CFP: ’sah ich mich rufen hören‘ – Stimme intermedial, polyphon, digital

Konferenz
Robert-Musil-Institut für Literaturforschung
Kärntner Literaturarchiv
Klagenfurt
23. - 25. September 2020
Stichtag: 31.01.2020

Nach dem ‚intermedial turn‘ sowie einer Reihe von Studien zu Beginn der 2000er Jahre (maßgeblich u.a. von Irina Rajewsky, Uwe Wirth, Werner Wolf) schien es um die Intermedialitätsforschung etwas ruhiger geworden zu sein. In den letzten Jahren werden allerdings die Bezüge zwischen Medien wieder verstärkt beforscht, oft unter den Auspizien der Grenzüberschreitung und -verwischung oder mit Bezug auf den verwandten Bereich des Mulitmodalen. Wir möchten diesem Aufschwung eine wichtige Komponente hinzufügen: Ausgehend vom Forschungsprojekt Kofler intermedial (www.aau.at/musil/literaturforschung/kofler), das sich dem Werk des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler (1947–2011) und den Möglichkeiten einer im Digitalen fußenden Intermedialitätsanalyse widmet, stellt die Tagung Intermedialität unter den heutigen Gegebenheiten digitaler Praxis in den Mittelpunkt.

Koflers Werk wird in der Forschung allenthalben als polyphon bezeichnet; sein durch und durch medialisiertes Schreiben, das auch als (beobachtetes) Stimmenhören (’sah ich mich rufen hören‘), als Stimmenaufzeichnung gesehen werden könnte, legt es nahe, den Fokus unserer intermedialen Untersuchung auf Stimme und Vielstimmigkeit zu legen. Stimme wird hier als intermediales Querschnittsphänomen verstanden – sowohl bezogen auf textliche/bildliche Inszenierung als auch auf technische bzw. digitale Potentiale. Aufgebaut werden muss dabei einerseits auf die zahlreichen kultur- und medienwissenschaftlichen Arbeiten zur Stimme in den letzten beiden Dezennien sowie den Einsatz der Prosopopöie als Analyseinstrument (vgl. Menke 2000), andererseits auf die Zusammenführungen von Intermedialität und Digitalität. So lohnte es sich etwa, Jens Schröters Postulat einer ‚verschobenen intermedialen Immanenz des Mediums Computer‘ (2008, 584) auf seine Aktualität hin zu überprüfen.

Neben solchen methodologischen Beiträgen möchte die Tagung sowohl der praxeologischen Tendenz in den Digital Humanities gerecht werden und Projektpräsentationen Raum gewähren als auch den informationstechnischen Bereich der Stimmverarbeitung und -erkennung einbinden. Darüber hinaus soll der literaturwissenschaftlichen Praxis, das Konzept Polyphonie allein metaphorisch zu verstehen (etwa in der Sekundärliteratur zu Kofler), entgegengewirkt und einer stärkeren Rückbindung an die musikologischen Grundlagen Vorschub geleistet werden (vgl. Previšić 2014). Von großen Interesse ist zudem die abwesende Stimme bzw. die Stimme von Abwesenden – und damit die Denkfigur der Prosopopöie sowie Michel Chions Akusmetrie im Film. Wichtig ist es uns, die Phänomene Stimme(n), Stimmlichkeit und Vielstimmigkeit interdisziplinär weiter zu erschließen. Die Tagung möchte Philologie, Kulturwissenschaft, Digital Humanities sowie Informationstechnik zusammenbringen.

Wir konnten zwei namhafte ForscherInnen gewinnen, die Tagung mit ihren Beiträgen zu rahmen: Irina Rajewsky (FU Berlin) wird aktuelle Tendenzen und offene Problemstellen der Intermedialitätsforschung im Kontext der digitalen Transformation ansprechen; und der Literaturwissenschaftler und Musiker Boris Previšić (Universität Luzern) wird dem Tagungsthema Polyphonie wichtige Impulse geben.

Mögliche Themenbereiche

  • Verhältnis von Bild und Stimme in Film
  • Rhetoriken der Stimme
  • Stimme im Netz: »Verschiebung«, Remedialisierung, Oralität
  • Polyphonie und Kontrapunkt als Analysekategorien
  • Vielstimmigkeit und/vs. das Chorische
  • Künstliche Stimmen
  • Stimmerkennung in der Informationstechnik
  • Materialität der Stimme
  • »sah ich mich rufen hören«: intermediale Wahrnehmungs- und Rezeptionsformen
  • Aktuelle Tendenzen in der Intermedialitätsforschung
  • Polyphonie und Autorschaft
  • Abwesende Stimmen / Stimmen der Abwesenden

Bitte schicken Sie ein Abstract (max. 250 Wörter) Ihres vorgeschlagenen Beitrags bis 31.01.2020 an: wolfgang.straub@aau.at

Wir werden uns bemühen, die Begleichung von Reise- und Übernachtungskosten zu ermöglichen. Eine Veröffentlichung von Tagungsbeiträgen ist geplant. Angedacht ist eine Themennummer der »Wiener digitalen Revue«, einer Ende 2019 startenden, begutachteten »Halbjahresschrift für Germanistik und Gegenwart«.

Literatur

Menke, Bettine: Prosopopoiia. Stimme und Text bei Brentano, Hoffmann, Kleist und Kafka. München 2000

Previšić, Boris: Polyphonie und Stimmung. Musikalische Metaphern zur Aktualisierung der Literatur- und Kulturtheorie. In: Wolf Gerhard Schmidt (Hg.): Faszinosum „Klang“. Anthropologie – Medialität – kulturelle Praxis. Berlin u.a. 2014, 118–133

Schröter, Jens: Das ur-intermediale Netzwerk und die (Neu-)Erfindung des Mediums im (digitalen) Modernismus. Ein Versuch. In: Joachim Paech u. Jens Schröter (Hg.): Intermedialität analog/digital. Theorien – Methoden – Analysen. München 2008, 579–601

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