Literatur-/Medienwissenschaft und Literatur-/Mediendidaktik
Winter 2019
„Wir schaffen das“ – kein Satz wird gegenwärtig in Deutschland nach wie vor kontroverser diskutiert als Angela Merkels hoffnungsvolle Parole zur Bewältigung der ›Flüchtlingskrise‹ und ihrer Folgen in Deutschland. Auch wenn die Flüchtlingszahlen seit Ende 2015 kontinuierlich rückläufig sind, zeigen sich die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen der Fluchtbewegung in ihrer vielschichtigen Dimensionalität erst jetzt und stellen auch für die kommenden Generationen eine bleibende Herausforderung dar.
Dabei besitzt die Schule als Bildungsinstitution und Sozialisationsinstanz eine Schlüsselfunktion nicht nur hinsichtlich der Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher (z.B. im integrativen Sprachunterricht), sondern auch in Bezug auf die Sensibilisierung für kulturelle Vielfalt – wobei sich als notwendige Aufgabe stellt, diese aktuellen Herausforderungen in (ggf. fächerübergreifende) Unterrichtskonzepte zu implementieren. Dadurch wird wiederum Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit eröffnet, über die Auseinandersetzung mit narrativen Medien zum Thema Flucht und Vertreibung Perspektivübernahmen zu vollziehen und die eigene Empathiefähigkeit auszubilden. Zugleich können geflüchtete Kinder und Jugendliche über fiktionalisierte Formen von Welt- und Wirklichkeitserfassung, die auf ähnliche Erfahrungswelten referieren, das eigene Erleben wiedererkennen, darüber reflektieren und sich mit anderen austauschen.
Schneller als bei früheren einschneidenden historischen Ereignissen leisten AutorInnen und RegisseurInnen der Gegenwart zahlreiche literarische und filmische Beiträge zum aktuellen Diskurs über Flucht und Vertreibung. Im Schulunterricht bietet sich deshalb die Option, eine Vielzahl an Romanen, Gedichten, Comics, Spiel- und Dokumentarfilmen sowie Reportagen zu untersuchen. Gleichsam kann und soll dabei aber auch eine diachrone Perspektive eingenommen werden, die den Kindern und Jugendlichen aufzeigt, dass Flucht und Vertreibung gesellschaftshistorisch keine auf die unmittelbare Gegenwart beschränkten Phänomene sind.
Bisherige Publikationen zum Thema sind entweder didaktisch informierte Text- und Materialsammlungen oder sie nähern sich dem Gegenstand aus einer dominant literatur- bzw. medienwissenschaftlichen Perspektive – vgl. etwa Dieter Wrobel u. Jana Mikota: Flucht-Literatur. Texte für den Unterricht. 2. Bde. Baltmannsweiler: Schneider 2017; Birgit Peter u. Gabriele C. Pfeiffer (Hrsg.): Flucht – Migration – Theater. Dokumente und Positionen. Mainz, Wien: UP 2017; Flucht und Vertreibung. Hrsg. v. Jennifer Pavlik u. Nike Thurn. Themenheft in: Der Deutschunterricht 1 (2018).
Die geplante Sammelpublikation zum Thema Narrative der Flucht. Literatur-/medienwissenschaftliche und didaktische Perspektiven wird deshalb den wissenschaftlichen Diskurs gewinnbringend ergänzen, indem sie Beiträge zusammenführt, die an der Schnittstelle zwischen Literatur-/Medienwissenschaft und Literatur-/Mediendidaktik zu verorten sind. Der Fokus der literatur-/medienwissenschaftlichen und didaktischen Beiträge sollte dabei auf der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit aktuellen medialen Erzeugnissen zum Thema liegen, wobei natürlich auch diachrone Perspektiven eröffnet oder favorisiert werden können.
Geplant ist eine Gliederung des Bandes in literatur-/medienwissenschaftliche sowie in didaktische Perspektivierungen. Für die literatur-/medienwissenschaftliche Rubrik sind Beiträge etwa zu folgenden Themen denkbar:
- Flucht und Theater
- Flucht und Lyrik
- Flucht und narrative Texte (Romane, Comics, schriftliche Reportagen etc.)
- Flucht und Spiel-/Dokumentarfilme bzw. Musikvideos
Für die didaktische Rubrik können literatur- und/oder mediendidaktische Zugänge gewählt werden, deren Spektrum von auf das Thema Flucht bezogenen didaktischen Theoremen bis bin zu konkreten und gegebenenfalls auch projektbezogenen Unterrichtsmodellen reichen kann. Erwünscht ist weiterhin eine Rückbindung an die jeweiligen curricularen Kompetenzerwartungen.
Bitte senden Sie Ihren themenbezogenen Beitragsvorschlag in Form eines kurzen Abstracts (max. 400 Wörter) zusammen mit einer biographischen Info und Ihren Kontaktdaten bis zum 31. Mai 2018 per E-Mail an christineansari@uni-kassel.de oder an c.frank@uni-kassel.de. Die Einreichung der ca. 40.000-50.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) umfassenden Beiträge ist zum 28. Februar 2019, die Publikation des Bandes für den Winter 2019 geplant.