Unter dem Motto „Comics und Journalismus“ ist die Gesellschaft für Comicforschung e.V. (ComFor) auch 2018 wieder mit einem populärwissenschaftlichen Vortragsprogramm auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen vertreten.
Freitag, 1. Juni 2018
11:00 Uhr – Augusto Paim (Weimar)
„Zu den Eigenschaften des Zeichenblocks als journalistisches Mittel“
Die Renaissance der gezeichneten Reportage gibt dem Journalismus ein Werkzeug zurück. Korrespondenten waren mit ihren Zeichenblöcken bereits im 19. Jahrhundert unterwegs. Heute, wo das Zeichnen von der Fotografie überholt wurde, weist die Praxis von Comicreportern darauf hin, dass der Zeichenblock trotzdem bestimmte Funktionen im Journalismus übernehmen und bewusst als journalistisches Mittel eingesetzt werden kann, so wie es der Notizblock, der Audiorecorder und der Fotoapparat schon lange sind.
11:30 Uhr – Prof. Dr. Jörn Ahrens (Gießen)
„Dokumentation als Geste. Probleme des dokumentarischen Comic am Beispiel von Joe Sacco“
Der Vortrag geht von der These aus, dass der Comic als Medium Nicht-Fiktionales per definitionem unmöglich macht. Im Comic gibt es ausschließlich Fiktion; er kennt das Nicht-Fiktionale nicht. Wenn heute davon die Rede ist, das Fiktionale sei zum Authentischen geworden, hat der Comic diese Tendenz medienhistorisch früh ausbuchstabiert. Geschuldet ist dies seiner Formensprache, der es weder gelingt, Nicht-Fiktionales abzubilden, noch die Illusion zu schaffen, dies sei der Fall. Dazu trägt vor allem die mehrfache Distanzierung des Dargestellten im Bild, dessen graphische Arretierung und die paradoxe Funktion von Schrift bei. Am Beispiel von Joe Saccos Comic-Reportagen über den Krieg in Ex-Jugoslawien wird der Vortrag dem Spannungsverhältnis zwischen auf Dokumentation abstellender Reportage und dem ihr eingeschriebenen Gehalt an Fiktion und Wahrheitsanspruch nachgehen.
12:00 Uhr – Sebastian Driemer (Greven)
„Spielwiese oder professionell bestellter Acker? Aktuelle Beispiele zu Comicjournalismus aus dem Internet“
Der Vortrag gibt einen exemplarischen Überblick zu verschiedenen Formen des Comicjournalismus im Web. Neben „klassischen“ Comics zum Blättern durch Klicken werden auch Reportagen nach dem Prinzip der endlosen Leinwand zum Scrollen vorgestellt, informative Klick-and-Scroll-Geschichten sowie Tagesaktualität im Comic thematisiert. Was einen Comic dabei journalistisch macht – und was nicht –, sollen die Beispiele verdeutlichen.
Samstag, 2. Juni 2018
11:00 Uhr – Prof. Dr. Dirk Vanderbeke (Jena)
„Zur Geschichte journalistischer Bilderzählungen“
Über Jahrhunderte wurden in Flugblättern und Broadsheets auch journalistische Themen behandelt und dabei schon die wesentlichen Merkmale des späteren Comics entwickelt. Erst später trat das geschriebene Wort in den Vordergrund, und die Bilderzählungen fanden ein neues Feld, u.a. in Karikaturen und in lustigen Strips. Der Comic erschien dann zunehmend als ein Medium für jugendliche Leser, bis sich aus den Underground Comix der Comics Journalismus entwickelte.
11:30 Uhr – Martin Frenzel (Darmstadt)
„Rasende Comic-Reporter: Von Jane Arden über Clark Kent bis Tim und Struppi. Der Topos des Journalisten im Comic. Ein internationaler Vergleich“
Kaum ein Topos gehört so zur Comic-Geschichte wie die Figur des mehr oder minder abenteuerlustigen Journalisten: Dies gilt für die wohl erste Reporterin „Jane Arden“ (USA 1927), aber auch für Hergés belgischen Klassiker Tim und Struppi 1929. 1938 begann „Supermans“ Siegeszug, dessen Alter Ego Clark Kent als Journalist arbeitet… Seither gehört der „rasende Reporter“ (Kisch) zum festen Comic-Inventar: Von Lois Lane, Brenda Starr, Jijés Fantasio bis Rick Master und Lefranc … Eine international vergleichende Bilderrevue.
12:00 Uhr – Prof. Dr. Dietrich Grünewald (Reiskirchen)
„‚Wenn jemand eine Reise tut…‘: Comic-Reise-Reportagen“
Schon immer haben Reisende visuelle Dokumente mitgebracht. Bilder präsentieren detailgenau, was die Reise sichtbar bietet: Topographie, Flora und Fauna, aber auch menschliches Leben und Kultur. Comic-Reportagen laden zum geistigen Mitreisen ein. Ob selbsterlebte Reisen, im Nachhinein rekonstruierte oder auch erfundene, in Kombination von Fantasie und Wirklichkeit bieten sie eine gelungene Mischung aus Unterhaltung, Information und Denkanstößen.
14:00 Uhr – Ralf Palandt (München)
„Comics über Flucht und Migration“
„Alphabet des Ankommens“ ist ein Titel in einer längeren Reihe von Comics über Flucht und Migration. Vor 20 Jahren war der Krieg in Afghanistan Gegenstand der Geschichten, heute sind es die Zustände in Afrika und dem Nahen Osten bis hin zum Krieg in Syrien. Davon erzählen Comics und sollen bzw. wollen helfen – den Geflohenen und uns, zu denen die Menschen fliehen. Im Vortrag werden einige der deutschsprachigen und z.T. sogenannten „comicjournalistischen“ Comics vorgestellt.
14:30 Uhr – Prof. Dr. Michael F. Scholz (Visby)
„‚Comics and their Creators‘ – Martin Sheridans journalistischer Blick auf das Medium im Jahr 1942“
Comics And Their Creators. Life Stories of American Cartoonists von Martin Sheridan, 1942 in den USA erschienen, ist das erste Buch überhaupt, das sich ausschließlich mit Comics beschäftigt. Obwohl es sich hier um eine weitgehend unkritische Wertschätzung der Comics handelt, ist das Buch aufgrund seiner Insiderinformationen über die Frühzeit des Comics als historische Primärquelle zu sehen. Der Journalist Martin Sheridan hatte nach dem College kurzzeitig als Assistent von Russ Westover (Tillie the Toiler) gearbeitet und war auf diese Weise mit vielen Comic-Schaffenden unter dem Dach von King Features in Kontakt gekommen. Diese Insiderkenntnis nutzte er erfolgreich für seine ersten journalistischen Schritte. Einige Jahre später war er ermutigt, seine Erfahrungen auch als Buch zu veröffentlichen. Wie der Journalist Sheridan gearbeitet hat, wird im Vortrag an Hand seiner Korrespondenz zu dem Buch aus den Jahren 1939 bis 1942 verdeutlicht.
Sonntag, 3. Juni 2018
11:00 Uhr – Dr. Lukas R.A. Wilde (Tübingen)
„9/11 im Comic, oder: Bedrohte Ordnungen der Bilder“
Obwohl – oder weil – die Ereignisse am 11. September 2001 durch Camcorder und Live-TV dominiert wurden, taten sich Kinofilme und Fernsehserien jahrelang schwer darin, 9/11 zu thematisieren. Der Gegensatz zur Comic-Industrie könnte kaum drastischer ausfallen. Könnte dies damit zu tun haben, dass die Fotos von ‚9/11‘ selbst immer wieder mit Hollywood-Katastrophenfilmen verglichen – und verwechselt – wurden? Der Vortrag zeichnet nach, wie das Wechselspiel von Fakt und Fiktion über Nacht durcheinander geriet und welche Rolle dem Comic dabei als einem medialen Reflexionsraum zufiel.
11:30 Uhr – Dr. Daniela Kaufmann (Graz)
„‚I will not fight a Negro‘. Zur Darstellung der ‚Boxing Color Line‘ bei George Herriman“
Als „Color Line“ wurde in den USA jene „imaginäre“ Rassengrenze betitelt, welche die Zeit der Segregation von der Aufhebung der Sklaverei 1865 bis zum Inkrafttreten des Civil Rights Act 1964 markierte und in vielerlei Hinsicht bis heute markiert. Für George Herriman soll diese Linie und die kongeniale Verschmelzung von Kunstgriffen wegweisend gewesen sein. Der Vortrag will anhand ausgewählter sports cartoons untersuchen, auf welche Art der Zeichner die aktuelle Lage im Boxsport darstellte und inwieweit die „Boxing Color Line“ auf die Umsetzung der Figur „Krazy Kat“ Einfluss hatte.