14. bis 16. Mai 2025, Universität Klagenfurt
Prozesse des Austausches, des Verschiebens und des Transfers finden in den Künsten ständig statt – sei es durch die kinematografische Adaption eines Romans, die Vertonung von Gedichten oder die literarische Ekphrasis eines Gemäldes. Während unserer Graduiertenkonferenz Shifting the Lens. Perspectives on Literature, Media and Culture von 14. bis 16. Mai 2025 an der Universität Klagenfurt laden wir Doktorand:innen ein, intermediale Verfahren genauer unter die Lupe zu nehmen und über herkömmliche Übersetzungsprozesse hinaus zu denken. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie lassen sich intermediale sowie transkulturelle Verfahren beschreiben? Welche Veränderungen, Ergänzungen und Kürzungen entstehen im Transfer? Welcher Methodik können wir uns in der Beantwortung transmedialer Forschungsfragen bedienen? Gibt es angesichts des kreativen Potentials künstlicher Intelligenzen eine Aktualisierung der ‚Querelle des Anciens et des Modernes‘?
Die folgenden vier Themenfelder dienen als mögliche Ansatzpunkte, die Beiträge müssen sich aber nicht darauf beschränken:
(1) Übersetzungsprozesse: Ästhetik, Motive und Stoffe
Übersetzungsprozesse sind intermediale Prozesse, die eine Botschaft von einem Medium in ein anderes transportieren, wie etwa die Theorien von Roman Jakobson, Michael M. Bachtin oder Walter Benjamin untersuchen. Die Übertragung von Texten in andere Sprachen, von Stoffen und Motiven in andere Gattungen oder von ästhetischen Verfahren in andere Techniken und Stile sind mögliche Ansätze zur Analyse von Übersetzungsprozessen. Fragen nach der Bindung und „Treue“ bzw. Freiheit und „Untreue“ sowie Adaption und Appropriation sind ebenso relevant wie Fragen nach dem gegenseitigen Einfluss intermedialer Prozesse auf die einzelnen Medien. Wenn Doris Bachmann-Medick vom Translational Turn spricht, denkt sie Übersetzung über Sprach- und Textgrenzen hinaus und fragt nach Übersetzung als Analysekategorie einer transkulturellen Kommunikation.
(2) Transkulturalität / Kulturtransfer
Übersetzungen finden nicht nur zwischen Medien, sondern auch zwischen Kulturen statt. Diesen Prozessen liegen verdeckte Machtverhältnisse zugrunde. Auseinandersetzungen mit dem Kanon und der Kanonkritik analysieren hegemoniale Strukturen zwischen Sprachen und Kulturen und fokussieren Gegenerzählungen aus marginalisierten, dezentralisierten Perspektiven. Mit transkultureller Intermedialität und Kulturtransfer setzt sich u. a. die Postkoloniale Theorie auseinander; die sog. Contact Zone (James Clifford, Mary Louis Pratt, u. a.) wurde als theoretischer Raum des Austausches und der Verhandlung zwischen Medien, Kulturen und Diskursen definiert und auf Lektüren von unterschiedlichen Medien angewendet.
(3) Zwischen Text, Bild und Sound
Das Verhältnis zwischen Text und Bild ist seit jeher Thema der Literatur- und Bildwissenschaften. Sowohl Horaz („ut pictura poesis“) als auch Lessing (Laokoon-Debatte) haben über die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Disziplinen diskutiert, die bis in die Gegenwart aktualisiert wurden. Transferprozesse zwischen Visuellem und Textuellem stellen zur Diskussion, wie sich Motive, Symbole oder Konzeptionen in unterschiedlichen Medien und Techniken verhalten. Dazu zählen etwa Anselm Kiefers Bezug in Dein goldenes Haar, Margarete (1980) auf Paul Celans Todesfuge (1944/45), die visuellen Gedichte von E.E. Cummings oder die politisch motivierte Konzeptkunst von Peter Weibel, aber auch Graphic Novels, Serien und Filme. Hier können speziell auch zwei Standardwerke der nordischen Mythologie, Snorri Sturluson’s Snorra-Edda sowie auch die ältere Lieder-Edda, als Grundlage für Einflüsse und Adaptionen in moderner Popkultur wie etwa in J.R.R. Tolkien’s Der Herr der Ringe, Netflix‘ Serie Ragnarök (2020-2023) sowie auch in Marvel Comics und Filmen (z. B. Thor) als Beispiele genannt werden.
Auch in der Musikgeschichte finden wir eine Reihe von Beispielen des intermedialen Austausches: Sei es die umfangreiche Stoffgeschichte des Pygmalion-Mythos, der vielfach adaptiert wurde (z. B. Jean-Philippe Rameaus Oper Pigmalion, 1748 oder in Frederick Loewes und Alan J. Lerners Musical My Fair Lady, 1956), oder die komplexe Interaktion von Sound, Text und Visuellem in der gegenwärtigen Konzeptkunst. In diesem Zusammenhang sollten ebenso multimediale und ephemere Phänomene wie Theatervorstellungen und Performances genannt werden. Insbesondere Produktionen, welche auf bestehenden Dramen und anderen Texten basieren und diese für die Bühne adaptieren, sind vom Standpunkt der Adaptation Studies bemerkenswert. So kann jede Inszenierung eines bekannten Texts als Adaptation für sich genommen werden.
(4) Zukünftige Erzählerische Ausdrucksformen (menschliche und künstliche Intelligenz)
Zukünftige erzählerische Ausdrucksformen bieten neue Themenfelder, die untersucht werden können. Kulturelle Texte begrenzen sich nicht auf geschriebene Werke wie Gedichte, Romane, Kurzgeschichten und andere gängige literarische Formen, sondern nehmen zunehmend auch den medialen Raum ein und finden bereits Repräsentation in Videospielen, aber auch immer mehr in Künstlichen Intelligenzen (KI) sowie Virtuellen Realitäten (VR). Außerdem werden zunehmend literarische Werke in diese neueren Formen übersetzt. Ebenso begrüßen wir Beiträge, die transmediales Storytelling untersuchen, welches mehrere Medien und Plattformen simultan bespielt und somit über das Adaptieren eines ‚originalen‘ kulturellen Texts in ein anderes Medium oder einen anderen kulturellen Kontext hinausgeht.
Wir laden Promovierende aus den Literaturwissenschaften, Kulturwissenschaften, Kunstwissenschaften, Musikwissenschaften, Game Studies, Translationswissenschaften, Medienwissenschaften, Komparatistik u. a. ein, uns ihre Abstracts auf Deutsch oder Englisch im Umfang von max. 400 Wörtern mit kurzer Biografie an coint2025@aau.at zu senden. Die Vorträge sollten dabei eine Länge von 20 Minuten nicht überschreiten. Einsendeschluss ist der 15. Februar 2025.
Die Graduiertenkonferenz wird zweisprachig, auf Deutsch und Englisch, stattfinden. Eine Veröffentlichung im Anschluss an die Konferenz ist geplant.
Wissenschaftliche Leitung: Ferro Agnese (Romanistik), Ippendorf Elena (Anglistik), Mühlböck Magdalena (Germanistik) und Urach Tamara (Anglistik) mit der Sprecherin des Doktoratsprogramms COINT, Assoc.-Prof. Dr. Angela Fabris (Angela.Fabris@aau.at)
Alber, Jan and Per Krogh Hansen. Beyond Classical Narration: Transmedial and Unnatural Challenges. Berlin/Boston: De Gruyter, 2014.
Bachmann-Medick, Doris. „Iconic Turn.“ Bachmann-Medick, Doris. Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbeck: Rohwolt, 2006. 329-380.
Bachmann-Medick, Doris. „Übersetzung in der Weltgesellschaft. Impulse eines ‚translational turn‘.“ Gipper, Andreas and Susanne Klengel. Kultur, Übersetzung, Lebenswelten: Beiträge zu aktuellen Paradigmen der Kulturwissenschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2008. 141-160.
Bassnett, Susan. „The Translation Turn in Cultural Studies.“ Bassnett, Susan and André Lefevre. Constructing Cultures: Essay on Literary Translation. Bristol/Blue Ridge Summit: Multilingual Matters, 1998. 123-140.
Bassnett, Susan. Translation Studies. London/New York: Routledge, 2014.
Clifford, James. Routes: Travel and Translation in the Late Twentieth Century. Cambridge, MA/London: Harvard University Press, 1997.
Damrosch, David, Natalie Melas and Mbongiseni Buthelezi. The Princeton Sourcebook in Comparative Literature: From the European Enlightenment to the Global Present. Princeton, NJ/Woodstock: Princeton University Press, 2009.
Fischer-Lichte, Erika. „Begründung für eine Ästhetik des Performativen.“ Fischer-Lichte, Erika. Ästhetik des Performativen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2004. 9-30.
Hutcheon, Linda. A Theory of Adaptation. London: Routledge, 2012.
Maiwald, Klaus. Intermedialität: Formen – Diskurse – Didaktik. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2019.
Mitchell, William John Thomas. „Eine kurze Geschichte der sprachlichen Bildlichkeit.“ Mitchell, William John Thomas. Bildtheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008. 36-77.
Pratt, Mary Louise. Imperial Eyes: Travel Writing and Transculturation. London: Routledge, 2008.
Rajewsky, Irina. Intermedialität. Tübingen/Basel: A. Francke, 2002.
Rippl, Gabriele. Handbook of Intermediality: Literature – Image – Sound – Music. Berlin/Munich/Boston: De Gruyter, 2015.
Wagner, Birgit, Christina Lutter and Helmut Lethen. Übersetzungen. Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2. Bielefeld: Transcript, 2012.