CFP: Kohärenz im Comic: Eine interdisziplinäre Annäherung an das Verbindende

Online-Conference

Dt.: Kohärenz im Comic: Eine interdisziplinäre Annäherung an das Verbindende
16. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Comicforschung (ComFor)

Engl.: Coherence in Comics: An Interdisciplinary Approach
16th Annual Conference of the German Society for Comics Studies

14.-16. Oktober 2021
Stichtag: 30.06.2021

16. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Comicforschung (ComFor)

Zeit: 14.-16. Oktober 2021
Ort: Online
Einreichfrist: 30. Juni 2021
Organisation: Elisabeth Krieber, Markus Oppolzer & Hartmut Stöckl (Universität Salzburg)

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Durch die Fragmentierung des Comics in Einzelbilder und die multimodale Überlagerung von Zeichensystemen stehen Comicforscher*innen aller Disziplinen vor der Herausforderung, dem Zerfall in das Bruchstückhafte eine Theorie der Kontinuität und Konnektivität, oft im Sinne einer holistischen Betrachtungsweise entgegenzusetzen. Die Gestaltpsychologie lieferte dafür nicht nur das Fundament für Scott McClouds Prinzip der konzeptuellen Integration (closure), sondern auch für Wolfgang Isers Rezeptionsästhetik und die darauf basierenden Comictheorien von Thierry Groensteen, Charles Hatfield oder Barbara Postema. Hatfield organisiert seine Betrachtungen zum Comic in Bezug auf vier markante Spannungsfelder (tensions): jenes zwischen Wort und Bild, Bild und Sequenz, Sequenz und Seite sowie zwischen fortlaufender Erzählung und dem Comic als (materiellem) Gesamtkunstwerk. Neben diesen rezeptionsästhetischen und kognitiven Ansätzen bieten sich aber auch diskursanalytische (cf. Bateman & Wildfeuer; Emmott), stilistische, multimodale oder (trans)narratologische Ansätze an, um die Kontinuität des Dargebotenen an textlichen Merkmalen festzumachen bzw. diese als ‚Baupläne‘ für die kognitive Leistung der Leser*innen im Sinne der Rezeptionsästhetik zu verstehen. Als Gegenentwurf zu vielen bildorientierten Theorien soll auf Hannah Miodrags Hervorhebung sprachlich-literarischer Qualitäten nicht vergessen werden.

Ziel dieser Tagung ist es das Verbindende nicht nur über die Zeichensystem- und Panelgrenzen, sondern auch über die Disziplinen hinweg zu finden. Die Bandbreite von Kontinuitätsphänomenen erstreckt sich dabei von Intertextualität und Serialität auf der Makroebene bis hin zu McClouds Panelübergängen und Zeichenverknüpfungen im Einzelbild. Der Fokus dieser Konferenz sollte aber schwerpunktmäßig dazwischen liegen: auf den intratextuellen Bezügen jenseits der kleinteiligen Panelfolge. Dafür laden wir zu einer Auseinandersetzung mit den folgenden Fragestellungen ein:

    • Welche diskursanalytischen Theorien zu Kohärenz und Kohäsion lassen sich auf den Comic übertragen? Wo sind hier die Grenzen zu ziehen und welche Phänomene sind im Comic anders zu verstehen?
    • Bieten sich aus der theoretischen Auseinandersetzung mit anderen Erzählmedien (Prosa, Film, Bilderbuch) Ansätze an, die man teilweise übernehmen könnte (z.B. continuity editing)? Warum funktionieren simple Übertragungen nicht?
    • Wie sinnvoll ist es von einer Comic-Grammatik oder Sprache zu reden?
    • Können Konzeptmetaphern und image schemas kohärenzstiftend wirken?
    • Welche (visuellen/verbalen) Elemente im Comic können der Kontinuität dienen?
    • Wie werden diese instrumentalisiert, um die Aufmerksamkeit von Leser*innen zu lenken?
    • Wie funktioniert world building praktisch bzw. theoretisch?
    • Wie gestaltet sich das Wechselspiel zwischen Redundanz und Leerstelle? Was soll/kann/muss wiederholt werden?
    • Wie können Leerstellen produktiv inszeniert werden? Welche Arten von Erzählungen laden dazu ein?
    • Welches (darstellerische, subversive) Potenzial bietet die auf Wiederholung und Differenz basierende ‚performative Grundstruktur‘ des Comics? (cf. Sina; Frahm)
    • Wie stark wirken sich stilistische Entscheidungen auf den Zusammenhang von Comicnarrativen aus?
    • Unter welchen Umständen dient (In)kohärenz als künstlerische Strategie? Wie inszenieren bzw. unterwandern Künstler*innen hegemoniale Normen und Zuschreibungen (u.a. Geschlechterrollen, Körperbilder, rassistische und (post)koloniale Machtstrukturen)?
    • Wie ausgeprägt ist der oben angedeutete Einfluss von Gestaltpsychologie und Rezeptionsästhetik auf die Comicforschung?
    • Wie stark wird der Rezeptionsprozess von Paratexten und besonders Peritexten (‚Rahmungen‘) gesteuert?

 

Wir freuen uns auf Vorträge von Janina Wildfeuer, Assistenzprofessorin am Institut für Kommunikations- und Informationswissenschaften an der Universität Groningen, Barbara Postema, Autorin von Narrative Structure in Comics: Making Sense of Fragments, und Charles Forceville, Assoziierter Professor an der Universität Amsterdam (Institut für Medienwissenschaften).

Die gesamte Konferenz findet online statt, weil einerseits das Ende der COVID-Pandemie noch nicht genau absehbar ist und andererseits die Teilnahme für Kolleg*innen ohne institutionelle Anbindung, mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen oder mit eingeschränkter Mobilität erleichtert wird.

Die ComFor verfolgt über die je spezifischen Tagungsthemen hinaus das Ziel, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und den Austausch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Comics zu stärken. Zusätzlich zum Tagungsthema bietet die Jahrestagung daher ein thematisch offenes Forum, auf dem angedachte und laufende Forschungsprojekte aller Art vorgestellt und gemeinsam konstruktiv diskutiert werden können. Das Format richtet sich an an alle Comic-Interessierte, z.B. im Kontext von künstlerischen Zugängen, Fankulturen, Qualifizierungsarbeiten oder Projekten.

Bitte senden Sie Vorschläge (max. 500 Wörter) für zwanzigminütige Beiträge auf Englisch oder Deutsch und eine Mini-Biographie bis 30. Juni 2021 an folgende E-Mail-Adresse: comfor2021@sbg.ac.at. Markieren Sie bitte, ob es sich um einen Vorschlag für einen Vortrag zum Tagungsthema oder einen Diskussionsbeitrag zum Forum handelt. Die Konferenzteilnahme ist nicht an eine Mitgliedschaft gebunden und wir laden explizit zu Beiträgen von interessierten Nicht-Mitgliedern ein. Am Ende soll ein Band mit ausgewählten Beiträgen bei Christian Bachmann erscheinen.

 

Bibliographie:

  • Bateman, John A., und Janina Wildfeuer. 2014a. „A multimodal discourse theory of visual narrative“. Journal of Pragmatics 74. 180-208.
  • Bateman, John A., und Janina Wildfeuer. 2014b. „Defining units of analysis for the systematic analysis of comics: A discourse-based approach“. Studies in Comics 5:2. 373-403.
  • Emmott, Catherine. 2004. Narrative Comprehension: A Discourse Perspective. Oxford: OUP.
  • Forceville, Charles. 2020. Visual and Multimodal Communication: Applying the Relevance Principle. Oxford: OUP.
  • Forceville, Charles. 2016. „Conceptual Metaphor Theory, Blending Theory and Other Cognitivist Perspectives on Comics“. Neil Cohn, ed. The Visual Narrative Reader. London: Bloomsbury. 89-114.
  • Frahm, Ole. 2010. Die Sprache des Comics. Hamburg: Philo Fine Arts.
  • Groensteen, Thierry. 2013. Comics and Narration. Trans. Ann Miller. Jackson, MI: University Press of Mississippi.
  • Groensteen, Thierry. 2007. The System of Comics. Trans. Bart Beaty and Nick Nguyen. Jackson, MI: University Press of Mississippi.
  • Hatfield, Charles. 2005. Alternative Comics: An Emerging Literature. Jackson, MI: University Press of Mississippi.
  • Iser, Wolfgang. 1976. Der Akt des Lesens: Theorie ästhetischer Wirkung. München: Fink.
  • McCloud, Scott. 1994. Understanding Comics. New York: HarperPerennial.
  • Miodrag, Hannah. 2013. Comics and Language: Reimagining Critical Discourse on the Form. Jackson, MI: University Press of Mississippi.
  • Postema, Barbara. 2013. Narrative Structure in Comics: Making Sense of Fragments. Rochester, NY: RIT Press.
  • Sina, Véronique. 2016. Comic-Film-Gender: Zur (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm. Bielefeld: transcript.
  • Wildfeuer, Janina. 2017. Film Discourse Interpretation: Towards a New Paradigm for Multimodal Film Analysis. London/New York: Routledge.