Neues aus der ComFor

ComFor-Leseempfehlungen 2015

Die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung wünscht ihren Leser_Innen  und Freund_Innen nachträglich noch einmal einen guten Jahresstart. Auch zu diesem Jahreswechsel findet man sie überall, die Jahresbestenlisten. Die ComFor möchte sich erneut beteiligen und hat ihre Mitglieder_Innen um ganz und gar subjektive Leseempfehlungen gebeten, die aus den vergangenen zwölf Monaten im Gedächtnis geblieben sind – aus welchen Gründen auch immer. Hier also einige Notizen zum Comicjahr 2015:

Ole Frahm

Literaturwissenschaftler, Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) Hamburg

Kus 23
Kus #23: Redrawing Stories from the Past
Zu diesem Band, das sei vorweg gewarnt, habe ich das Nachwort geschrieben. Weil die lettische, kleinformatige (A6), aber international vertriebene Comic-Zeitschrift aber wenig bekannt ist, erlaube ich mir dennoch hier den Hinweis. Der Band erscheint mir aus mindestens fünf Gründen lesenswert: 1. Weil er andere Perspektiven auf den Holocaust eröffnet – und auf das Verhältnis von Comic und Holocaust. 2. Weil die fünf Kurzgeschichten indirekt die seltsam selbstverständlich gewordene Notwendigkeit in Frage stellen, vom Holocaust als Graphic Novel zu erzählen. 3. Weil die fünf ZeichnerInnen sehr unterschiedliche ästhetische und narrative Entscheidungen getroffen haben. 4. Weil sie aus vier verschiedenen Ländern kommen: Paula Bulling and Max Baitinger aus Deutschland, Zosia Dzierżawska aus Polen, Vuc Palibrk aus Serbien und Mārtiņš Zutis aus Lettland und auch die den Diskurs interessant öffnet. 5. Paula Bulling an die vergessene Solidarität zwischen arabischen und jüdischen Franzosen erinnert. http://www.komikss.lv/

Golem's VoiceDavid G. Klein: The Golem’s Voice:
Diese Graphic Novel über den Holocaust wäre nicht der Rede wert, wenn sie nicht noch einmal auf den Punkt bringen würde, was seit siebzig Jahren viele Comics umtreibt, die geheime Verbindung zwischen dem Golem und den Comics, dem anorganischen Lehmwesen, das zugleich lebt und nicht lebt, nicht tot ist, aber auch nicht lebendig, und dem anorganischen, bedruckten Papier. Klein lässt wenig Klischees aus, die Geschichte lässt sich ohne weiteres als kitschig bezeichnen, aber wer, die oder der Comics gerne liest, würde das als Argument gegen einen Band verstehen wollen?

LindberghAhndongshik: Lindbergh (8 Bände):
Lindbergh von Ahndonghik enthält alles, was das postmoderne Leser-Herz begehrt: eine Vielzahl von Charakteren, die weder gut noch böse sind; Figuren, die zugleich original wirken und zahllose Klischees zitieren; keine zentrale Erzählperspektive; die Gleichzeitigkeit verschiedener historischer Moden; eine Handlung aus noch mehr Versatzstücken: Ben Hur in den Lüften, Ritterromantik, Piratenabenteuer und moderne Kriegsführung, ein par force-Flug durch die Menschheitsgeschichte – kurzum ein völlig selbstreferentieller Kosmos, der gleichwohl einen entscheidenden bürgerlichen Mythos aufs Korn nimmt: die Beherrschung der Natur, ihre Maschinisierung. Und dies in interessanten Bildern und Verdichtungen, die daran erinnern, dass der Zeichenstift ganz andere Phantasien freizusetzen vermag als selbst das digitalisierte Filmbild.

Dietrich Grünewald

Kunsthistoriker, Emeritus Universität Koblenz-Landau, ehem. Vorsitzender der ComFor

Humboldts letzte ReiseFroissard & Le Roux: Humboldts letzte Reise, eine fantastische Geschichte in packenden und zugleich poetischen Bildern über die (fiktive) letzte Reise des großen Wissenschaftlers.

Ètienne Davadeau: Der schielende Hund – für alle, die Spaß an Kunst und Museen haben – eine amüsante Geschichte um und im Louvre.

Flurin von Salis: Der Mon Ventoux. Kein Comic im eigentlichen Sinne, eine Wort-Bild-Geschichte über den Berg in der Provence, der immer wieder die Fahrradfahrer anlockt – gerade in der etwas spröden Art der Zeichnung ein sehr poetisches Werk…

Und auf noch eine Bildgeschichte möchte ich verweisen, auch wenn sie bereits 2014 erschienen ist, aber wohl zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat:
Der FlussAlessandro Sanna: Der Fluss.
Eine textfreie Geschichte: Jede Jahreszeit wird mit einem seitenfüllenden Bild eingeleitet, um dann über zahlreiche Seiten textfreie Episoden in Registern, i. d. R. in vier untereinander geordneten Panorama-Bildstreifen, zu präsentieren. In einer Reise den Fluss entlang verfolgen wir, wie das Hochwasser im Herbst über die Ufer tritt, im Winter Nebel und Schnee Fluss und Ufer beherrschen und im Stall ein Kälbchen geboren wird, wie im Frühling Hochzeit gefeiert wird mit Tanz und Feuerwerk und im Sommer ein Tiger aus dem Zirkus ausbricht, den ein mutiger Maler im Bild festhält. In wunderbaren, stimmungsvollen Aquarellen, in zarten wie kräftigen Farben, die die Jahreszeiten atmosphärisch aufgreifen, lässt uns Sanna das Leben am Fluss erleben. Das braucht keine Worte; Bildstreifen für Bildstreifen taucht der Betrachter in die gezeigte Stimmung wie in den erzählten Prozess ein und wird vom Beobachter zu Mitspieler, zum Radler auf dem Damm, zum Bootsführer, zum Fluggast im Fesselballon. Die Bildgeschichte ist eine lyrisch-visuelle Ballade, eine Hymne auf den Fluss, nicht nur auf Norditaliens Po, der Sanna inspirierte, sondern übertragbar eine Liebeserklärung an alle Natur.

Max Höllen

Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg
Der TrinkerJakob Hinrichs: Hans Fallada – Der Trinker.
Scott McCloud beschreibt in seinem Lehrbuch Comics machen vier verschiedene Typen von Comic-Künster_innen: Klassizisten, Animisten, Formalisten und Ikonoklasten. Wenn solche Archetypen auch oft einer universalen Anwendbarkeit entbehren und mit der Zeit überdacht werden müssen, so kann man sie doch zur Analyse der Dimensionen Schönheit, Erzählung, Originalität und Authentizität verwenden, wobei man feststellen muss, dass Hans Fallada – Der Trinker von Jakob Hinrichs an allen vier Lagerfeuern seinen Platz findet: Die expressionistischen Illustrationen mit ihren ständig wechselenden Farbkombinationen und –kompositionen lassen den Grafik-Design-Handwerker erkennen, doch reizt dieser damit das Medium Comic bis an seine Grenzen aus und experimentiert grafisch mit Figurengestaltung, Seitenarchitektur und Paneleinteilung was das Zeug hält. Die Geschichte ist dabei genial verschränkt und so vielschichtig, dass man in der Mitte bei einem Buch in einem Buch in einem Buch angekommen ist, nur damit die Ebenen am Ende auf verblüffende Weise zusammenkrachen. Das Farbenspiel hilft bei der Orientierung, wobei die bunte Welt, die Hinrichs erschafft, nicht über Dreck und Elend von Drogensucht, Gefängnis und nationalsozialistischer Unterdrückung hinwegtäuschen kann. So bekommt sogar die deutsche Comic-Koryphäe und Zeitgenosse Hans Falladas e.o.plauen seine Hommage. Wer nüchtern an die Sache herangeht, wird durch die komplexe Erzählung, die aufreizende Farbsymbolik und die psychedelischen Zeichnungen bald betrunken sein von diesem künstlerischen Hochgenuss – also bitte nicht zu viel auf einmal zu Gemüte führen, sondern in kleinen Dosen konsumieren.

Stephan Packard

Medienkulturwissenschaftler, Vertretungsprofessor für Theorien und Kulturen des Populären an der Universität zu Köln
Resist Comics
Can Yalçınkaya hat mit Resist Comics: Scenes from the Gezi Resistance eine bemerkenswerte, ästhetisch wie politisch widerständige Anthologie herausgegeben. Auf 110 Seiten finden sich fast 30 Comics: abstrakte und konkrete, Erzählungen und Impressionen, Einseiter und Fortsetzungsgeschichten, von bekannten Namen und pseudonymen sowie anonymen Künstler_innen. Alle beschäftigen sich mit der sog. „Occupy Gezi“-Bewegung in der Türkei im Sommer 2013. Am Protest gegen ein Bauprojekt im Gezi-Park in Istanbul hatte sich ein allgemeiner Widerstand gegen Erdogans Regierung gebildet; nach der gewaltsamen Räumung am 31. Mai wiederholten sich Proteste in anderen Städten. Die vorliegende Sammlung verhandelt die Möglichkeiten von Politik und Zeitgeschichte in Comics in verschiedensten Registern: Einige Beiträge sind unmittelbar engagierte Kunst, die zu spezifischem Handeln aufruft; andere reflektierten autobiographisch Erlebnisse bei den Protesten; etliche finden Bilder für die oft nur indirekt greifbare Hoffnung auf eine andere und anders politische Zukunft. Die Sammlung entstand auf sozialen Netzwerken; an #diren/#resist hängte sich #DirenCizgiRoman/#ResistComics an. Neben einer Kickstarter-finanzierten Druckausgabe hat sich die Anthologie nun vor allem digital über Comixology international verbreitet. „Gezi“ bedeutet Rundgang oder Spaziergang; die Comics in dieser spannenden Sammlung durchwandern persönliche Erinnerungen und politische Entwürfe und werfen ruhige oder aufgeregte Blicke in die jüngste Vergangenheit und auf mögliche Szenarien für die Zukunft.

Lukas R.A. Wilde

Medienwissenschaftler, Doktorand Universität Tübingen

Sousanis: UnflatteningNick Sousanis‘ Unflattening
hat nun wahrlich einiges an Aufmerksamkeit erhalten im vergangenen Jahr – eine Dissertation in Form eines Comics, eingereicht und angenommen an der ältesten erziehungswissenschaftlichen Graduiertenschule der USA, dem Teachers College der Columbia University, das hatte einiges an Spektakelwert! Dieser hat meines Erachtens leider ein wenig überschattet, was für ein inspirierender Lesestoff Unflattening vor Allem geworden ist! Entlang Edwin A. Abbotts phantastischer Novelle Flatland (1884), in der ein Bewohner eines 2D-Universums Ausflüge in die erste, dritte und schließlich sogar vierte Dimension unternimmt, lädt Sousanis ebenfalls auf eine Reise an die Grenzen der Vorstellungskraft und des Denkens ein – und zwar programmatisch entlang des Zusammenspiels von Textlichkeit und Bildlichkeit. Dass er dabei ohne gezeichnete Erzählerfiguren à la McCloud, aber auch ganz ohne Darstellungen raumzeitlicher „Storyworlds“ auskommt, stellt nebenbei eine interessante Herausforderung an solche „Comic“-Definitionen dar, die allzu sehr dem Narrativen verhaftet sind. Auf fast jeder Doppelseite darf man sich neu von den diskursiven, metaphorischen und epistemischen Funktionen von „Bildern“ überraschen lassen, die weitaus mehr (und immer wieder anderes) können, als die Wahrnehmbarkeit von physischen Einzeldingen abzubilden. Ob Unflatting wissenschaftlich anschlussfähig sein mag, dahingestellt – trotz unzähliger Fußnoten und weiter kulturgeschichtlicher Überblicke bleibt es doch vor Allem ein Lektürespaß, den man schon alleine aus diesem Grund zur Hand nehmen sollte.
Weiterlesen: Drei Bonus-Empfehlungen von Max Höllen aus dem Kalenderjahr 2014

Letzter Post 2015

Letzter Post des Jahres
Die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung wünscht allen ihren Freunden, Mitgliedern und Interessierten einen guten Rutsch in 2016, ein erfolgreiches Jahr und viele spannende Leseerlebnisse. Mit diesem Post verabschieden wir uns auch für eine kurze Feiertagspause, um ab dem 7. Januar 2016 wieder mit regelmäßigen Neuigkeiten zur Comicforschung zurück zu sein.

– Nina Heindl, Laura Oehme und Lukas R.A. Wilde

Die ComFor auf dem Comicfestival München

Termin:
04.06.2015 - 07.06.2015

Poster_Comicfestival München_2015Am 4. Juni beginnt wieder das Comicfestival München und die ComFor ist mit einer Gesprächsrunde zur Comicforschung dabei.

ComFor-Panel am Sonntag, den 7. Juni 2015, 14:30-16:30, Raum: Alte Kongresshalle, Saal 1

Mehr als ein Jahrzehnt nach der Gründung der ComFor und auch des Jahrbuchs Deutsche Comicforschung hat sich die Landschaft der wissenschaftlichen Forschung zu Comics international und in deutscher Sprache deutlich verändert. Veranstaltungen und Publikationen sind zahlreich, das öffentliche Interesse groß und auch die Unterstützung durch akademische Institutionen wenigstens größer geworden. Die Vernetzung von Comicforscher_innen unterschiedlichster Disziplinen hat sich von einem Wunschtraum in eine intensive ständige Kommunikation verwandelt. Weiterhin aber gibt es keine eigenen Institute, Studiengänge oder Lehrstühle; kaum Einigkeit über gemeinsame methodische Grundlagen; und viele offen gebliebene Wünsche. Die Podiumsdiskussion soll vorhandene Einrichtungen und Projekte zur Comicforschung vorstellen und in Dialog miteinander und mit dem Publikum bringen: Was ist der Stand der Comicforschung heute, was hat sich (nicht nur) in den letzten zehn Jahren geändert, vor allem aber: Was sind Ziele, Desiderate, Pläne für die Zukunft?

Teilnehmen werden Astrid Böger (Arbeitsstelle für Graphische Literatur, Universität Hamburg); Bernd Dolle-Weinkauff (Forschungsstelle Kinder- / Jugendbuchforschung, Universität Frankfurt); Burkhard Ihme (ICOM und Comic!-Jahrbuch); Stephan Packard (Vorsitzender der ComFor); Andreas Rauscher (AG Comicforschung der Gesellschaft für Medienwissenschaft); Joachim Trinkwitz (Bonner Online-Bibliographie für Comicforschung); und Janina Wildfeuer (Comiclinguistik, Universität Bremen). Marie Schröer moderiert.

Viele weitere Programmpunkte und Ausstellungen des Comicfestes sind für die Comicforschung interessant; kurz hingewiesen sei insbesondere auch auf folgende Veranstaltungen, an denen ebenfalls ComFor-Mitglieder (aktuelle und ehemalige) beteiligt sind:

BLACK KIRBY-Ausstellung (5.–27. Juni 2015)

Update: Muss leider entfallen
Poster_Black Kirby_MünchenJens Meinrenken und Ralf Palandt kuratieren die Ausstellung BLACK KIRBY im EineWeltHaus München. Die Ausstellung geht damit nach der Präsentation auf der ComFor-Tagung 2014 in Berlin erstmals auf Reisen. Jens Meinrenken wird zur Eröffnung am Freitag, den 5. Juni um 19:30 Uhr einen Vortrag über schwarze Comic-Superhelden halten.
Veranstaltungsseite

DEUTSCHE COMICFORSCHUNG

Samstag, 17-18h, Alte Kongresshalle, Saal 2: Podiumsgespräch moderiert von Eckart Sackmann

WEBCOMICS – Geschichte und Erzähltechniken

Samstag 12-13Uhr, Podiumssaal:
Björn Hammel und Lukas R.A. Wilde geben einen kurzen Einblick in Geschichte und Entwicklung des Webcomic, stellen die wichtigsten Akteure vor und diskutieren an vielen aktuellen Beispielen, wie sich Erzähltechniken, Konventionen und Ästhethiken des Comic im Zeitalter des digitalen Publizierens erweitern.

Heinz Maier-Leibnitz-Preis für Stephan Packard

foto_stephan_packardAm Dienstag, dem 5. Mai 2015, wurde dem 1. Vorsitzenden der Gesellschaft für Comicforschung, Stephan Packard, der Heinz Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Berlin verliehen. Der Preis wird seit 1977 an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Anerkennung herausragender Leistungen vergeben und soll ausgezeichnete Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler darin unterstützen, ihre wissenschaftliche Laufbahn weiterzuverfolgen. Nach Daniel Stein, der die Auszeichnung im Jahre 2013 erhielt, wird damit zum zweiten Mal ein Comicforscher gewürdigt. In der Laudatio heißt es: „Stephan Packards Studie zur Anatomie des Comics gilt bereits als Standardwerk, weil er darin nicht nur Typen dieser multimedialen Erzählform vergleicht, sondern auch ihren Variationsreichtum beschreibt und ihre Wirkungsmechanismen erklärt. Comics können aus dieser Perspektive als Kunstform, als Sozialisations-Instanz und als Modus politischer Kommunikation erkennbar werden. Dank Stephan Packards Anschub hat sich auch in Deutschland ein Forschungsfeld eröffnet, das reizvolle Anschlussmöglichkeiten zu alten und neuen, bewegten und bewegenden Formen von Text-Bild-Erzählungen bietet“ (zur vollständigen Laudatio).

– Die Redaktion schließt sich den Glückwünschen an Stephan Packard herzlich an

BOOKSTER-Portrait Bernd Dolle-Weinkauff

Bookster_Dolle-Weinkauff_kleinDer Begriff Bookster bezeichnet Menschen, die sich in unterschiedlichster Art und Weise, dabei aber immer leidenschaftlich, mit Büchern beschäftigen: Leute, die Bücher schreiben, lektorieren, übersetzen, herstellen, verlegen, vertreiben, verkaufen, vor- und zur Diskussion stellen, empfehlen, auszeichnen, archivieren und vieles mehr. Im Online-Magazin bookster-frankfurt.de wird jede Woche ein neuer Bookster aus Frankfurt/M. und der umliegenden Region vorgestellt.

Ramona Lenz‘ Artikel „Der Comic-Professor“ portraitiert nun Bernd Dolle-Weinkauff, der sich als ComFor-Gründungsmitglied und Kustos des Instituts für Jugendbuchforschung der Frankfurter Goethe-Universität seit Jahrzehnten um die differenzierte Wahrnehmung von Comics  verdient gemacht hat. Bernd Dolle-Weinkauff organisiert auch die 10. Wissenschaftstagung der ComFor, die vom 4.-6. September 2015 internationale Comicforscher zu Diskussionen über „Geschichte im Comic – Geschichte des Comic“ nach Frankfurt einlädt. Noch bis zum 15.05.2015 können Abstracts eingereicht werden.

CfP: Geschichte im Comic – Geschichte des Comic

Termin:
04.09.2015 - 06.09.2015
10. Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor)

Update: (Ab sofort auch auf Englisch)

Wie die Titelschlagworte andeuten, soll sich die Tagung in ihren Beiträgen und Diskussionen mit Comics und Graphischer Literatur in doppelter Perspektive befassen. Zum einen wird es um die historischen Themen und Stoffe von der Antike bis in die
Zeitgeschichte gehen, die in internationalem Umfang auch in Werken der sequential art behandelt werden und auf großes Interesse bei einem breiten Publikum stoßen. Die globale Verbreitung von Geschichtsbildern und Geschichtsnarrationen gewinnt in den spezifischen Erzählformen des Comics häufig eine besondere Brisanz und befördert den grenzüberschreitenden Austausch zwischen Regionen und Kulturen weltweit. Als wesentlicher Teil eines internationalen Archivs der Erinnerungskultur hat der Comic einen nicht zu übersehenden Stellenwert gewonnen und gerät ins Blickfeld der Forschung sowohl als Zeugnis und Quelle als auch als Darstellung und Deutung von historischem Geschehen. Dass sich daraus eine Reihe von interdisziplinären Anknüpfungspunkten für die Literatur-, Kunst-, Medien- und Kulturwissenschaften insbesondere mit der Geschichtswissenschaft ergeben, liegt auf der Hand.

Zum anderen und einher gehend damit sollen eine Historisierung des Phänomens Comic selbst betrieben und seine zeitgenössischen Spielarten wie auch seine Leserschaft(en) betrachtet und in ihrer internationalen Entwicklung und Ausformung untersucht werden. Es scheint vor dem Hintergrund der Fokussierung auf Historie und Historisches durch die Bildgeschichte in besonderer Weise angebracht, nach den wesentlichen Entwicklungslinien der Gattung und deren Voraussetzungen zu fragen: dies nicht zuletzt deshalb, weil die Debatten um neue oder als neuartig wahrgenommene Strömungen wie Manga und Graphic Novel, um Serialität, Werkcharakter und Medienkultur, um Comic und Bilderbuch, um Comics in traditionellen wie in den Neuen Medien u.v.a. die Frage nach dem Wesen der Graphischen Literatur aufwerfen. Weiterlesen: Mögliche Themenblöcke

Projektblog: Erzählen Bilder?

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Der Seminarblog „Erzählen Bilder?“ dokumentiert die laufenden Projekte von Freiburger Studierenden in Medienkulturwissenschaft zum Thema bildlichem Erzählen. Mehr dazu in der kurzen Einführung und Einladung zur Diskussion von Stephan Packard, dem Vorsitzendenden der ComFor und Begründer des Blogs:

„Die Studierenden schreiben dort regelmäßige Beiträge zu den Themen, Gegenständen, Begriffen, Analysen und vor allem offenen Fragen ihrer Forschungsprojekte. Einige handeln unmittelbar von Comics, andere von allgemeinen Begriffen transmedialen und bildlichen Erzählens; für einige ComFor-Mitglieder werden vielleicht darüber hinaus auch die Beiträge zum Erzählen im Einzelbild, Film, Fernsehen oder Computerspiel von Interesse
sein.

Der Blog ist als offenes Diskussionsforum gedacht, und die Projekte sind allesamt works in progress. Alle interessierten Leserinnen und Leser sind zur aktiven Beteiligung an der Diskussion herzlich eingeladen: Kritik, Verbesserungsvorschläge, Einwände und Hinweise sind gleichermaßen willkommen.“

Ausführlichere Informationen

Zum Blog

Schweigeminute

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Die Mitglieder der Gesellschaft für Comicforschung e.V. sind zutiefst erschüttert und verurteilen aufs schärfste den Terroranschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Wir trauern um die Karikaturisten Charb, Wolinski, Cabu und Tignous, wie auch um die weiteren Opfer.
JA zu einer offenen Gesellschaft, NEIN zu Gewalt!

ComFor-Leseempfehlungen 2014

Zu jedem Jahreswechsel findet man ihn überall, den geheimnisvollen Zauber der Liste. Auch die Gesellschaft für Comicforschung möchte sich beteiligen und hat ihre Mitglieder nach subjektiven Leseempfehlungen befragt, die aus den vergangenen zwölf Monaten im Gedächtnis geblieben sind – aus welchen Gründen auch immer. Hier also einige Notizen zum vergangenen Comicjahr 2014:

Ole Frahm:

Medienwissenschaftler, Arbeitsstelle für Graphische Literatur Hamburg

2014_Burns_kleinCharles Burns: Sugar Skull
Es ist immer traurig, den dritten Band einer Trilogie zu lesen, der doch auch gerne der erst dritte Band einer unendlichen Serie werden könnte. Und dann lösen sich die verschiedenen Auslassungen, ausgemerzten Erinnerungen, mit denen der erste Band X’ed Out seine Leser verwirrte, bei einer ersten Lektüre vielleicht zu leicht auf, was immer einen Grund für eine Enttäuschung bietet. Doch Charles Burns gelingt es mit dieser scheinbaren Einfachheit überhaupt erst sein Argument über die Comics, insbesondere Tim und Struppi zu entfalten. Das alte Thema der Abwesenheit von Sexualität in Hergés Serie gewinnt hier in dieser graphischen Psychoanalyse eine neue, keineswegs einfach zu deutende Perspektive – nicht zuletzt in der Konstellation mit Romance Comics, dem New Wave-Aufbruch der frühen 1980er Jahre, Jugendkultur und der aktuellen Frage der Aneignung der Zeichen.

2014_tardi_kleinJacques Tardi: Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB
Ein merkwürdiger Comic. Der Zeichner als Jugendlicher geht in einem dauernden Verfremdungseffekt mit seinem Vater durch dessen Soldatenleben im 2. Weltkrieg, besonders dessen Gefangenschaft im Stalag. Die Penetranz, mit der Tardi als Junge unbeantwortete Fragen stellt – sein Vater ist schon lange tot, der Zeichner vermerkt im Vorwort, dass er eben versäumte, diese Fragen zu stellen, erzeugt eine ganz eigenartige, dichte Atmosphäre, in der die Geschichte als Konstruktion tatsächlich von der Jetztzeit erfüllt ist, wie sie nur im Comic zu haben ist: gespalten, aber auf einer Seite, in einem Buch. Und es macht deutlich, wie säumig die bundesdeutschen Comiczeichner sind.

2014_kichka_kleinMichel Kichka: Zweite Generation
Ein wirklich kluger und anrührender Versuch vom Leben der Generation zu erzählen, deren Eltern den Holocaust überlebt haben. Vor allem Kichkas am funny geschulter Zeichenstil vermag es, der Überlieferung des Holocaust in unseren Tagen einen bisher so nicht gekannten Aspekt abzugewinnen.

Weiterlesen: Zu drei mal drei weiteren Leseempfehlungen