26. und 27. April 2019
Comics sind in den vergangenen Jahren sowohl in intertextueller als auch in intermedialer und narratologischer Hinsicht zunehmend in den Fokus der Literatur- und Kulturwissenschaft gerückt. In der germanistischen Mediävistik jedoch ist das ‚Mittelalter in der Sprechblase‘ trotz der großen Relevanz des Comics für die Mittelalterrezeption noch immer auf vereinzelte Beiträge beschränkt. Dies ist umso erstaunlicher, als es sich bei Fragen der Intertextualität, der Intermedialität und der Narratologie gleichsam um Kernbereiche der mediävistischen Forschung handelt. Der geplante Workshop möchte bei diesem Desiderat ansetzen, indem er in interdisziplinärer Perspektive zum einen ‚Comics des Mittelalters‘ und zum anderen moderne ‚Mittelaltercomics‘ in den Blick nimmt, um so wechselseitig die Ansätze der gegenwärtigen Comic-Forschung und mediävistische Theoriebildung füreinander fruchtbar zu machen.
(1) Comics des Mittelalters
Scott McCloud definiert Comics als „zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder eine ästhetische Wirkung beim Betrachter erzielen sollen.“ (McCloud 1997, S. 17). Diese Definition des Comics als ‚sequentielle Kunst‘ ermöglicht eine historische Öffnung des Mediums, das epochenübergreifend jede Art von intentionalen Bildfolgen umfasst und somit auch auf die mittelalterliche Literatur und Kunst anwendbar ist. In intertextueller Hinsicht ist hier z. B. an mediävale ‚Literaturcomics‘ zu denken, d. h. an Bildfolgen, die sich auf einen literarischen Prätext beziehen wie etwa der Iwein-Zyklus in Burg Rodenegg. In intermedialer Hinsicht interessieren z. B. die Text-Bild-Relationen in illustrierten Handschriften. Diesen und anderen Beispielen für ‚Comics des Mittelalters‘ möchte der erste Themenbereich des Workshops nachgehen und so den Brückenschlag zwischen mittelalterlichen Artefakten und moderner Comicforschung erproben.
(2) Mittelaltercomics
Im zweiten Themenbereich des Workshops steht die Mittelalterrezeption im Comic des 20. und 21. Jh. im Fokus: In welcher Form nutzen (post-) moderne Comics intertextuelle und interpiktoriale Referenzen auf mittelalterliche Literatur- und Bildtraditionen? Inwiefern reflektieren comicspezifische Formen des verbalen und nonverbalen Erzählens die medialen Bedingungen der mittelalterlichen Literatur zwischen Oralität und Skripturalität, zwischen schriftlichem Text und mündlicher Vortragssituation? Wie und wozu akzentuieren oder verschleiern Mittelaltercomics die Alterität mittelalterlicher Kulturmuster und Wissensbestände oder aktualisieren diese? Inwiefern findet eine Reflexion der kulturellen und sprachlichen Übersetzungsleistung statt? Welche kulturspezifischen Unterschiede zeigen sich zwischen Comics mit mediävaler Thematik, sowohl hinsichtlich der Stoffwahl als auch in Bezug auf die gewählten Darstellungsverfahren?
Der Workshop ist trotz seiner vorwiegend literaturwissenschaftlichen Konzeption offen für Beiträge aus anderen Disziplinen (z. B. Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft, Literatur- und Geschichtsdidaktik, Medienwissenschaft), die weitere Perspektiven auf Comics des Mittelalters und auf Mittelaltercomics versprechen. Eine anschließende Publikation der Beiträge wird angestrebt.
Wir laden zu Vorträgen von 25 Minuten Länge in deutscher oder englischer Sprache ein und bitten um die Zusendung von Abstracts (ca. 300 Wörter) bis zum 15.12.2018 an die Veranstalter.
Veranstalter:
Marion Darilek, M. A., Tübingen (marion.darilek@uni-tuebingen.de) und Dr. Matthias Däumer, Wien (matthias.daeumer@univie.ac.at).
Der Workshop wird finanziert durch das Zukunftskonzept der Universität Tübingen (ZUK 63).