentiale zeitgenössischer deutscher Graphic Novels in Bezug auf Zeitzeugenschaft und erinnerungskulturelle Praxis aufzeigte. Im Kontext des Deutschunterrichts legte Verena Kreuzberger (Graz) dar, dass nicht nur Comics, die als Adaptionen kanonischer Literatur gestaltet sind, in die unterrichtliche Praxis integriert werden können. Am Beispiel des Comicromans Echt Fertig! (Feldhaus 2014), der im Deutschunterricht der 5. und 6. Klasse eingesetzt wurde, verdeutlichte Kreuzberger, dass Comics die literarästhetische Rezeptionskompetenz fördern und auch im methodischen Bereich Anknüpfung für handlungs- und produktionsorientierte Ansätze bieten. Anschließend stellten Thomas Raich und Adrian Franco (München) ihr interdisziplinäres Projekt #MakeScienceSequential vor, das (nicht nur) Studierenden die Möglichkeit bietet, wissenschaftlich orientierte Projekte in Comicform zu verfassen.
Mit Rückblick auf die medienkritischen Debatten der vergangenen Jahrzehnte stand an den folgenden Konferenztagen die Frage im Zentrum, ob sich im unterrichtlichen Kontext der Umgang mit Comics geändert habe. Wie Stephan Packard in seinem einleitenden Beitrag am zweiten Konferenztag betonte, sei der Comic als Gegenstand in der Wissenschaft mittlerweile anerkannt. In der Schule hingegen seien Comics nicht im Lehrplan verankert, trotzdem stelle sich mit Blick auf die Bildungsstandards aber die Frage, welche Medien in den Unterricht integriert werden können und welche Nutzungspotentiale sie entfalten. In diesem Fall sei bedeutsam, ob der Comic im Rahmen einer eigenständigen Comicdidaktik Eingang in das Curriculum finde oder im Zusammenhang einer allgemeinen Mediendidaktik berücksichtigt werde.
Als erster Schritt stand jedoch das Umreißen einer Diskursgrundlage im Fokus dieses zweiten Konferenztages, der zu Beginn die medienwissenschaftlichen Grundlagen der Comicforschung ins Zentrum setzte und später die theoretischen und praktischen Ausgangspunkte einer Didaktik des Comics als Comicdidaktik oder aber im Rahmen einer allgemeinen Mediendidaktik fokussierte.
Lukas R.A. Wilde (Tübingen) begann mit einem theoretischen Aufriss zur Medialität der Comics, in dem er den Gegenstand anhand verschiedener Medienbegriffe kategorisierte. Comics greifen einerseits auf die Basismedien Schriftlichkeit und Bildlichkeit zurück, welche beide auf der Modalität der gezogenen Linien aufbauen und in ein relationales, diagrammatisches Beziehungsgeflecht eingebunden sind. In diesem Zusammenhang sei insbesondere der Begriff der Multimodalität von Bedeutung, da neben bildlichen und schriftsprachlichen Zeichensystemen auch andere semiotische Modi wie z.B. Gestik und Mimik integriert werden können. Comics zeichnen sich andererseits durch ihre technisch-apparativen Medialität aus, deren Trägermedien mit ebenfalls unterschiedlichen Modalitäten verbunden sind. Letztlich sind sie als kulturkonventionelles Erzählmedium diskursiviert, das im gesellschaftlichen Kontext unterschiedlichen Wertigkeiten begegnet.
Im Anschluss befasste sich Nina Heindl (Köln) mit den rezeptionalen Aspekten des Comics. Nach Heindl sind Comics Rezeptionsherausforderungen, die unterschiedliche ästhetische Erfahrungen transportieren, was im didaktischen Kontext Rezeptions- und Medienkompetenz fördere. Am Beispiel der Comics der ACME Novelity Library (Ware 1993-2010), die gemeinhin mit komplexen Erzählstrategien und speziell gestalteten Bild-Text-Verschränkungen arbeiten, wurde gezeigt, dass besonders der Bruch mit konventionellen Gestaltungen Rezeptionsprozesse offenlegt und das Ästhetische erfahrbar macht.
Christian Bachmann (Berlin) konzentrierte sich nachfolgend auf die Materialitäten und Materialien des Comics. Er zeigte auf, dass sowohl Trägermedien als auch die besondere Materialität des Comics im unterrichtlichen Kontext im Rahmen der Schulung einer allgemeinen Medienkompetenz nutzbar gemacht werden können, zum einen als Gegenstand der Medienkunde, zum anderen in Bezug auf die ästhetisch-sinnliche Wahrnehmung.
Dass trotz dieser vielfältigen didaktischen Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten in der Realität immer noch gewisse Vorbehalte im unterrichtlichen Umgang mit Comics bestehen, verdeutlichte Michael Staiger (Freiburg) in seinem Vortrag, in dem er auch die Potentiale grafischer Literatur im Deutschunterricht hervorhob. In einem mediengeschichtlichen Aufriss zeigte er zu Beginn, dass Comics in Deutschland ab den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts Gegenstand des medialen Diskurses waren. Anfangs unter abwertender Perspektive betrachtet und ab den 60er-Jahren auch als Gegenstand des Unterrichts präsent (vgl. Ulshöfer 1963), wurden Comics vermehrt genutzt, um ihren minderwertigen literarischen Status herauszuarbeiten oder im Rahmen einer massenmedialen Ideologiekritik (vgl. Ide 1973) analysiert zu werden. In neuerer Zeit dienen Comics verstärkt zur Steigerung der Lesemotivation und obwohl in der Theorie ein reichhaltiger Fundus in Bezug auf comicspezifische Lesekompetenzen existiere, finde eine eher geringere Beschäftigung mit ihnen statt, was einerseits durch eine fehlenden Verankerung im Lehrplan und andererseits aus einer unzureichenden Auseinandersetzung im Lehramtsstudium begründet sei. Staiger stärkte aus diesem Grund umso mehr die medieneigenen Potentiale in Bezug auf die Kompetenz der visuellen Literalität, die nicht nur die Comics, sondern beispielsweise auch Bilderbücher betrifft, welche entgegen Erstgenannten einen festen Platz in der Lesesozialisation haben. So stellen Comics kein Brückenmedium auf dem Weg zum Schriftspracherwerb dar, sondern fordern aufgrund der bildtextlichen Relationen, die auch in anderen Medien zum Tragen kommen, eine Erweiterung des Literalitätsbegriffs.
Dietrich Grünewald (Koblenz) knüpfte an diesen Standpunkt an und betonte die Förderung unterschiedlicher Rezeptionskompetenzen durch die Lektüre von Comics. Anhand verschiedener Unterrichtskonzeptionen verdeutlichte er, dass Comics oder Bildergeschichten vor allen Dingen das Grundvermögen des Zusammenfügens visueller und textueller Bestandteile zu einem Ganzen schulen. Insbesondere produktions- und handlungsorientierte Konzepte stehen hierbei im engen Zusammenhang mit der Ausbildung einer Rezeptionskompetenz. Die Implementierung von Comics in den unterrichtlichen Kontext sei nach Grünewald nicht alleinige Aufgabe des Deutschunterrichts, vor allem die produktionsorientierten Ansätze könnten auch Gegenstand des Kunstunterrichts sein. Dabei solle die Ausbildung einer umfassenden Comic-Kompetenz die gesamte Schulbildung betreffen und neben kritischen Zugängen vor allem den ästhetischen Genuss als Rezeptionserlebnis fördern.
Die anschließende Podiumsdiskussion beendete den zweiten Konferenztag und pointierte die in den Vorträgen thematisierten Schwerpunkte und Diskussionen. Aufgegriffen wurde unter anderem, dass Comics zum einen in Referenz auf die Lesemotivation als anregend für Schüler*innen gelten mögen, zum anderen möglicherweise auch aufgrund komplexer Erzählverfahren frustrierend wirken können. Dies solle dennoch kein Grund sein, Comics nicht in der Schule zu integrieren, sondern vielmehr als Potential gesehen werden, problemorientierten Unterricht zu gestalten, um durch die Verbindung aus Motivation und Frustration besondere Rezeptionsprozesse in Gang zu setzen. Jenes erfordere eine grundlegende Kenntnis des Gegenstandes auf Lehrer*innenseite, die gegebenenfalls schüler*innenorientierte Reduktionen vornehmen, aber weiterhin das Medium Comic in seiner gesamten Bandbreite vermitteln können – und dabei nicht vernachlässigen, dass Comics kein reines Kindermedium seien. Notwendig sei hier auch im Rahmen des Unterrichts ein interdisziplinärer Zugang, auf fachlicher wie auch auf methodischer Seite, der Comics sowohl als Gegenstand als auch als Mittel behandle.
Das erste Panel am dritten Konferenztag referierte auf den bereits am Vortag etablierten Begriff der visuellen Literalität. Markus Oppolzer (Salzburg) widmete sich der Ausbildung visueller Lesekompetenzen: Wie auch Michael Staiger betonte er die Nähe von Bilderbüchern und Comics, was besonders in neuerer Zeit aus einer Verschränkung der medienspezifischen Produktionsformen resultiere. Visuelle Lesekompetenzen beschränken sich jedoch nicht nur auf die vorher genannten, sondern auf eine Vielzahl bildbezogener Medien, so beispielsweise auch auf den Film, Zeitschriften oder Internetseiten. Bedeutend sei in diesem Kontext, dass die visuelle Literalität nicht mit der allgemeinen Medienkompetenz gleichzusetzen sei, sondern einen eigenen Bereich darstelle, der analytisch durch literaturwissenschaftliche und bildkompositorische Methoden greifbar werde. Im didaktischen Kontext mögen Bilderbücher als Einstieg in diese Kompetenz betrachtet werden, die jedoch als Kontinuität bis in die Oberstufe gelehrt werden sollte. Auch hier gestalteten sich handlungs- und produktionsorientierte Verfahren wesentlich fruchtbarer als reine Inhaltsanalysen.
Christian Ludwig (Karlsruhe) erweiterte Oppolzers Beobachtungen durch die Entwicklung einer kritischen visuellen Literalität, deren Potentiale im Rahmen des Englischunterrichts an Joe Saccos Comic Journalism gezeigt wurden. Der Aufgriff sowohl historisch-kultureller als auch gesellschaftspolitischer Themen stelle einen zentralen Bereich des Englischunterrichts dar. Die Comics von Joe Sacco, in denen seine reale journalistische Tätigkeit in Krisengebieten grafisch umgesetzt werden (Sacco 2001 u. 2007), dienen zum einen als Anknüpfungspunkt an diesen Themenbereich, können zum anderen aber auch kritisch in Bezug auf das Verhältnis von Objektivität und Subjektivität diskutiert werden, was die literarisch-visuelle Kompetenz aktivieren mag. Es zeigte sich somit, dass jene nicht nur als Form der ästhetischen Erfahrung, sondern auch als kritische Betrachtungsweise in den Unterricht integriert werden kann.
Im folgenden Panel zum sprachlichen Lernen wurde deutlich, dass das Konzept der visuellen Literalität nicht nur im literaturdidaktischen Kontext seine Anwendung findet. Dies zeigten auch Jutta Rymarczyk und Marina Langschmidt (Heidelberg), die im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts die Verbindung von Sprachbewusstsein und visueller Literalität beim Lernen von Idiomen verfolgten. In fremdsprachlichen Unterrichtskontexten wird häufig mit einer Verbildlichung der wörtlichen, aber auch phraseologischen Ebene von Idiomen gearbeitet, was im Falle des Comics am Beispiel von Michael Gerards und Joe Bauers Eric Vale –Epic Fail? (2012) nachvollzogen wurde. Die Übersetzung des Comics ins Deutsche ermöglichte letztlich einen Vergleich zwischen deutschen und englischen Redewendungen und eine anschließende produktive Auseinandersetzung im unterrichtlichen Kontext. Eine eigens durchgeführte kleine Studie mit einer Schulklasse legte zudem nahe, dass Jugendliche erst am Ende der Pubertät Idiome in ihr Vokabular aufnehmen, Comics aber womöglich ein früheres Erlernen befördern können.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit in fremdsprachigen Zusammenhängen zeigten Bettina Wild und Nadja Wulff (Heidelberg), die das literarische und sprachliche Lernen mit Comics für neu zugewanderte Jugendliche in Vorbereitungsklassen untersuchten. Vorbereitungsklassen zeichnen sich durch ein hohes Maß an Heterogenität aus, in dem neben der sprachlichen Barriere auch das kulturelle System eine Hürde darstellen kann. Die Teilnehmer*innen besitzen zudem individuelle Spracherfahrungen und –biografien sowie unterschiedliche Kompetenzen in der Zweitsprache Deutsch (vgl. Mavruk/Wiethoff 2015). Durch ihr spezifisches Text-Bildgefüge verdichten Comics Narration, was sich in der von Wild und Wulff durchgeführten Studie als Rezeptionsherausforderung bei den Geflüchteten herausstellte. Auch externe Faktoren, wie zum Beispiel die kulturelle Diversität, erschwerten das sinnvolle Zusammenfügen der einzelnen narrativen Sequenzen. Dennoch regten die kurzen Comicsstrips zur Anschlusskommunikation und zum gegenseitigen Austausch von Erfahrungen an.
Das anschließende Panel warf einen Blick auf die Didaktiken der Philosophie und Geschichte, um auch hier die Potentiale von Comics aufzuzeigen. Antje Knopf (Leipzig) machte dies am Beispiel einer Comicadaption (Wellmann 2012) von Decartes‘ Meditationes de prima philosophia (1641) deutlich. Hier wurde herausgearbeitet, dass nicht nur die Beschäftigung mit dem Inhalt des Textes ein Potential zur unterrichtlichen Auseinandersetzung bietet, sondern auch der Fokus auf die narrative und die bildliche Form: Im Fall des Descartes-Comic wird durch eine Vermischung von Erzählebenen sogar ein weiterer argumentativer Ausgangspunkt geschaffen, der zur Anschlusskommunikation anregt.
Im Falle der Geschichtsdidaktik verdeutlichte Christine Gundermann (Köln), wie man das historische Lernen durch Comics fördern kann. Ausgehend vom Begriff der Geschichtskultur, der insbesondere das außerschulische Nachdenken (vgl. Hasberg/Körber 2003) über Geschichte prominent setzt, wurde betont, dass die Beschäftigung mit historischen Prozessen Handlungsspielräume für die Zukunft eröffne. Comics dienen in diesem Zusammenhang als Medium zur Begeisterung für Geschichte und zur gleichsam nebenbei erfolgenden Aneignung von Kultur.
Den dritten Konferenztag beschloss Jakob Hoffmann (Frankfurt/Main), der über seine Erfahrungen mit der Organisation von Lesungen mit Comic-Autor*innen in Schulen und Kulturveranstaltungen berichtete. Gerade die Begegnung mit diesen Autor*innen diene einerseits als Movens zur Beschäftigung mit Comics, andererseits auch zur Anerkennung von Comics, zur Wertschätzung als eigenständige Kunstform. Hoffmann betonte, dass Comics kein Brückenmedium für die Lesemotivation oder eine Form der Auflockerung seien, sondern vielmehr als produktives Element in den Unterricht integriert werden können, sei es in Gestalt von Live-Lesungen, Performances, Hörspielvertonungen oder Ausstellungen, die von Autor*innen betreut werden können.
Am Beginn des letzten Konferenztages stand weiterhin die Rolle von Comics in den verschiedenen Fachdidaktiken im Vordergrund. Das erste Panel konzentrierte sich auf die Verbindung von Comics und literarischem Lernen. Annette Kliewer (Bad Bergzabern) stellte im Rahmen ihres Vortrags ein Unterrichtsmodell für die 9. Klasse vor, in der die Literaturadaption Geschichten vom Herrn Keuner (Ulf K. 2014) thematisiert wurde. Anhand dieses Comics und dem Prätext – den Parabeln von Bertolt Brecht – wurden verschiedene Interpretationsmöglichkeiten vorgestellt, die durch die Schüler*innen an der Adaption überprüft werden konnten. Im Verhältnis von Prätext und Adaption wurde deutlich, dass der Comic keine Simplifizierung des Ausgangstexters darstellte. Weiterhin bot die Integration Raum für anschließende produktive Verfahren, wie beispielsweise das Verfassen eigener Adaptionen.
Der nachfolgende Vortrag von Katrin Dammann-Thedens (Lüneburg) beschäftigte sich mit Comics und Bilderbüchern als Lerngegenstände im Literaturunterricht der Primarstufe. Der Fokus lag hierbei auf den Vorerfahrungen und Lernvoraussetzungen der Schüler*innen in Bezug auf das bildliche Erzählen. Wie am Vortag wurde gezeigt, dass Bilderbücher eine Relevanz beim Erwerb der Kompetenz der visuellen Literalität haben, die bereits im Vorschulalter ausgebildet wird. Dies wurde anhand einer Untersuchung von Bilderbuch-Gesprächen zwischen Kindern und Eltern belegt. Der Gegenstand war hier das Bilderbuch The Grey Lady and the Strawberry Snatcher , das durch bestimmte Bildgestaltungen Irritationen beim Rezeptionsprozess erzeugt. Mithilfe der qualitativen Auswertungsmethoden der Grounded Theory zeigte Dammann-Thedens anhand von Gesprächen mit einem Elternteil, dass bereits Vorschulkinder narrative Ordnungssequenzen in Bilderbüchern identifizieren können. Als Ausblick auf den Unterricht der Primarstufe hob Dammann-Thedens insbesondere die Schulung der Rezeption von bildlichem Erzählen hervor, was neben Bilderbüchern auch durch Comics gefördert werden könne. Hier spielen vor allen Dingen die sprachliche sowie gestische Anschlusskommunikation und die Anknüpfung an die vorschulische Rezeption eine Rolle, um einen vertrauten Zugang zu schaffen.
Anknüpfend an dieses Themenfeld referierte Jeanette Hoffmann (Dresden) über die symbolischen Herausforderungen in der Rezeption des Comic-Romans Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen (Regnaud/Bravo 2009). Im Rahmen des Forschungsprojekts „Erzählen mit Bildern“ wurde ein empirischer Zugang präsentiert, der mithilfe einer ethnografisch-konversationsanalytischen Methodik (vgl. u.a. Deppermann 2008) die Rezeptionshaltungen der Schüler*innen einer Grundschulklasse erhob. Es wurde deutlich, dass die Rezeption des genannten Werkes durch bestimmte Herausforderungen gekennzeichnet war, die sich auf perspektivischer, symbolischer, intermodaler, typografischer und (bild-)metaphorischer Ebene manifestierten. Gleichzeitig bot der Comic aufgrund der thematischen Nähe zum Schulalltag Möglichkeit zur Anschlusskommunikation sowie eine produktive Reflexion durch Lesetagebücher.
In den letzten beiden Vorträgen der Tagung stand das topische Potential der Comic-Didaktik im Zentrum. Elisabeth Hollerweger (Siegen) fokussierte hierbei auf Wissenschaftscomics über den Klimawandel. Sie präsentierte den Ansatz einer kulturökologischen Literaturdidaktik, die annimmt, dass auch fiktionale Literatur kulturelle Konstruktionen von Umwelt aufgreife, indem sie entsprechende Diskurse reproduziere. Anhand von zwei Comics wurde darüber hinaus das literaturdidaktische Potential in Bezug auf das literarische Lernen diskutiert.
Frederik von Reumont (Köln) behandelte schließlich die Rolle von Comics in der Geographiedidaktik. Auch hier wurde insbesondere die meinungsbildende Funktion durch das Aufgreifen bestimmter Diskurse betont, die zur Reflexion anrege. Anhand ausgewählter Beispiele wurde die Nähe der Comics zur Kartografie gezeigt, hier fördern insbesondere die räumlich-topografische Strukturierungsmöglichkeit von Comics sowie die Einbettung in Narrationen das plurivektoriale Erzählen (vgl. Dittmer 2010), das Kreieren eines Narrativs im geografischen Raum.
In der Abschlussdiskussion resümierten die Veranstalter*innen die zentralen Fragen, die Gegenstand vieler Vorträge und Diskussionen waren: Viele Vorträge beantworteten im Besonderen die Frage, wie der gewinnbringende Einsatz von Comics im Unterricht geschehen könne und wie Rezeptionsprozesse von Text-Bildkonstruktionen funktionieren. Comics erscheinen im unterrichtlichen Kontext als Experimentierfeld für Lehrer*innen und Sch02üler*innen gleichermaßen. Sie schaffen einerseits Raum für problemorientierte Fragestellungen, wirken andererseits aber auch motivierend und schulen die multimodale Medienkompetenz. In Bezug auf die konkrete didaktische Umsetzung existieren jedoch immer noch offene Fragen, die vor allem die Anknüpfung an bestehende Kompetenzmodelle und eine fächerübergreifende Realisierung betreffen, dennoch war man sich am Ende der Tagung einig, dass die didaktischen Verfehlungen der 60er-Jahre überwunden sind: Comics gelten keineswegs mehr als Schmutz- und Schundliteratur, sondern können aufgrund ihrer vielfältigen thematischen Gestaltung sowie ihrer Nutzbarkeit als Gegenstand und Methode in einer Vielzahl von didaktischen Kontexten produktiv eingesetzt werden.
Literaturverzeichnis
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K, Ulf (2014): Geschichten vom Herrn Keuner. Berlin: Suhrkamp.
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