Neues aus der ComFor

Rezension zu: Comics in der Schule

Rezension zu:
Markus Engelns, Ulrike Preusser, Felix Giesa: Comics in der Schule: Theorie und Unterrichtspraxis.

Tagungsband zur 11. Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor)

Ch. A Bachmann, 2020
ISBN 978-3-96234-029-2
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Rezensiert von:
Dr. Karoline Pohl-Otto

Der Band Comics in der Schule: Theorie und Unterrichtspraxis ist aus der gleichnamigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Comicforschung im Jahr 2016 hervorgegangen, die auf die immer häufiger werdenden Überlegungen zu Comics in Unterrichtskontexten reagiert und ihnen Gehör verschafft hat. In 18 Beiträgen verbinden Autor_innen sowohl comicwissenschaftliche als auch didaktische Expertise miteinander. Sie gehen dem Potenzial von vornehmlich geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Einsatzfeldern nach – zum Teil auch jenseits enger fachlicher Grenzen (vgl. im Band Engelns, Preußer und Giesa 16f.). Ein verbindender Gedanke ist dabei der stets kompetenzorientierte Ansatz. Anliegen des Sammelbandes ist es, „didaktische Anschlussstellen für den Einsatz von Comics in dem bereits bestehenden Unterricht zu schaffen“, in der Hoffnung, „dass der Einsatz von Comics die vorhandenen Problemstellungen der jeweiligen Unterrichtsfächer als oftmals ideales Beispiel“ bereichert (a.a.O. 16). Dafür teilen sich die Beiträge in drei Abschnitte:

Bereits in der Einleitung und den „historischen sowie medialen Annäherungen“ des ersten Teils wird dicht dargestellt und zusammengefasst, was den Comic als Kunstform auszeichnet und für gewisse Lernprozesse prädestiniert (vgl. a.a.O.). Damit wird der Medialität und Komplexität von Comics als Text-Bild-Korrelate Rechnung getragen (vgl. dazu besonders den Beitrag von Wilde im Band). Dies zeigt die Aktualität und gleichzeitig die Neuorientierung der Comic-bezogenen Didaktik, die sich durch den Band zieht: Im Gegensatz zu vielen didaktischen Beiträgen der Vorjahre werden nicht nur Stories/Inhalte bestimmter Comics, sondern auch die damit verbundenen Kompetenzanforderungen betrachtet. (Auch wenn dies laut Staiger kein gänzlich neues Feld speziell für Deutschdidaktiker_innen ist.) Es zeigt sich so, dass aktuelle und vielfältige comicwissenschaftliche Fragestellungen auch in didaktischen Kontexten fruchtbar erschlossen werden können, etwa wenn Materialität und Trägermedien sowie inhärente Rezeptions- und Kompetenzherausforderungen des Mediums diskutiert werden (vgl. im Band Bachmann, Eckhoff-Heindl, Grünewald, Oppolzer).

Der zweite und umfangreichste Teil stellt die zentrale Frage nach dem „literarischen und sprachlichen Lernen“ in ganz verschiedenen Lern-, Fach- und Alterskontexten. So werden etwa „Dimensionen literarischer Kompetenz“ (im Band Hollerweger 240) und die Bedeutung von medienstruktureller Multimodalität und entsprechenden rezeptionsästhetischen Deutungsfolien zusammengedacht (vgl. im Band Kreuzberger). Auch hier respektiert man in den meisten Fällen die medienspezifischen Kompetenzfelder, die Heranwachsende erst ausbilden müssen (vgl. im Band Oppolzer, Kreuzberger Langschmidt/Rymarczyk, Wild/Wulff, Jeanette Hoffmann). Die Überlegungen von Wild und Wulff sind m.E. besonders hervorzuheben, da es ihnen um Bildungsgewinn in sprachlichen Vorbereitungsklassen geht, die in bildungstheoretischen Kontexten oft wenig Aufmerksamkeit erhalten. Überlegungen zur gegenwärtigen Entwicklung auf dem Kindercomicmarkt, zu empirischen Fragen sowie das Thema hypertextuelle Transmedialität runden diesen Teil ab und unterstreichen erneut die Aktualität und Relevanz der Beiträge (vgl. im Band Hollerweger, Meier, Jeanette Hoffmann).

Wer nun denkt, hier sei nur von Theorie die Rede, liegt tatsächlich falsch. Die meisten Beiträge wagen zumindest am Ende einen Sprung in den praktischen Kontext, sowohl mit Ideen als auch mit realen Unterrichtserfahrungen (im Band etwa Grünewald 110ff., Oppolzer 146, Langschmidt/Rymarczyk 161ff., Wild/Wulff 188ff., Hollerweger 255ff., Trippó 345ff.). Die Verfasser_innen behandeln und erforschen eine Vielzahl unterschiedlicher konkreter Werke/Comics unterschiedlicher Couleur. (Allein in Bezug auf den Manga wird man weniger fündig.) So werden die komplexen theoretischen Überlegungen praktisch rückgebunden.

Trotzdem schließt sich noch dezidiert ein dritter Teil mit „Inspirationen und Sachanalysen“ an, der erneut eine praktische Ausrichtung andeutet. Als ‚Sachanalyse‘ bezeichnet man in unterrichtstheoretischen Kontexten die inhaltsorientierte Analyse eines Gegenstandes, der didaktisch-methodische Überlegungen begleiten bzw. ihnen vorausgehen muss. Tatsächlich unterscheidet sich dieser Teil des Buches weniger stark von den vorangehenden, als man denken könnte. Denn der grundsätzlich bejahende Charakter der meisten Beiträge, die sich darauf konzentrieren, comicbezogene Zusammenhänge zu analysieren und dann Chancen für die Didaktik geltend zu machen, wird hier fortgesetzt: durch die Analyse eines Don Rosa-Werks (Lewald-Romahn) sowie von X-Men-Comics (Büschken), durch konkrete Ideen für den Philosophie- (Knopf) und Geographie-Unterricht (Reumont/Budke) sowie die Hochschuldidaktik (Trippó) und schließlich über die praxisnahe Diskussion des Potenzials der Begegnung zwischen Lernenden und Comic-Künstler_innen (Jakob Hoffmann).

Insgesamt legen die Wahl der Themen und der Grundton des Bandes überzeugend nahe, wie begrüßenswert und sinnvoll es wäre, wenn Lehrende in der Schule Impulse aus der comicdidaktischen Forschung zu Bildungszwecken aufgreifen würden. Denn die einleitend genannten „Problemstellungen der jeweiligen Unterrichtsfächer“ in den Beiträgen werden mit viel Wissen um jene Fächer adressiert. Der Vorzug des Bandes, verschiedene Autoritäten des Forschungsfeldes, die auch sprachlich der Komplexität des Mediums gerecht werden, zu versammeln, könnte mitunter freilich dazu führen, dass sich unbedarfte Lehrkräfte etwas überfordert sehen (etwa wenn von „diachrone[r] Verschiebung medialer Grenzziehungen“ die Rede ist, Wilde 57). Aber der Band richtet sich auch nicht gezielt an Lehrpersonen, was unbedingt zu beachten ist. Weiter gefasste Herausforderungen der Schulwirklichkeit werden im Sammelband noch ausgeklammert (etwa die Tatsache, dass etwa 20 % aller Fünfzehnjährigen nicht richtig sinnentnehmend lesen können; Fragen der Bildungsgerechtigkeit und der Marginalisierung von mehrsprachigen Gruppen etc.). Das hätte den Rahmen gesprengt und hierfür wäre wohl eine eigenständige Tagung notwendig, die zweifelsohne ebenso vielversprechende Ergebnisse liefern würde. Möglicherweise könnte die Forschung hier auch andere Fächer wie Musik, Religion und das MINt-Spektrum in gleicher Weise bereichern.

Fazit:

Die große Stärke von Comics in der Schule liegt unter anderem in der Aktualität und Verschränkung von didaktischen und comicwissenschaftlichen Fragestellungen und Ergebnissen. Ferner in der Tatsache, dass der komplexen Medialität von Comics tatsächlich Rechnung getragen wird. Und schließlich in den vielen Bezüge zur schon im Titel versprochenen Praxis, die unter anderem durch die Diskussion zahlreicher und unterschiedlicher Comicbeispiele für unterschiedliche Altersgruppen und Kompetenzziele anvisiert wird. Wer zu Comics in der Schule forschen – und sie vielleicht sogar einsetzen! – will, kommt in Zukunft nicht mehr an diesem Sammelband vorbei, der die Forschung durch die Expertise der Autor_innen einen großen Schritt weitergebracht hat.

Über die Verfasserin:

Dr. disc. pol. Karoline Pohl-Otto hat nach dem Studium des Lehramts für Sekundarstufe I und II für Deutsch und ev. Religion in Hamburg und Göttingen zu Comics in der Didaktik und Religionspädagogik geforscht. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Themen Unterrichtsqualität, Lernpsychologie und Comic-gestützte Religionspädagogik. Aktuell arbeitet sie als Lehrerin in Schleswig-Holstein.

Veröffentlichungen im Bereich des Comics:

  • Comics in Schule und Religionsunterricht: Diversität begegnen, Kompetenzen fördern, Unterricht verbessern, Göttingen 2021.
  • „Dialog in Sprechblasen: Wie graphische Literatur zum jüdisch-christlichen Austausch beitragen kann.“ In: Begegnungen: Zeitschrift für Kirche und Judentum, 1/2014, S. 12-21.
  • „Sinn im Leben des Erbonkels: Eine philosophische Betrachtung der dagobertschen Biographie.“ In: Der Donaldist 146, 2014, S. 37-41.

ComFor Tagungsband „Comics and Agency“

Der Tagungsband zur 15. ComFor-Jahrestagung (2020) zum Thema „Comics and Agency“ ist nun erschienen. Herausgegeben von Vanessa Ossa, Jan-Noël Thon und Lukas Wilde, versammelt der Band auf 350 Seiten 15 Aufsätze von ComFor-Mitgliedern und international renommierten Autor*innen:

„Comics & Agency:
This volume aims to intensify the interdisciplinary dialogue on comics and related popular multimodal forms (including manga, graphic novels, and cartoons) by focusing on the concept of medial, mediated, and mediating agency. To this end, a theoretically and methodologically diverse set of contributions explores the interrelations between individual, collective, and institutional actors within historical and contemporary comics cultures. Agency is at stake when recipients resist hegemonic readings of multimodal texts. In the same manner, “authorship” can be understood as the attribution of agency of and between various medial instances and roles such as writers, artists, colorists, letterers, or editors, as well as with regard to commercial rights holders such as publishing houses or conglomerates and reviewers or fans. From this perspective, aspects of comics production (authorship and institutionalization) can be related to aspects of comics reception (appropriation and discursivation), and circulation (participation and canonization), including their potential for transmedialization and making contributions to the formation of the public sphere.“

Der Band bildet auch den Auftakt von De Gruyters neuer „Comics Studies: Aesthetics, Histories, Practices“-Reihe, herausgegeben von Jaqueline Berndt, Patrick Noonan, Karin Kukkonen und Stephan Packard.

Den Band finden Sie hier.

Roland Faelske-Preisträger_innen 2022

Die Preisträgerinnen des Roland Faelske-Preis für Comic und Animationsfilm 2022 stehen fest: Besonders freuen wir uns, ComFor-Mitglied Nina Eckhoff-Heindl zu gratulieren, die mit Comics begreifen: Ästhetische Erfahrung durch visuell-taktiles Erzählen in Chris Wares Building Stories den Preis in der Kategorie „Beste Dissertation“ erhalten hat. Auch Alma Knispel gratulieren wir herzlich zum Preis in der Kategorie „Beste Abschlussarbeit“ mit dem Titel Unsichtbarkeit: Der Entzug des Sichtbaren in Comics und Theorie. Die Preisverleihung wird am 10.02.2023 stattfinden.

DerRoland Faelske-Preis wird von der Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) der Universität Hamburg zweijährlich ausgelobt. Weitere Informationen und eine Übersicht vergangener Preisträger_innen gibt es hier.

Rezension: Comics in Schule und Religionsunterricht

Rezension zu:
Karoline Pohl-Otto: Comics in Schule und Religionsunterricht: Vielfalt adressieren, Kompetenzen fördern, Unterricht verbessern

V&R unipress, 2021
Arbeiten zur Religionspädagogik, Bd. 73
ISBN: 978-3-8471-1372-0
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Rezensiert von:
Anja Lange

Über das Thema ‚Comics in der Schule‘ ist bereits viel geschrieben worden und es stehen den Lehrkräften und Schüler_innen vielfältige Fachartikel und sogar eigene Comicgeneratoren im Internet zur Verfügung1. Auch zum Thema ‚Comic und Religionsunterricht‘ liegen bereits fachdidaktische und populärwissenschaftliche Arbeiten und Analysen vor2. Wieso braucht es nun noch einen Beitrag zum Thema ‚Comic und Schule‘, respektive ‚Comic und Religionsunterricht‘?

Karoline Pohl-Ottos 607 Seiten starkes Werk ist ein Kompendium, das sich lohnt, soviel sei bereits zu Beginn gesagt. Sie verbindet gekonnt Theorie mit Praxis anhand ausgewählter Beispiele. Diese Verbindung stellt die größte Stärke des Buches dar, denn man findet in den vorher zitierten Quellen entweder stark theoretische Arbeiten (bspw. Dahrendorf) oder praktische Unterrichtsentwürfe (bspw. „Mein eigener Comic“). Pohl-Otto gelingt es vor allem, umfangreich recherchierte Theorie mit analysierter Praxis zu verbinden.

Beginnend mit begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen und einer Einführung in das Medium Comic (plus einer ausführlichen Charakteristik des Mediums) bietet der umfangreiche Band Informationen für Neulinge gleichermaßen wie für Kenner der Materie. Besonders die gegenwärtigen Fragestellungen zum Comic laden zum weiteren Forschen ein und stellen einen großen Mehrwert der Publikation dar.

Pohl-Ottos Ausgangspunkt könnte aktueller nicht sein: Sie geht von einer kulturellen, weltanschaulichen und sprachlichen Vielfalt aus, wie sie in deutschen Schulen heutzutage die Regel ist. Gleichzeitig hat Pohl-Otto eine große Mission: Sie will die zunehmend kirchenfernen Jugendlichen mit Comics zurück in den Religionsunterricht bringen. Dies soll u.a. dadurch erreicht werden, dass den Jugendlichen einerseits Gehaltvolles beigebracht wird und sie andererseits durch die Verwendung eines aus ihrem Alltag vertrauten Mediums in ihrer Lebenswelt ernstgenommen werden (vgl. Pohl-Otto, 11). Ob das gelingt, wenn ihr Ansatz im Unterricht benutzt wird, kann an dieser Stelle nicht geprüft werden. Kein Zweifel besteht darüber, dass die Behandlung von Comics für Kinder und Jugendliche interessant ist, das ist neben anderen ein Ansatzpunkt Pohl-Ottos, den sie konsequent vertritt. Das Interesse an Comics käme daher, dass sie am „Puls der Zeit“ (Pohl-Otto, 11) lägen und sie als Massenmedium noch immer den digitalen Angeboten trotzen würden (vgl. Pohl-Otto, 11-12). Gerade in der Papierform besäßen Comics noch immer eine große Anziehungskraft auf die Jugendlichen (Pohl-Otto, 552).

Sie will den Nutzen von Comics in Lernkontexten systematisch analysieren und tut dies nicht nur gut recherchiert, sondern auch lesbar aufgearbeitet, samt einer Einführung in die Grundlagen der Comicstudien, die sie mit der Pädagogik verbindet. Anschaulich zeigt Pohl-Otto außerdem, wie in der Religionspädagogik Comics stiefmütterlich behandelt wurden. Daher analysiert sie Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Religionspädagogik, der Unterrichts- und Comicforschung und der Schulpädagogik, was eine wahrlich große Aufgabe war.

Pohl-Ottos Aufbau des Buches ist dabei sehr gut nachvollziehbar und leserfreundlich: Vom allgemeinen Medium Comic kommt sie zur Fachdidaktik der Religion und stellt schließlich zwei einzelne Werke, Persepolis von Marjane Satrapi und den Band Onkel Dagobert: Sein Leben, seine Milliarden von Don Rosa für den Religionsunterricht vor. Dieser Aufbau macht das Werk auch für andere Fächer, beispielsweise den Deutsch- oder Ethikunterricht, interessant, da die Analysekategorien ohne Weiteres auch in diesen Fächern im Unterricht didaktisiert werden können.

Es verwundert, dass in dem breit angelegten Werk lediglich 35 Abbildungen zu finden sind – wer auf eine reich bebilderte Illustration gehofft hat, wird von Pohl-Ottos Werk enttäuscht sein. Die wenigen Illustrationen tun der Comicanalyse jedoch keinen Abbruch, denn sie ist der mit Abstand interessanteste Teil des Werkes. Die Auswahl der Comics zur Illustration der Analyse könnte unterschiedlicher nicht sein: Persepolis zog eine „enthusiastic worldwide reception“ (Simidchieva, 88) nach sich und Onkel Dagobert: Sein Leben, seine Milliarden ist nur vermeintlich ein purer Comic für Kinder: Gerade in diesem ausgiebigen Werk rund um die bekannte Figur aus Entenhausen analysiert Pohl-Otto „existentielle, philosophische und theologische Themen“ (Pohl-Otto, 471), die man in dem Comic auf den ersten Blick nicht erwartet hätte. Die umfangreiche Comicanalyse wird jeweils von einer kurzen Zusammenfassung des Inhalts bzw. der Kapitel begleitet. Es werden inhaltliche Aspekte analysiert, beispielsweise von „Identität und Entfremdung“ (Pohl-Otto, 476). Diese Kategorien sind universell und können analog in anderen Comics herangezogen werden. Eine selbstständige Weiterarbeit bzw. Didaktisierung anderer Werke ist damit für Lehrende kein Problem. Aber auch als Inspiration und Fundgrube eignet sich Pohl-Ottos Werk hervorragend, da sie viele Anhaltspunkte zum weiteren Forschen und Didaktisieren bietet.

Ebenfalls sehr interessant sind die 12 Thesen, die sie für den Einsatz von Comics in Schule und Religionsunterricht aufstellt. Diese können als Zusammenfassung ihrer Arbeit bewertet werden und veranschaulichen kurz und prägnant, wieso sich Pohl-Otto für den Einsatz von Comics im Unterricht ausspricht. Sie sieht Comics als „Chancengeber im Unterricht“ (Pohl-Otto, 111), das wird von der ersten bis zur letzten Seite deutlich. Comics können im Unterricht dann „Wirkkraft entfalten“ (Pohl-Otto, 111), wenn sie dazu benutzt werden, schülerzentriert zu unterrichten, an die Lebenswelt der Jugendlichen anzuknüpfen und ein lernproduktives Klima zu schaffen. Somit sind sie für die Lehrkräfte und die Schüler_innen Chancengeber. Klar benennt Pohl-Otto die Vorteile eines Comiceinsatzes im Unterricht, gibt jedoch auch zu bedenken, dass viele Lehrkräfte eine geringe Fachkompetenz im Bereich Comics besitzen. Diese kann durch das Durcharbeiten des Buches sicher erheblich gesteigert werden!

Fazit:

Pohl-Ottos Werk eignet sich besonders für Lehrkräfte, die sich intensiv mit dem Thema „Comics“ beschäftigen wollen und nicht nur bei dem Ausfüllen von Sprechblasen3 bleiben wollen. Sie zeigt, wie man mit Gewinn Comics im Unterricht gewinnbringend behandeln und lernerzentriert unterrichten kann. Die von ihr aufgestellten Analysekategorien können ohne Weiteres ebenso auf Romane oder Filme angewendet werden und sind sicher auch für eine Behandlung in anderen Unterrichtsfächern interessant. Daher ist Pohl-Ottos Kompendium nicht nur für den Religionsunterricht zu empfehlen, sondern bietet für alle Lehrenden, die sich mit Comics im Unterricht beschäftigen möchten, wertvolle Anhaltspunkte.

 

Über die Verfasserin:

Anja Lange ist DAAD-Lektorin am Kirgisisch-Deutschen Institut für Angewandte Informatik in Bischkek, Kirgistan. Sie studierte Slawistik in Leipzig und Kyjiw, Ukraine. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Fachdidaktik und im Fachsprachenunterricht.
Publikationen im Bereich Comic:

  • “The Beginning of Ukrman – a Fighter Against the Evil and the Coronavirus” (in: Galactica Media: Journal of Media Studies Bd. 2, Nr. 3, 2020, S. 245-272)
  • “Daohopak, a Comic Series about Cossacks as Part of the Identity Formation of Ukraine” (in: Bernd Dolle-Weinkauff, Hg.: Geschichte im Comic: Befunde – Theorien – Erzählweisen, Christian A. Bachmann Verlag, 2017, S. 157-170).

 


[1] Beispielsweise der Aufsatz von Malte Dahrendorf „Comics in der Schule: Ein Unterrichtsmodell“, mit welchem bereits 1977 eine Handreichung zur Arbeit mit Comics im Unterricht angeboten wurde, und die Mappe Comics in der Schule von Petra Lange-Weber, die auf spielerische Art und Weise u.a. Bildperspektiven von Schüler_innen untersuchen lässt. Auch die vielen Onlineangebote, beispielsweise „Mein eigener Comic“ (https://medienkompetenzrahmen.nrw/unterrichtsmaterialien/detail/mein-eigener-comic/) bestehen aus didaktisierten Materialien.

[2] Hier muss der Fachdidaktische Beitrag von Reiner Riedel erwähnt werden, in dem eigene Comics im Religionsunterricht erstellt werden, oder auch der Bibelcomic „Am Anfang war der Teig“.

[3] In einigen Publikationen zum Thema „Comic in der Schule“ kommt es vor allem darauf an, Sprechblasen auszufüllen, so beispielsweise Mein eigener Comic vom Medienkompetenzrahmen NRW.

 

Literatur

  • Dahrendorf, Malte: „Comics in der Schule: Ein Unterrichtsmodell.“ In: Fuchs, W.J. (Hgs) Comics im Medienmarkt, in der Analyse, im Unterricht. Schriftenreihe des Institut Jugend Film Fernsehen, Bd. 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1977. S. 149–162. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89768-8_20
  • Heinze, Andrea: „Religion im Comic: Am Anfang war der Teig.“ Deutschlandfunk, 2018. https://www.deutschlandfunk.de/religion-im-comic-am-anfang-war-der-teig-100.html
  • Lange-Weber, Petra: Comics in der Schule: Merkmale, Gestaltung, Sprache. Bergedorfer Kopiervorlagen Bd. 252. Persen Verlag, 2010.
  • „Mein eigener Comic.“ Medienkompetenzrahmen NRW, LVR Zentrum für Medien und Bildung, Düsseldorf, 2022. https://medienkompetenzrahmen.nrw/unterrichtsmaterialien/detail/mein-eigener-comic/
  • Riedel, Reiner: „Erzählen mit Bildern.“ In: rpi-Impulse: Beiträge zur Religionspädagogik aus EKKW und EKHN Bd. 1, 2018,. S. 23-25.
  • Simidchieva, Marta: “Marjane Satrapi’s Persepolis through the Lens of Persian Historiagraphy.”  International Journal of Persian Literature, Bd. 2, 2017, S. 87-137.

 

Christina Meyer im Panini Comics Podcast

Kürzlich wirkte ComFor-Vorsitzende Christina Meyer in der zehnten Folge des Panini Comic Podcasts mit. In einem Interview gab sie dort einen Einblick in ihre Forschungsarbeit, unter Anderem zu den frühen Zeitungscomics des 19. Jahrhunderts:

Seit wann gibt es eigentlich Comics? Keine einfach zu beantwortende Frage, aber die Comicforscherin Christina Meyer sagt: Das späte 19. Jahrhundert. Sie gibt einen Einblick in die Geschichte des Comics und welche Parallelen es zwischen modernen Supehelden- und historischen Zeitungscomics gibt.

Der Podcast ist auf den gängigen Plattformen (Spotify, Apple Podcasts, Castbox, etc.) verfügbar.

Publikationshinweis: Studien zur Geschichte des Comic

Studien zur Geschichte
des Comic

Bernd Dolle-Weinkauff, Dietrich Grünewald (Hgs.)

Ch. A. Bachmann Verlag
442 Seiten
zahlreichen, teils farbige Abbildungen
ISBN 978-3-96234-069-8
Verlagsseite

 

Kürzlich ist nun endlich auch der zweite Tagungsband erschienen, der auf die 10. ComFor Jahrestagung 2015 in Frankfurt zurückgeht. Nachdem der erste Tagungsband Beiträge zum Thema Geschichte im Comic: Befunde – Theorien – Erzählweisen (Hg. Bernd Dolle-Weinkauff, Ch. A. Bachmann Verlag, 2017) zusammenbrachte, widmet sich der zweite Band, herausgegeben von ComFor Ehrenmitgliedern Dietrich Grünewald und Bernd Dolle-Weinkauff, den Studien zur Geschichte des Comics.

„Die hier versammelten Studien zur Geschichte des Comic umfassen unterschiedliche Facetten historisch orientierter Comic-Forschung im weitesten Sinn. Neben Überblicksdarstellungen zu Epochen und längeren Zeiträumen finden sich Beiträge zu einzelnen Autorinnen und Autoren, Werken und Serien. Untersuchungen zu Frühformen haben ihren Platz neben Längsschnitten durch Entwicklungen der jüngsten Zeit. Gattungsent­wicklungen, Thematiken, Medien und Märkte sowie Schnittstellen der sequenziellen Bildgeschichte zu anderen Formen des erzählenden Bildes werden ebenso diskutiert wie Vermarktungsweisen und dezidiert antikommerzielle Tendenzen sowie Positionen der historischen Comic-Forschung selbst.
Die Beiträge bieten sowohl Neuentdeckungen von Werken und Details der Geschichte des Comic, wie die Herstellung von historischen Zusammenhängen. Sie geben Einblicke in neuere Comic-Kulturen – auch osteuropäischer und fernöstlicher Länder – und deren Bezüge zu internationalen Entwicklungen. Der Band bietet Ansichten einer zunehmend vielgestaltigen Welt der Grafischen Literatur, innerhalb derer einige der bislang aus der Sicht der westeuropäischen und US-amerikanischen Forschung eher randständigen Gebiete gegenüber den Zentren hervortreten.“

Inhalt:

  • Dietrich GRÜNEWALD: „Zur Frühgeschichte des Comic:
    Von der Illustrationsfolge zur autonomen Bildgeschichte“
  • Bernd DOLLE-WEINKAUFF: „Zur Vor- und Frühgeschichte der sequenziellen Bilderzählung in Deutschland 1835–1860“
  • Christian A. BACHMANN: „Transatlantische Motivwanderungen am Beispiel von Traumdarstellungen:Ein Beitrag zur Thematologie des frühen Comics“
  • Benedikt BREBECK: „Beiträge deutscher Zeichner zur Entwicklung des frühen Comic Strip in den USA“
  • Michael F. SCHOLZ: „‚Comics and Their Creators‘ (1942) -Zu den Anfängen der amerikanischen Comicforschung“
  • Nicolas SCHILLINGER: „Grenzen des Zeichenbaren: Geschichte und Comic in China nach 1949“
  • Jessica BAUWENS-SUGIMOTO: „A Short Overview of the History of Japanese Boys’ Love and Yaoi Manga“
  • Marie SCHRÖER: „Autobiografie im Comic: Geschichte/n, Varianten, Potentiale“
  • Véronique SINA: „‚It Ain’t Me Babe …‘:Zur Geschichte und Entwicklung feministischer Comics“
  • Nina MAHRT: „Mit allen Mitteln: Kriegsreportagen als Comics“
  • Hartmut BECKER: „Werbecomics der 1950er-Jahre: Eine Revue der Konsumwelten der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft“
  • Guido WEISSHAHN: „182 Variationen über ein Thema:Die Comicserie Knote und Karli als Beispiel für Zeitungscomics in der DDR“
  • Anna STEMMANN: „‚Der Schrecken, der die Nacht durchflattert‘:Darkwing Duck als Superheldenparodie“
  • Elizabeth ‚Biz‘ NIJDAM: „From Posters to Panels and Panels to Posters: Fluidity of Form in Feuchtenberger’s Comics and Graphic Art“
  • Arno METELING: „Der Vertigo-Effekt: Melancholie, Horror und Britishness in US-amerikanischen Comics um 2000“
  • Kalina KUPCZYNSKA: „Geschichte des autobiografischen Comics in Polen“
  • Brett E. STERLING: „Jenseits des Mainstreams: Zur Entwicklung der deutschsprachigen Comic-Produktion und ihrer avantgardistischen Strömungen seit 1980“
  • Lehel SATA: „Tendenzen im ungarischen Comic nach der Jahrtausendwende: Themen, Gestaltungstechniken, Wirkung“
  • Marco PELLITTERI: „Abriss einer Geschichte der Etablierung des Manga-Markts in ausgewählten europäischen Ländern“

Mitgliederbibliografie 2020 & 2021

Um einen Überblick über die Forschungsarbeit der Mitglieder der Gesellschaft für Comicforschung zu geben, tragen wir ab sofort einmal jährlich eine Bibliografie mit Monografien und Sammelbänden von ComFor Mitgliedern zusammen. Da die Bibliografie in diesem Beitrag erstmalig veröffentlicht wird, sind auch vereinzelte Einträge aus dem Vorjahr mit aufgelistet.

Sie haben Interesse daran, eine Rezension zu einem dieser Bände zu verfassen? Schreiben Sie eine Email an redaktion@comicgesellschaft.de und wir leiten Ihnen gerne Informationen zum Bezug von Rezensionsexemplaren der entsprechenden Publikation weiter. Rezensionen können auf unserer Website als Gastbeiträge der jeweiligen Verfasser_innen publiziert werden, auch Rezensionen von nicht-Mitgliedern!


Ahrens, Jörn (Hg.). Der Comic als Form: Bildsprache, Ästhetik, Narration. Ch. A. Bachmann, 2021.

Domsch, Sebastian, Dan Hassler-Forest und Dirk Vanderbeke (Hgs.). Handbook of Comics and Graphic Narratives. De Gruyter, 2021.

Eckhoff-Heindl, Nina, und Véronique Sina (Hgs.) Spaces Between: Gender, Diversity and Identity in Comics. Springer VS, 2020.

Etter, Lukas. Distinctive Styles and Authorship in Alternative Comics. De Gruyter, 2021.

Frahm, Ole, Hans-Joachim Hahn, Markus Streb (Hgs.). Beyond MAUS. The Legacy of Holocaust Comics. Böhlau 2021.

Giesa, Felix und Anna Stemmann (Hgs.). Comics & Archive. Ch. A. Bachmann, 2021.

Giesa, Felix, Markus Engelns und Ulrike Preußner (Hgs.). Comics in der Schule: Theorie und Unterrichtspraxis. Ch. A. Bachmann, 2021.   →   zur Rezension von Karoline Pohl-Otto

Grünewald, Dietrich. Abstrakt? Abstrakt! Abstraktion und Bildgeschichte. Ch. A. Bachmann, 2021.

Gundermann, Christine (Hg.). Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics. Ch. A. Bachmann, 2021.

Hausmanninger, Thomas. Religion als Kultur: Das Judentum und die jüdische Identität bei Joann Sfar. Ch. A. Bachmann, 2021.

Kupczyńska, Kalina, und Renata Makarska. Handbuch Polnische Comickulturen nach 1989. Ch. A. Bachmann, 2021.

Oppolzer, Markus. Reading Autobiographical Comics: A Framework for Educational Settings. Peter Lang, 2020. Open Access.

Palandt, Ralf (Hg.). Anne Frank im Comic. C.A. Bachmann, 2021.

Pohl-Otto, Karoline. Comics in Schule und Religionsunterricht: Vielfalt adressieren, Kompetenzen fördern, Unterricht verbessern. Vandenhoeck & Ruprecht, 2021.   →   zur Rezension von Anja Lange

Rauscher, Andreas, Daniel Stein, und Jan-Noël Thon (Hgs.). Comics and Videogames: From Hybrid Medialities to Transmedia Expansions. Routledge, 2021.

Stein, Daniel. Authorizing Superhero Comics: On the Evolution of a Popular Serial Genre. Ohio State University Press, 2021.

PUBLIKATION ZUR 13. COMFOR-JAHRESTAGUNG: „Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics“

Wir freuen uns sehr, nach dem bereits erschienenen Springer-Band Spaces Between: Gender, Diversity, and Identity in Comics (hg. Nina Eckhoff-Heindl and Véronique Sina) nun auch die Publikation des zweiten Tagungsbands zur 13. ComFor Jahrestagung zu verkünden, die im September 2018 in Köln stattfand. Unter Herausgeberschaft des ComFor-Mitglieds Christine Gundermann versammelt der Band unter dem Titel Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics einschlägige Beiträge zahlreicher Mitglieder und nicht-Mitglieder.

Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics

Christine Gundermann (Hg.)

Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics

Christian A. Bachmann Verlag, 2021

978-3-96234-057-5

 

Verlagsbeschreibung:

„Comics sind ein Spiegel der Gesellschaft – sie zeigen auf, wie diese von stereotypen Vorstellungen von Geschlecht und Diversität geprägt ist. Comickünstler:innen gehen aber auch weiter. Sie kritisieren diese Zustände und nutzen die medialen Besonderheiten des Comics, um neue Deutungen vorzustellen und damit letztlich auch einen Beitrag für eine gerechtere und inklusivere Gemeinschaft zu schaffen. Die Hybridität und Uneindeutigkeit des Mediums schafft hier »Zwischenräume«, denen die Auor:innen nachgehen. Die hier versammelten Beiträge zeigen anhand von Einzelanalysen und historischen Gesamtschauen, wie Comickünstler:innen Gender, Diversität und Identität problematisieren und wie dies gesellschaftlich rezipiert wird. Die Arbeitsbedingungen von Comicschaffenden werden dabei ebenso betrachtet wie die politische Dimension der Thematisierung von Geschlecht und Diversität im Comic. So zeigen die Beiträge gemeinsam die Stärke einer interdisziplinären Comicforschung auf.“ → zur Verlagsseite

Inhalt:

    • Christine Gundermann: „Zwischenräume – Geschlecht und Diversität im Comic: Eine Einleitung“
    • Anne Elizabeth Moore und Katharina Brandl: „Normen des Erfolgs: Die Rolle der Identität für Anerkennung in der Comic-Branche“
    • Sylvia Kesper-Biermann: „‚…daß das Fremde nicht fremd zu sein braucht‘: Comics im Sprachunterricht für bundesrepublikanische ‚Gastarbeiter‘ in den 1970er und 1980er Jahren“
    • Kalina Kupczynska: „BLUT oder: Gender und Nation im polnischen Comic“
    • Sophie Bürgi: „Frischluftsprays, philippinische Küche und feine Nasen: Die Macht des Geruchs bei Lynda Barry“
    • Priscilla Layne: „Diasporic Whiteness, Race and Representation in: Birgit Weyhe’s Graphic Novels“
    • Anna Beckmann: „Nicht-binär: Erzählstrategien der Veruneindeutigung in Comics“
    • Markus Pfalzgraf: „Bunte Rahmen, bunte Wände: Comichistorische Aspekte in der Ausstellung SuperQueeroes“

→ Zum Bericht der 13. ComFor Jahrestagung
→ Zur Übersicht aller ComFor Jahrestagungen
→ Zur Übersicht aller ComFor Tagungsbände

COMFOR-LESEEMPFEHLUNGEN 2021 (TEIL 2/2)

Hier nun der zweite Teil der Leseempfehlungen (der erste Teil findet sich hier) – für genug Lesestoff für die nächsten Wochenenden ist also gesorgt. Wer auf Empfehlungen früherer Jahre zurückblicken möchte, findet diese hier.

Wir bedanken uns sehr herzlich für alle Einsendungen und wünschen hoffentlich entspanntes Lesevergnügen! Und im Sinne von alle Jahre wieder, würden wir uns auch im Dezember 2022 wieder sehr über Empfehlungen freuen!

 

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Hanspeter Reiter
Ulrich Schnakenberg, Wochenschau Geschichte: Geschichte in Karikaturen 1-3

 

„Karikaturen als Quelle“ sind hier versammelt, beginnend mit I „1945 bis heute“. Bestens aufbereitet, findet Nutzer den Cartoon jeweils auf der rechten einer Doppel-Seite, links dazu die didaktisch-methodischen Hinweise, sorgsam strukturiert, den meist erforderlichen Kontext erschließend und einen Deutungs-Vorschlag bietend. Dahin wird Leser/Lehrer/Moderator geführt, etwa zu „Tücken und Fallstricke der Karikaturarbeit“ (wie wirken Cartoons?), Einsatzmöglichkeiten und Auswahlkriterien der vorgelegten Karikaturen. Als Kopier-Vorlage folgen die Arbeitsschritte plus das (Blanko-)Analyseschema, dann Anregungen für Aufgaben. So kann Geschichts-Unterricht quasi lebendig(er) werden! Auch dem Nutzer mit persönlichem Interesse an Cartoons ist hier reiche Fülle geboten, Übergänge zum Comic inklusive, siehe etwa „Tagebuchblätter aus Vietnam“ (S. 32f.), in „Panels“ von 1939 bis 1965 führend… Weitere comicesk-sequenzielle Folgen finden sich z.B. S. 88f. (Karikaturen-Streit!) und 90f. „China – die Supermacht der Zukunft“, wieder als chronologische Entwicklung. „Das Buch präsentiert eine frische, unverbrauchte Auswahl von 50 internationalen Karikaturen der Jahre 1945 bis heute – von der Teilung Deutschlands über den Ost-West-Konflikt bis zu den umstrittenen „Mohammed-Karikaturen“ und zur EU-Verfassung. II 1900 bis 1945 – vom Imperialismus über die Weltkriege bis zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. III 1800-190 in 4c: Neben diversen Cartoons in Farbe wird diese auch für die didaktischen Hinweise genutzt.

Quino, Carlsen: Mafalda

Da war mir bis dato aber was entgangen! Jedenfalls ist diese Figur ziemlich neu für mich – und ein Sammelband dieser Art besonders gut geeignet, derlei kennen zu lernen: Die Vielfalt wie auch die Entwicklung (inhaltlich der Charaktere wie auch zeichnerisch des Künstlers). Ja, diese 200 Seiten geballte Mafalda-Strips bieten ein Füllhorn – und zwar eines, das mehrfach zu genießen ist. Denn philosophische wie gesellschaftskritische Dialoge sind zugleich Spaß und nachdenklich Machend, unterhaltsam wie informativ: „Mafalda ist eine liebenswerte Nervensäge, denn sie ist ihren Eltern in vielem voraus: Sie tritt schon früh für Weltfrieden, Demokratie und Frauenrechte ein. Der Comic wurde 2014 mit dem Prinz-von Asturien-Preis (dem „spanischen Nobelpreis“) ausgezeichnet, weil er auf amüsante Weise „scharfsinnige Botschaften“ von „universeller Bedeutung“ transportiert.“ Manches mag an Figuren wie die der Peanuts erinnern oder auch Pogo. Strikt in Schwarzweiß (Zeitungs-Strips) mit variablem Layout (von eins bis zu maximal acht Paneln für eine Story, wenn ich richtig „mitgezählt“ habe). Für diesen wertigen Sammelband im Überformat, fest gebunden mit Fadenheftung und Leseband, sind die sorgsam ausgewählten Geschichten thematisch gereiht – alles mit viel Charme, Augenzwinkern und schon mal starke Äußerungen, durchaus im Sinnen von „Kindermund tut Wahrheit kund“ – und „dennoch“ immer liebenswert wie liebenswürdig…

Susanne Kuhlendahl, Knesebeck: Virginia Woolf – die Comic-Biografie

Ein durchaus eigener Stil zeichnet diese Graphic Novel aus, in mehrfacher Hinsicht: Da sind die flächigen Wasserfarben, zart-pastellig, wohl auch als Anklang an die Schreibe der biografierten Schriftstellerin. Davon abweichend ihre depressiven Phasen in Schwarz- und Grautönen. Die unterschiedlichen Schriftarten, um dreierlei zu differenzieren: Erzähler in Begleit-Texten (Gemeine), Zitate aus Woolfs Büchern (Versalien) und eher zurückhaltend Dialoge (Versalien in Sprechblasen). Die Panels sind freigestellt, auf Rahmen ist also verzichtet – was zudem im abwechslungsreichen Layout ein leichtes Ambiente fürs Betrachten ergibt… Und wie ist´s mit dem Übertragen des Literarischen ins Zeichnerische? „Das bewegte Leben der Autorin von Orlando, Mrs Dalloway und Ein Zimmer für sich alleine, erstmals umgesetzt als Graphic Novel: Auf feinsinnige Weise zeichnet diese grafische Biografie von Virginia Woolf ein detailliertes Bild einer der literarischen Größen des 20. Jahrhunderts und zeigt, wie eng ihr Leben mit dem Schreiben verwoben war.“ Das gelingt exzellent auch deshalb, weil „Alltag“ gleich mit Projekten abwechselt und eben Text-Zitate die entsprechende Transformation belegen. Konkret spiegelt sich das hier in ihrer Bisexualität, etwa der langjährigen Beziehung zu Vita in ständigem Auf und Ab.

Annette Köhn, Jaja: Verlagswesen.

Die (sic!) gibt´s reichlich in dieser Comic-Story von mehr als 130 Seiten, als Graphic Novel vierfarbig, großformatig, bibliophil gebunden. Und sie kommentieren reichlich, schauen der Künstlerin über die Schulter, soweit das von unten möglich ist: Damit nehmen sie eine Art begleitende Erzähler-Rolle ein, feine Idee… Wie so manch andere: Die Perspektive „hin zu den Lesern“ einnehmen – das Umfeld kennenlernen lassen (Personen siehe S. 4f.) – Zeichner(innen) einzubeziehen – alle Bereiche dieses (und damit „eines“) Verlages erleben zu lassen! Fein, zum 10.: „Anhand eines Tages im Februar 2020 erzählt Annettes Alter Ego, wie alles so beim Jaja Verlag läuft.“ Nebenbei lernt Leser einiges „inside“ – und sei es, dass der Verlagsname bitteschön korrekt mit kleinem „j“ in der Mitte zu schreiben ist, also „Jaja“ statt „JaJa“, was wohl gelegentlich (immer noch) passiert… Wie Falt-Kartons zu falten sind – wieder was gelernt! Oder a bissal selbstkritisch die Rolle einer Praktikantin  … Interessant natürlich auch für beruflich fokussierte Augen, von Kollegen und Kolleginnen durchaus auch jenseits von Comic-Verlagen. Wer Comics mag, ist hier bestens bedient: Vielseitiges Layout mit flächigen, meist eher pastelligen Farb-Tönen, wechselnde Dynamik je nach aktuellem Thema, Panels kreativ ausufernd oder stark strukturiert: Künstlerin am Werk, kaum ums Verlegen verlegen!

 

Janek Scholz

Universität zu Köln (Portugiesisch-Brasilianisches Institut)

André DinizDarkSide Books (Brasilien): Revolta da vacina

Mit „Revolta da vacina“ hat der brasilianische Comiczeichner André Diniz etwas geschafft, was viele sicher für unmöglich halten: Er hat in Zeiten allgemeiner Pandemiemüdigkeit einen Impfcomic vorgelegt, den man gerne liest, der mitreißend ist und der uns viel über die heutige Zeit erzählen kann. Indem er auf historische Geschehnisse rekurriert (die Hygienekampagnen Oswaldo Cruz‘ gegen Pocken, Gelbfieber und Beulenpest im Rio de Janeiro des frühen 20. Jahrhunderts), gelingt es Diniz, ein brandaktuelles Thema zu verhandeln, ohne sich in das Fahrwasser derzeitiger Debatten zu bewegen. Der Protagonist Zelito ist ein junger Zeichner mit großen Ambitionen, der nach dem Tod des Bruders vom Vater mit einer Galgenfrist nach Rio geschickt wird: Sechs Monate habe er Zeit, um zum „besten Zeichner der Welt“ zu werden und eine standesgemäße Verlobte zu finden. Ein ambitioniertes Ziel, das den jungen Zelito immer weiter in einen Strudel aus Verzweiflung und Radikalisierung treibt. Es herrscht ein Klima grassierender Aggression und zunehmenden Unzufriedenheit gegenüber den Pandemiemaßnahmen der Regierung, zu denen auch eine allgemeine Impflicht gegen Pocken zählt, das sich schließlich 1904 in der titelgebenden Revolte entlädt. Diese dient auch dem Protagonisten als Ventil, seiner Wut und Verzweiflung endlich Luft zu machen. Ein Comic, der historisch und doch aktuell ist und der aufgrund seiner detailliert ausgearbeiteten Metaebene auch Comicforschenden vielfältige Anknüpfungspunkte liefert: Nicht nur ist der Protagonist Zeichner und reflektiert folglich kontinuierlich die Möglichkeiten, als Zeitungskarikaturist Fuß zu fassen. Darüber hinaus liefert die Publikation auch einen Anhang mit einem Archiv aus vierzig Karikaturen der Zeit. Ein wahrer Schatz und für mich das absolute Comic-Highlight des ausklingenden Jahres 2021.

 

Lukas R.A. Wilde

Medienwissenschaftler, Universität Tübingen

N.K. Jemisin und Jamal Campell, DC’s Young Animal: Far Sector

Die Verlagsankündigung klang selbst ein bisschen wie Fan Fiction: Mit N.K. Jemisin sollte eine Titanin der ganz großen, konzeptlastigen SciFi-Literatur als Autorin für einen neuen Green Lantern-Titel gewonnen werden. N.K. Jemisin enttäuscht diese Erwartungen nicht und macht etwas komplett Eigenes und Einzigartiges aus den bekannten Prämissen: Mit der neuen Ringträgerin Sojourner Mullein wurde eine faszinierende Figur geschaffen, die in den fernsten Regionen des DC Universums – dem Far Sector – in v.A. politische Abenteuer geworfen wird. 20 Milliarden Bewohner*innen dreier radikal unterschiedlicher Spezies teilen sich hier eine Dyson-Sphäre, in der es dank Emotionsunterdrückungsdrogen seit 500 Jahren zu keinem Gewaltverbrechen mehr kam – bis Lantern Mullein einen grausamen Mord aufklären muss und in einen herrlich illustrierten Malstrom aus Noir-Elementen, Cyberpunk und politischen Intrigen gerät. Ihr eigentliche übermächtiger Ring wurde nicht nur ordentlich gedowngraded – und wird damit wieder spannend; die Konflikte sind ohnehin eher diplomatischer Natur. „Lang lebe Lantern Mullein!“

Devin Grayson und Alitha E. Martinez, Humanoids: OMNI

Und noch eine neue Heldin, auf die man viel zu lange warten musste! Dr. Cecelia Cobbina bringt locker die spannendsten Superkräfte der letzten Jahrzehnte ins Genre ein: Eine neunfache Super-Intelligenz permanent paralleler Denkprozesse, die in einer recht einzigartigen Medienspezifik übersetzt werden: Caption-Boxen unterschiedlicher Farben, die in ständigem Dialog miteinander die Seitenarchitektur durchziehen und den Lesenden unterschiedliche Pfade zwischen logisch-mathematischen, existenziell-philosophischen, empathisch-sozialen, visuell-räumlichen, lingusitisch-semiotischen oder körperlich-kinetischen Kognitionsprozessen anbieten und so einen ständigen, individuell aktualisierbaren „Chor“ erzeugen. Zeichnerin Alitha E. Martinez streut auch noch wunderbare Bildsymboliken und Piktogrammatik mit ein, um Dr. Cobbinas ausufernd komplexes Innenleben auch bildlich zu transkribieren. „What would you do if you could think faster than the speed of light?“

James Tynion IV und Martin Simmonds, Image: Department of Truth

Teils metaphysischer Thriller, teils Crime-Drama, unternehmen James Tynion IV und Martin Simmonds in dieser neuen Serie Spaziergänge in immer tiefere Abgründe altbekannter und hochaktueller Verschwörungstheorien, von der Mondlandung über Flat Earth bis zu Obamas Geburtsurkunden und Pizza Gate – und alles scheint natürlich auf QAnon zuzulaufen…! Tynion IV verdichtet dabei äußerst luzide Erkenntnisse über die mythische Macht dieser Erzählungen zu einem alptraumhaften Gewebe aus Phantastik und Horror, das zu einem guten Teil von Martin Simmonds (nur gelegentlich gegenständlichen) Gemälden und Collagen im Stile Dave McKeans getragen wird, ebenso wie von Aditya Bidikars unwirklichem Lettering. Keine sonderlich leichte Lektüre, und keine sonderlich angenehme, aber vielleicht, erschreckenderweise, eine Serie, die unheimlich viel zum Verständnis des hinter uns liegenden Jahres 2021 beizutragen hat.