Verkündung der Preisträgerin des ersten Martin Schüwer-Publikationspreises 2019

Aus gegebenem Anlass melden wir uns eine Woche eher als geplant aus der Sommerpause zurück. Zu Jahresbeginn 2019 hat die Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) und die AG Comicforschung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) zum ersten Mal den Martin Schüwer-Publikationspreis für herausragende Comicforschung ausgelobt. Mit insgesamt 14 Einreichungen (Selbst‐ und Fremdbewerbungen) lässt sich bereits jetzt von großem Interesse an dem Preis sprechen. Aus all diesen hervorragenden Aufsätzen aus dem Bereich der interdisziplinären Comicforschung ist ein Beitrag ganz besonders hervorgestochen: der Aufsatz “The ‘Affected Scholar’. Reading Raina Telgemeier’s Ghosts as a Disability Scholar and Cystic Fibrosis-Patient” von Dorothee Schneider, der ersten Preisträgerin des Martin Schüwer-Publikationspreises für herausragende Comicforschung!

Dorothee Schneider, die vor 14 Tagen geheiratet hat und jetzt Dorothee Marx heißt, ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Englischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In ihrem Aufsatz, der im November 2018 im Kieler e-Journal für Comicforschung CLOSURE erschienen ist, untersucht Dorothee Marx, mit welchen medienspezifischen Strategien der 2016 publizierte Comic „Ghosts“ die weitestgehend unsichtbare Mukoviszidose-Erkrankung der Protagonistin visualisiert. Dabei kombiniert sie gewinnbringend eine narratologische Analyse des Comics mit der Perspektive der Disability Studies, die es ihr ermöglicht, über bestehende Forschungsansätze hinaus zu gehen, indem sie die Rolle persönlicher Krankheitserfahrungen in der kulturwissenschaftlichen Forschung thematisiert, reflektiert und verhandelt.

In ihrem beeindruckenden Aufsatz bringt Dorothee Marx, die selbst an Mukoviszidose erkrankt ist, ihre eigenen Erfahrungen als Patientin in die wissenschaftliche Analyse des Comics ein und lotet dabei aus, inwieweit eine akademisch fundierte Analyse von autoethnographischer Erfahrung profitieren kann. Damit macht die Autorin nicht nur den Ansatz der Disability Studies für die interdisziplinäre Comicforschung anschlussfähig. Mit ihrem hervorragenden Beitrag und der genauso fundierten wie detaillierten und sensiblen Lektüre des Comics bricht Dorothee Marx mit der Tabuisierung von ‚Behinderung’ in der Wissenschaft und gibt – wie sie selbst formuliert – Mukoviszidosekranken stellvertretend eine mögliche Stimme.

Wir gratulieren Dorothee Marx sehr herzlich zu diesem wunderbaren Beitrag und freuen uns, sie mit dem Martin Schüwer-Publikationspreis für herausragende Comicforschung auszeichnen zu dürfen!

Neben der Preisträgerin hat die Jury eine Shortlist von zwei weiteren Arbeiten benannt, die wir besonders lobend erwähnen wollen: Den Aufsatz „Opazität und Transparenz: Überlegungen zum poietischen Potenzial in Chris Wares Comics und Animationen“ von Nina Eckhoff-Heindl sowie den Beitrag „Visible Hand? Subjectivity and Its Stylstic Markers in Graphic Narratives” von Lukas Etter.

Nina Eckhoff-Heindl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln und MSCA-Fellow im Programm „a.r.t.e.s. EUmanities“ der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne. Ihr Beitrag ist 2018 in dem von Hans-Joachim Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger,
Véronique Sina und Jan-Noël Thon herausgegebenen Sammelband Ästhetik des Gemachten. Interdisziplinäre Beiträge zur Animations- und Comicforschung bei De Gruyter erschienen. Eckhoff-Heindls innovativer Aufsatz verknüpft brillant Fragen und Phänomene der Comic- und Animationsforschung und stellt sie in eine kunstwissenschaftlich erweiterte (‚poietische‘) Perspektive. Der Autorin gelingt es überzeugend, die Arbeiten des US-amerikanischen Comickünstlers Chris Ware medienübergreifend zu analysieren und dabei den Aspekt der Materialität in den Blick zu nehmen.

Lukas Etter ist Postdoc und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Anglistik der Universität Siegen. Sein Beitrag ist 2017 in dem von Maike Sarah Reinerth und Jan-Noël Thon herausgegebenen Band Subjectivity across Media: Interdisciplinary and Transmedial Perspectives im Routledge Verlag veröffentlicht worden. Der Aufsatz fokussiert die suggerierte Subjektivität von Comickünstler_innen und verfolgt damit nicht nur ein wichtiges Desiderat der noch jungen Comicforschung, sondern verdeutlicht damit auch die vielfältigen interdisziplinären Anschlussmöglichkeiten, die sich für die Comicforschung in der Auseinandersetzung mit Fragen von Stil und Autor_innenschaft ergeben. Mit Theorien und Methoden der (hier: amerikanistischen) Literatur- und Kulturwissenschaft identifiziert Etter an der suggerierten Subjektivität der Autor_innen zwei einander entgegen laufende Tendenzen: einerseits die explizite Unmittelbarkeit und Materialität der Linie auf dem Blatt Papier, andererseits die zielvolle Planung und Anordnung des Seitenganzen. Seine Überlegungen schließen dabei nicht nur an den Namensgeber des Preises, Martin Schüwer und seine Arbeiten, an, sondern entwickelt diese auch in beeindruckender Weise weiter.

Wir gratulieren Nina Ekchoff-Heindl und Lukas Etter ganz herzlich zu ihren beiden hervorragenden Beiträgen zur interdisziplinären Comicforschung! Die Preisverleihung wird im Rahmen der 14. Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor), am 9. November 2019 um 18:00 Uhr in Schwarzenbach an der Saale stattfinden. Im Anschluss an die Preisverleihung wird Dorothee Marx einen Preisvortrag mit dem Titel „Approaching Ghosts – Creating affected scholarship“ halten. -> Weiter zum Tagungsprogramm

Die Jury des Martin-Schüwer-Preises 2019:
Stephan Packard
Véronique Sina
Lukas R.A. Wilde

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