Kürzlich ist Ausgabe #10.5 des Kieler eJournals CLOSURE unter der Gastherausgeber*innenschaft von Irmela Marei Krüger-Fürhoff und Nina Schmidt erschienen: »KörperZeitenBilder: Verkörperte Darstellungen ›anderen‹ Zeiterlebens im Comic«. Die Ausgabe stellt gleichzeitig die Dokumentation eines internationalen Workshops dar, den die »PathoGraphics«-Forschungsgruppe der Freien Universität Berlin in Kooperation mit der »AG Comicforschung« veranstaltete. Aus der zweisprachigen Online-Veranstaltung im ersten Corona-Sommer ist nun ein deutsch- und englischsprachiges Themenheft geworden. Sie enthält Beiträge der ComFor-Mitglieder Marina Rauchenbacher und Natalie Veith:
Über die Ausgabe:
„Comics und Literatur sind auf je spezifische Weise ›Zeitkünste‹, die Handlungen entfalten, Erzählzeit und erzählte Zeit kontrastieren und zeitliche Abläufe narrativ – im Comic zusätzlich visuell-räumlich – darstellen können. Dabei sind sie keiner einfachen Chronologie unterworfen, sondern können Analepsen und Prolepsen einsetzen und Fragmentierungen, Überlagerungen und Gleichzeitigkeiten evozieren. Vor allem bei der Darstellung ›ungewöhnlicher‹, als ›anders‹ wahrgenommener Erfahrungen wie derjenigen von Krankheit oder Behinderung spielen Zeitwahrnehmungen, die von einer ›normalen‹ chronometrischen (oder chrononormativen) Zeit abweichen, eine zentrale Rolle: Angesichts tiefgreifender körperlicher oder psychischer Veränderungen sowie existentieller Bedrohungen kann Zeit sich subjektiv dehnen oder zusammenziehen, Vergangenes gewaltsam in die Gegenwart einbrechen oder die Endlichkeit des Lebens in den Blick geraten. Eine subjektiv erlebte Krankheits-Zeit, die mit Schmerzen oder Warten verbunden ist, erfordert ebenso spezifische Darstellungsweisen wie das Zeitempfinden, das mit chronischem Leiden, degenerativen Erkrankungen und Traumatisierungen einhergeht oder als crip time (Kafer 2013, 25–27) bezeichnet werden kann, also als veränderte – aus der Perspektive der clock time einer ableistischen Gesellschaft verlängerte – Zeit für die Bewältigung von Alltagsaktivitäten unter erschwerten Bedingungen.
Die Beiträge im Themenheft »KörperZeitenBilder: Verkörperte Darstellungen ›anderen‹ Zeiterlebens im Comic« untersuchen Comics unterschiedlicher Genres (Autobiographie, Reportage, (historische) Fiktion); drei der sieben Aufsätze berücksichtigen zudem vergleichend literarische Texte verschiedener Gattungen (Lyrik, Drama, Prosa). Obgleich das Spektrum der behandelten Phänomene groß ist und so unterschiedliche Erfahrungen wie das Leben mit psychischen Krankheiten, die Sterbebegleitung vertrauter Menschen und das Erleiden medizinischer Menschenversuche oder Folter umspannt, fragen alle Beiträge nach den ästhetischen und gesellschaftspolitischen Bedeutungen individueller ›KörperZeiten‹, die als ›ZeitenBilder‹ in Form graphischer und literarischer Narrationen eine breite Öffentlichkeit adressieren.“
→ Zur Website von CLOSURE.
- Nancy Pedri: „Manipulating Time across the Body: Subjectivity in Graphic Illness Narratives“
- Nina Schmidt: „»So I took some photos.«: Time, Photography and the Materialization of Memory in Graphic Narratives of Bereavement“
- Sucharita Sarkar: „Repairing Time out of Joint: Narratives of Caring for Mothers with Cancer“
- Anne Rüggemeier: „Krankheit, Tod und Sterblichkeit: Die ›arthrologische‹ Gestaltung von Nacht-Zeiten in Drama, Lyrik und Comic am Beispiel von Sarah Kane, Philip Larkin und David Small“
- Marina Rauchenbacher: „Zeit-Körper: Zeitkonzepte in Ulli Lusts und Marcel Beyers Flughunde„
- Sebastian Köthe: „Zeitlichkeiten von Folter und Zeugenschaft in Sarah Mirks dokumentarischer Comic-Anthologie Guantánamo Voices„
- Natalie Veith: „Diseased Bodies and Notions of Time in Ian Edginton and Davide Fabri’s Comic Book Series Victorian Undead„