Mülheim a. d. Ruhr
June 6-7, 2020
Superhelden sind in der Krise. Gut und Böse sind unter den Vorzeichen starker gesellschaftlicher Polarisierungen und politischer Umbrüche längst nicht mehr im Konsens formulierbar. Für ein Genre, das klassischerweise auf harte moralische Grenzen angewiesen ist, weil es nicht zuletzt den stetigen Kampf der guten, strahlenden Heldenfigur mit der bösen, skrupellosen Schurkenfigur in ewiger Wiederholung zelebriert, ist dies ein einschneidendesProblem. Nicht zuletzt deshalb haben spätestens seit dem Dark Age of Comic Books düstere Antihelden*innen Konjunktur, die in jeder Hinsicht zweifeln und hadern: mit ihrer Rolle, dem Verhältnis von Zweck und Mitteln, der Ausübung von Gewalt und Selbstjustiz und eben mit der ewigen Frage nach richtig und falsch.
Religion und Kirche könnten hier Orientierung geben, stecken aber – analog zu den Figuren –ihrerseits in einer schweren Sinnkrise. Befeuert durch immer neue Skandale verliert die institutionalisierte Kirche an Bedeutung und Rückhalt in unserer säkularen Gesellschaft. Gerade deshalb ist der Befund erstaunlich, dass Glaubensthemen und kirchliche Orte trotz allem immer neue Hochkonjunktur in der superheroischen Popkultur feiern. Übersinnliches, gottgleiche Wesen und metaphorische Kämpfe zwischen Engeln und Dämonen spielen in der Superheldenkultur ebenso eine Rolle wie die ganz konkrete Präsenz von Kirche und religiösen Themen, wenn etwa Daredevil zur Beichte geht, Dr. Manhattan über Wasser läuft, Nightcrawler im Gebet das Kreuz küsst, Supermans kryptonischer Name „Kal-El“ aus dem Hebräischen mit „Stimme Gottes“ übersetzt werden kann (geschrieben, gezeichnet und verlegt von jüdischen Akteuren*innen) oder Ms. Marvel als erste muslimische Superheldin im Marvel-Kosmos etabliert wird.
Das geplante Kolloquium soll diesen engen Verflechtungen von Religion, Glaube, Göttlichkeit und Moral in Superhelden-Erzählungen nachspüren. Welche Rolle spielen sie für die Erzählungen? Wo finden sich religiöse Bezüge und warum werden sie thematisiert? Welche Bedeutung wird diesen Themen in den Comics zugesprochen und wie werden sie formal/ästhetisch/graphisch um- und in Szene gesetzt?
Mögliche Themenfelder könnten beispielsweise sein:
- Religiöse Symbolik und ihre Bedeutung. (Batmans Beiname als Kreuzfahrer)
- Glaube als charakterisierendes Merkmal der Figuren. (Daredevil, Nightcrawler, Father Jordan)
- eligiöse Figuren und ihr Transfer.(Thor, Loki, Ares)
- Religiöse Texte, Schriften und Kultur als Inspirationsquelle.
- Göttlichkeit/Gottähnlichkeit und Glaubens- bzw. Erlösungshoffnung. (Superman und andere Retter- und Erlöserfiguren)
- Religiöse Orte, Stätten und Institutionen und ihre Repräsentation im Comic. (St. Patrick’s Cathedral, Asgard)
- Engel, Dämonen, Hexen, Teufel und ihre Repräsentation. (Joker als Teufelsfigur, Hellboy, Scarlet Witch)
- (jüdische) Migrationserfahrung und ihre Verarbeitung. (Shuster/Siegel)
- Intersektionalität.(Daredevils Othering als Katholik im protestantischen Amerika)
Weitere Themenfelder sind möglich und insbesondere interdisziplinäre Ansätzeund Perspektiven erwünscht. Mögliche Untersuchungsgegenstände können Comic, Film, Serie, Hörspiel und anderen Medienformate sein.
Wir laden alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, insbesondere Studierende, Doktoranden*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen, ein, Vorschläge für (Einzel)Vorträge oder auch experimentelle Formate wie Workshops, Diskussionen, Lesegruppen, u.ä. einzureichen. Die Beiträge werden vom 6. bis zum 7. Juni auf einem gemeinsamen Kolloquium auf der Wolfsburg (Mülheim a. d. Ruhr) vorgestellt.
Das Kolloquium strebt mit Nachdruck einen niedrigschwelligen Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft an, sodass sowohl Studierende der Universität Duisburg-Essen und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf an der Veranstaltung mit kleinen Beiträgen partizipieren werden als auch Schülerinnen und Schüler des Begabtenförderungsprogramms der Wolfsburg und angehende Studierende. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir insbesondere Beiträge, die vielfältige, experimentelle und auch interaktive Herangehensweisen an die Thematik verfolgen. Es soll insbesondere der Reiz, die Bedeutung und die Wichtigkeit unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und Studiengänge, v.a. aber der Comicforschung, für eine möglichst breite Zielgruppe deutlich gemacht werden.
Um die Anschlussfähigkeit insbesondere für Schülerinnen und Schüler vor diesem besonderen Hintergrund hoch und die Hemmschwelle zur Teilnahme im Sinne des Formates niedrig zu halten, bitten wir ausnahmsweise ausschließlich um Formate in deutscher Sprache.
Vorschläge (max. 250 Wörter) können bis zum 31.03.2020 an das Organisationsteam gesendet werden (bitte jeweils vollständig in CC):
- Dr. Torsten Caeners (torsten.caeners@uni-due.de)
- Nicolas Gaspers M.A. (nicolas.gaspers@uni-duesseldorf.de)
- Dr. Matthias Keidel (Matthias.Keidel@bistum-essen.de)
Eine Veröffentlichung der eingereichten Beiträge als Sammelband wird angestrebt.