CFP: Angst und Wut im Comic

Konferenz
Berliner Comic-Kolloquium
Symposium
9. Februar 2019
Stichtag: 12.12.2018

Motive von Angst und Wut – Emotionen im und um den Comic

Wenn Verschwörungstheorien, Fremdenhass und das Schüren von Abstiegsängsten salonfähig geworden sind, wenn Protestwähler*innen und „Wutbürger*innen“ Wahlen und Politik maßgeblich beeinflussen, wenn Paketbomben an Politiker*innen verschickt werden, wenn Staaten ihre Grenzen „zumauern“, der Ruf nach „Recht und Ordnung“ wieder lauter wird und „befreundete“ Staaten um die Wette rüsten, wird deutlich, in welchem Maß Wut und Angst Motoren sozialer und politischer Veränderung sind.
Auch Unsicherheiten, Ängste und Abneigungen im privaten Bereich – in Zeiten der Individualisierung und „Achtsamkeit“ zunehmend ausgedrückt, inszeniert und analysiert – begründen das eigene Handeln, führen aber auch zu biografischen Brüchen und setzen Grenzen. Parallel dazu ist auch die „Handlung“ (im doppelten Sinne) in Geschichten oft ausgelöst (oder kulminiert zumindest) durch Gefühle der Wut oder Angst. Rachegelüste, Fluchtreflexe, Hass, die Suche nach dem Kick, Angst vor dem Tod und der Kampf mit den eigenen Dämonen sind Motive, die Figuren verändern und antreiben.

In der Wissenschaft ist spätestens seit dem 2007 ausgerufenen Emotional oder Affective Turn(1) das Augenmerk verstärkt auf die Bedeutung von Emotionen in der Gesellschaft gelenkt worden. Mit dem SFB 1711 „Affective Societies“ an der FU Berlin gibt es entsprechend ein großangelegtes, interdisziplinäres Forschungsprojekt zu dem Thema.

Auch die Comicforschung hat sich natürlich immer wieder mit Emotionen auseinandergesetzt. Allerdings fällt bei Sichtung einer aus der Bonner- Onlinebibliographie erstellten Kurzbibliografie zu Angst und Wut auf, dass zumindest monografisch – außer zum Horrorgenre – kaum Analysen zu diesem Thema vorliegen. Gerade diese negativen Gefühle sind erstaunlich selten Thema der Forschung, obwohl Comics per se durch ihre unvermeidlichen Reduktionen, Stereotypisierungen und Parodien emotional aufgeladen sind.

Das Berliner Comic-Kolloquium nimmt die aktuellen Debatten um Wut und Angst in der Gesellschaft zum Anlass, sich am 9. Februar 2019 mit den comicspezifischen Darstellungsformen dieser Emotionen, den Motiven von Wut und Angst im Comic, aber auch mit den von Comics ausgelösten Emotionen, der Manipulation der Leser*innen durch den Comic und durch- aus auch mit der (vor nicht allzu langer Zeit noch sehr verbreiteten) Angst vor und Wut auf den Comic zu befassen.

  • Mögliche Themen sind:
  • Darstellungsformen von Angst und Wut im Comic
  • Comic-Gegnerschaft von den Anfängen bis heute
  • Erzeugung von Angst oder Wut durch Comics
  • Genres, die spezialisiert sind auf Angst oder Wut
  • gegenwärtige Krisen-Diskurse im Comic
  • Comics als Kommunikationsmitteln von Wütenden oder Ängstlichen

(1) Vgl. Patricia Ticineto Clough: The Affective Turn : Theorizing the Social. Durham ; London, 2007; Thomas Anz: Emotional Turn? Beobachtungen zur Gefühlsforschung. Auf: https://literaturkritik.de/id/10267 (publ. 18.01.2007, abgerufen am 26.10.2018); Matthias Beitl , Ingo Schneider, Emotional Turn?! Europäisch Ethnologische Zugänge zu Gefühlen & Gefühlswelten. Bei- träge Der 27. Österreichischen Volkskundetagung in Dornbirn vom 29. Mai – 1. Juni 2013. Wien, 2016.

Abstracts

Wir freuen uns entsprechend über Einreichungen, die sich dezidiert mit Angst und Wut im oder vorm/auf den Comic beschäftigen und bitten um Einsendung eines Abstracts von 300 Worten bis 12.12.2018 an comfor.berlin2014@gmail.com.

Da das Comic-Kolloquium das Symposium als Verlängerung des regulären Kolloquiumsbetriebs sieht, nehmen wir daher explizit auch unfertige, in Arbeit befindliche Projekte an. Sollten BA- und MA-Absolvent*innen bzw. Promovierende Abschlussprojekte diskutieren wollen, die sich nicht dem Symposiumsthema gut zuordnen lassen, bitte trotzdem mit entsprechen- dem Hinweis bei Interesse einer Präsentation bewerben, wir stellen dann ggf. einen Slot mit Abschlussarbeitsdiskussionen zusammen.
Fragen gerne an matthias.harbeck@ub.hu-berlin.de

Kurzbibliographie

Darstellungsformen von Emotion

  • Albrecht, Christian: „Die Kunst des Unsichtbaren. Darstellung von Emotionen in Comicadaptionen von Die Leiden des jungen Werther.“ In: Praxis Deutsch 232 (2012), S. 46–54.
  • Humphrey, Aaron: „Emotion and Secrecy in Australian Asylum-Seeker Comics. The Politics of Visual Style.“ In: International Journal of Cultural Studies (2017).
  • Kajiya, Kenji: „How emotions work. The politics of vision in Nakazawa Keiji’s Barefoot Gen.“ In: Comics Worlds and the World of Comics. Towards Scholarship on a Global Scale. Hrsg. v. Jaqueline Berndt. (Global Manga Studies, 1.) Kyoto: International Manga Research Center, Kyoto Seika University, 2010, S. 245–261.
  • Kendall, L. N., Quentin Raffaelli, Alan Kingstone und Rebecca M. Todd: „Iconic faces are not real faces. enhanced emotion detection and altered neural pro- cessing as faces become more iconic.“ In: Cognitive Research 1.1<http://link.springer.co … .1186/s41235-016-0021-8> (29. Dez. 2016)
  • Rykalova, Gabriela: “Emotionen in Comics.” In: Acta Facultatis Philosophicae Universitatis Ostraviensis. Studia Germanistica 6 (2010), S. 215-223.
  • Tan, Ed S. „Gesichtsausdruck und Emotion in Comic und Film.“ In: Kinogefühle. Emotionalität und Film. Hrsg. v. Matthias Brütsch et al. 2. Aufl. (Zürcher Filmstu- dien, 12.) Marburg: Schüren, 2009, S. 265–288.
  • Tsai, Yi-Shan: „Close-ups. An emotive language in manga.“ In: Journal of Graph- ic Novels and Comics (2018), S. 1–17.
  • Wittwer, Michael: „Emotionalität bei der Fachübersetzung von Comics in der Pä- diatrie.“ In: Aktuelle Probleme der angewandten Übersetzungswissenschaft. Sprachliche und außersprachliche Faktoren der Fachübersetzung. Hrsg. v. Bogdan Kovtyk und Gabriele Wendt. Frankfurt am Main [etc.]: Peter Lang, 2002, S. 170–179.

Angst vorm Comic

  • Becker, Thomas: „Wer hat Angst vor der Neunten Kunst? Kurze Archäologie eines Legitimierungsdiskurses.“ In: Triëdere 1 (2012), S. 5–13.
  • Franzmann, Bodo: „Die »Stiftung Lesen«. Keine Berührungsangst vor Comics.“ In: Comics Anno 3 (1995), S. 286–290. Angst als Inhalt
    Hart, David M. „Batman’s Confrontation with Dead, Angst, and Freedom.“ In: Batman and Philosophy. The Dark Knight of the Soul. Hrsg. v. Mark D. White und Robert Arp. (The Blackwell Philosophy and Pop Culture Series.) Hoboken: Wiley, 2008, S. 212–226.
  • Kruschwitz, Hans: Utopische Sehnsucht nach Angst. Von Morus’ Utopia zu Moo- res Watchmen. (Comiqheft / Comiqbook, 6.) Berlin: Ch.A. Bachmann, 2017. (54 S.)
  • Jenkins, Henry: „Man Without Fear. David Mack, Daredevil, and the “Bounds of Difference” in Superhero Comics.“ In: Make Ours Marvel. Media Convergence and a Comics Universe. Hrsg. v. Matt Yockey. (World Comics and Graphic Nonfiction.) Austin: Univ. of Texas Press, 2017, S. 66–104.
  • Johnson, Jeffrey K.: „Terrified Protectors. The Early Twenty-First Century Fear Narrative in Comic Book Superhero Stories.“ In: Americana 10.2<http://www.americanpopu … s/fall_2011/johnson.htm> (21. Nov. 2016)
  • Schopp, Andrew: „Interrogating the Manipulation of Fear. V for Vendetta, Bat- man Begins, Good Night, and Good Luck, and America’s “War on Terror”.“ In: The War on Terror and American Popular Culture. September 11 and Beyond. Hrsg. v. Andrew Schopp und Matthew B. Hill. Madison [etc.]: Fairleigh Dickinson Univ. Press, 2009, S. 259–286.

Angst als Genre

  • Barker, Martin: A Haunt of Fears. The Strange History of the British Horror Comics Campaign. (Studies in Popular Culture.) Jackson: Pluto, 1992. (239 S.)
  • Carver, Stephen James. „Weird Tales from the Vault of Fear. The EC Horror Com- ics Controversy & Its Legacy“. Watching the Media – Censorship, Limits, and Control in Creative Practice: 15. Apr. 2011.
    Schneider, Christian W. Framing Fear. The Gothic Mode in Graphic Literature. (ELCH – Studies in English Literary and Cultural History, 57.) Trier: Wissenschaft- licher Verlag Trier, 2014. (290 S.)
  • Vinci, Tony M. „Remembering Why We Once Feared the Dark. Reclaiming Hu- manity Through Fantasy in Guillermo del Toro’s Hellboy II.“ In: Journal of Popu- lar Culture 45.5 (2012), S. 1041–1059.

Angst als Message

  • Bivins, Jason C. „“Jesus Was Not a Weak Fairy”. Chick Tracts and the Visual Cul- ture of Evangelical Fear.“ In: Religion of Fear. The Politics of Horror in Conserva- tive Evangelicalism. New York: Oxford Univ. Press, 2008, S. 41–89.

Fremdenangst

  • Feickert, Sabrina: „»Then We Will Fight in the Shade«. Sparta, Comedy and Coming to Terms with the Fearsome Otherness.“ In: Humour and Laughter in History. Transcultural Perspectives. Hrsg. v. Elisabeth Cheauré und Regine Nohejl. Bielefeld: Transcript, 2014, S. 119–136.
  • Fu, Albert S. „Fear of a black Spider-Man. Racebending and the colour-line in su- perhero (re)casting.“ In: Journal of Graphic Novels and Comics 6.3 (2015), S. 269–283.
  • Seiler, Sascha: „Gefangen im Tim und Struppi-Land. Ein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus einer Mischung von Abenteuerlust, Faszination und Xeno- phobie entstandenes, stark subjektiv gefärbtes Bild ‚exotischer‘ Weltregionen hat bis heute seine Gültigkeit bewahrt. Eine Spurensuche.“ In: literaturkritik.de 9<http://www.literaturkri … ension.php?rez_id=21083> (12. Jan. 2016)

Wut

Darstellungsformen

  • Eerden, Bart: „Anger in Asterix. The metaphorical representation of anger in comics and animated films.“ In: Multimodal Metaphor. Hrsg. v. und Eduardo Uri- os-Aparisi. (Applications of Cognitive Linguistics, 11.) Berlin, New York: Mouton de Gruyter, 2009, S. 243–264.
  • Forceville, Charles: „Visual representations of the idealized cognitive model of anger in the Asterix album La Zizanie.“ In: Journal of Pragmatics 37 (2005), S. 69–88.

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