Ludwig-Maximilians-University
Amerikahaus, Munich
June 14 - 16, 2018
Seit einigen Jahren erfährt der Strand eine umfassende Transformation: Wurde er lange Zeit v.a. im Kontext des Massentourismus wahrgenommen, so ist er heute auch ein Ort, an dem Geflüchtete stranden, an dem sich sowohl Umweltverschmutzung als auch Klimawandel (Anstieg des Meeresspiegels, Tsunami etc.) manifestieren und an dem vermehrt soziokulturelle Konflikte ausgetragen werden, bspw. über Kleiderordnungen (Burkini-Debatte, FKK u.a.). Als ungeregeltes Übergangs- und institutionelles Grenzgebiet rückt der Strand zwar in den Fokus des medialen Interesses, bleibt aber in wissenschaftlichen Studien ein kaum beachtetes Randgebiet der Meeresthematik. Um den komplexen Vorstellungen, Dynamiken, Praktiken und Ästhetiken des Strandraums gerecht zu werden, versteht die internationale Konferenz ›Narrating and Constructing the Beach‹ den Strand hingegen als eigenständiges (Grenz-)Phänomen, das systematisch und historisch beleuchtet werden soll.
Mit der Alain Corbin zufolge ca. im 18. Jahrhundert einsetzenden (europäischen) »Erfindung des Strandes« sind verschiedene Diskurse und Praktiken verbunden, zu deren Kristallisationspunkt und Projektionsfläche der Strand wird. Davon ausgehend zeichnet die Konferenz vielfältige, sich verändernde und teilweise konkurrierende Repräsentationen und Erlebnisweisen des Strands in Kunst, Kultur und Gesellschaft sowie seine cultural imaginaries in ihrer globalen und historischen Vielfalt nach. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, mit welchen Verfahren ›der Strand‹ erzählt, konstruiert und verändert wird – denn historisch-kulturelle, künstlerische und perzeptive Praktiken produzieren den Strand als einen ästhetisch, soziokulturell, politisch, historisch und auch geographisch variablen Raum. Er ist liminal und zugleich multipel, bestimmt durch das Aneinandergrenzen und Ineinanderübergehen von Land, Meer und Himmel; er changiert zwischen Repräsentations- und Lebensraum, wird zeitweilig als Nicht-Ort oder als Heterotopie erfahren.
Aus unterschiedlichen, dezidiert interdisziplinären Forschungsperspektiven stellt sich u.a. die Frage, wie Formen der Stranderfahrung mit soziokulturellen Körperpraktiken und Differenzmarkern (Geschlecht, Ethnizität, Nationalität, Religion, Klasse, Alter, Dis/ability etc.) zusammenhängen: Locals oder Reisende können den Strand bspw. als Ort der Begegnung mit dem – etwa erotischen oder gefährlichen – ›Fremden‹ erfahren, was zu (transitorischem) Selbstverlust oder auch zu abgrenzender Bestimmung des ›Eigenen‹ führen kann. Dazu tragen Praktiken wie die Grand Tour, medizinische Kuraufenthalte, Strandbeschäftigungen (Schwimmen, Promenieren, Sandburgen bauen, Muscheln und Strandgut sammeln), (massen-)touristische Kolonisierung, geschlechtsspezifische Produktionen von Binnenräumen (durch Handtücher, Blickregime etc.) oder die (artifizielle) Inkorporation von Stadtstränden bei, deren kulturellen, medialen und ästhetischen Bearbeitungen sich Beiträge widmen können.
Auch jenseits dieser soziokulturellen Beziehungen konstituiert sich der Strand als kaum verortbarer, gewissermaßen ›fluider‹ Ort vorrangig durch Relationen, d.h. in Abhängigkeit von sowie in Abgrenzung zu Meer bzw. Wasser, Hafen oder Urbanität sowie anderen Formen des Ufers und der Küste. Im Gegensatz oder auch in Analogie etwa zum Hafen kann der Strand das Klandestine, das Fehlgegangene, die Störung in globalen, institutionalisierten Handelsströmen und Reiserouten repräsentieren; an einem Strand anlanden kann heißen, den Hafen gemieden, ihn verfehlt, ihn nicht vorgefunden zu haben – gestrandet zu sein. Beiträge könnten bspw. in der Einrichtung von Kurorten, der Regulierung von Handel, Tourismus oder Fluchtrouten beleuchten, wie Prozesse von Ordnung und Institutionalisierung (un-)sichtbar werden, wie sie (vorübergehend) Strukturen etablieren oder aber ins Leere laufen.
Die Konferenz ›Narrating and Constructing the Beach‹ fragt danach, wie Strände als liminale Grenzräume soziokulturell erzählt und konstruiert, aber auch wie sie u.a. von Literatur, Musik, Theater, Performance, Film, Fotografie und bildender Kunst als (ästhetische) Räume hervorgebracht und poetologisch wirksam werden.
Aus kulturwissenschaftlich interessierten Disziplinen laden wir hierfür Beiträge zu allen Epochen und Regionen der Erde ein, Strände als kulturelle Artefakte bzw. in kulturellen Artefakten anhand ihrer diskursiven Verfasstheit, ihrer ästhetischen Dimensionen oder ihrer historisch-kulturellen Praktiken zu untersuchen bzw. deren Verbindungslinien und Wechselwirkungen nachzuzeichnen.
Englisch- oder deutschsprachige Abstracts von 300-500 Wörtern für einen 30-minütigen Vortrag mit anschließender 15-minütiger Diskussion können zusammen mit einer akademischen Kurzvita bis zum 14. Januar 2018 eingereicht werden an: beach.conference@lmu.de. Einsendungen sollten noch nicht veröffentlicht sein, da eine Publikation angestrebt wird. Wir bitten zudem um eine Angabe darüber, ob der Vortrag evtl. sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch gehalten werden könnte, damit wir ein ausgewogenes Verhältnis beider Konferenzsprachen gewährleisten können.