CFP: Intermediale Ästhetik in Krisenzeiten – Kunstformen um 1900 und um 2000

Panel
IVG-Kongress
XV. Kongress der Internationalen Vereinigung für Germanistik "Sprache und Literatur in Krisenzeiten"
Graz
Moira Paleari (Mailand, Italien); Maike Schmidt (Kiel, Deutschland); Wolfgang Brylla (Zielona Góra, Polen)
20.-27. Juli, 2025
Stichtag: 15.11.2022

Der Begriff der Krise als Bezeichnung des Übergangs einer existierenden stabilen Ordnung in einen Zustand instabiler historischer, kultureller und sozialer Verhältnisse ist mit dem Wandel des literarischen Systems und der Praxis anderer Medien eng verzahnt. Krisen als Störungsfaktoren einer Ordnung werden textuell und/oder (inter)medial verarbeitet, wobei sie sowohl als Schauplätze der Bedrohung als auch als Chance des Bruchs mit dem Vergangenen dargestellt werden, der Erneuerungspotential in sich birgt.

Altes und Neues, Negatives und Positives, Konservatives und Innovatorisches gehören zu den markantesten Elementen der Krisen sowie der intermedialen Ästhetik, die sich jeweils unter den spezifischen historischen wie ästhetischen Bedingungen um 1900 und um 2000 rasant entwickelt – zwei entgegengesetzte wie komplementäre Epochenumbruchszeiten, in denen sich KünstlerInnen mit den jeweiligen historischen und sozialen Wandlungen ästhetisch auseinandersetzen. So reagieren AutorInnen der Jahrhundertwende auf die Sprach- und Subjektkrise, indem sie ihre Ohnmacht vor den Begriffen durch Sprengung der Formen, Dekomposition des Erzählens, Rekurs auf intertextuelle und intermediale Bezüge kompensieren; AutorInnen der Jahrtausendwende setzen sich mit ihrer Zeit auseinander, indem sie multimedial arbeiten und in ihren Werken die Rückkehr des Subjekts hervorheben. Das Aufkommen neuer Medien – insbesondere Film und Rundfunk um 1900, Digitalisierung und technische Prozesse der Vernetzung um 2000 – und die Grenzüberschreitung und Hybridisierung der Gattungen und Künste in diesen Krisen- bzw. Wandlungszeiten (deutsches Kaiserreich, Erster Weltkrieg und Kolonialbestrebungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts; 11. September 2001, Wirtschaftskrisen und Migrationsbewegungen zu Beginn des neuen Jahrtausends) haben sowohl um 1900 als auch um 2000 Hochkonjunktur und verbinden damit beide Zeitabschnitte aufs Engste.

Das Zusammenkommen verschiedener Medien (z.B. im Gesamtkunstwerk, in Collage und Montage), die Überführung der Kunst in Lebenspraxis und umgekehrt (R.M. Rilke, W. Kandinsky, E. Lasker-Schüler), die Kombination der Künste durch doppelbegabte KünstlerInnen (O. Kokoschka, A. Kubin), die Öffnung der Literatur gegenüber anderen Medien wie Kino und Rundfunk (W. Benjamin, A. Döblin) bilden nur einige der Phänomene intermedialer Praxis um 1900. Ebenfalls besitzen die Interrelation und Vermischung zwischen Künsten und neuen Medien beispielsweise in Fototexten (W.G. Sebald), Architekturroman (F. von Borries), Blogs und Hypertexten (W. Herrndorf, A.N. Herbst, C. Setz), Videogames (J.S. Guse), Social Network (J. Zeh) sowie Film (Ch. Kracht) und Hörspiel (K. Röggla) eine Zentralstellung um 2000.

Obwohl konkrete Analysen zu intermedialen Kunstformen sowohl in theoretischer Hinsicht als auch über Fallbeispiele von SchriftstellerInnen und KünstlerInnen vorhanden sind, ist bisher eine Kombination von Intermedialität und Krise(n) grundsätzlich ausgeblieben. Unsere Sektion will sich diesem Forschungsdesiderat transdisziplinär widmen, wobei sie sich zum Hauptziel setzt, den Begriff der Krise und seine Funktionen im Zusammenhang mit der Intermedialität neu zu überdenken.

Als mögliche Forschungsperspektiven und -schwerpunkte sind unter anderem folgende anzuführen, die sich sowohl auf die Zeit um 1900 als auch um 2000 beziehen lassen:

  • Krise in intermedialer Perspektive: Bedeutungen und Praktiken in Literatur und anderen Medien (bildenden Künsten, Theater, Film, Rundfunk, Comickunst etc.).
  • Intermediale Krisenmodelle: gibt es vorherrschende Typen von Krise und Topoi der Krisendarstellung(en)?
  • Theoretische Reflexionen zur Intermedialität als Produkt der Krise und/oder Chance ihrer Überwindung.
  • Krisennarrative und ästhetische Paradigmen von Literatur und anderen Künsten in Krisen(zeiten) – Wandel oder Bruch?
  • Implikationen von Krisenzeiten auf literarische und inter(mediale) Debatten.
  • Fallbeispiele innovatorischen Potentials von Krisen und deren ästhetische Paradigmen.

Bitte senden Sie Ihren Vortragstitel und Ihr Abstract (ca. 500 Wörter) zusammen mit einer Kurzbiographie bis zum 15. November 2022 an:

moira.paleari@unimi.it, mschmidt@ndl-medien.uni-kiel.de, w.brylla@ifg.uz.zgora.pl

Wir werden Ihnen bis Ende November Bescheid geben, ob Ihr Vorschlag angenommen wurde.