Neues aus der ComFor

COMFOR-LESEEMPFEHLUNGEN 2021 (TEIL 2/2)

Hier nun der zweite Teil der Leseempfehlungen (der erste Teil findet sich hier) – für genug Lesestoff für die nächsten Wochenenden ist also gesorgt. Wer auf Empfehlungen früherer Jahre zurückblicken möchte, findet diese hier.

Wir bedanken uns sehr herzlich für alle Einsendungen und wünschen hoffentlich entspanntes Lesevergnügen! Und im Sinne von alle Jahre wieder, würden wir uns auch im Dezember 2022 wieder sehr über Empfehlungen freuen!

 

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Hanspeter Reiter
Ulrich Schnakenberg, Wochenschau Geschichte: Geschichte in Karikaturen 1-3

 

„Karikaturen als Quelle“ sind hier versammelt, beginnend mit I „1945 bis heute“. Bestens aufbereitet, findet Nutzer den Cartoon jeweils auf der rechten einer Doppel-Seite, links dazu die didaktisch-methodischen Hinweise, sorgsam strukturiert, den meist erforderlichen Kontext erschließend und einen Deutungs-Vorschlag bietend. Dahin wird Leser/Lehrer/Moderator geführt, etwa zu „Tücken und Fallstricke der Karikaturarbeit“ (wie wirken Cartoons?), Einsatzmöglichkeiten und Auswahlkriterien der vorgelegten Karikaturen. Als Kopier-Vorlage folgen die Arbeitsschritte plus das (Blanko-)Analyseschema, dann Anregungen für Aufgaben. So kann Geschichts-Unterricht quasi lebendig(er) werden! Auch dem Nutzer mit persönlichem Interesse an Cartoons ist hier reiche Fülle geboten, Übergänge zum Comic inklusive, siehe etwa „Tagebuchblätter aus Vietnam“ (S. 32f.), in „Panels“ von 1939 bis 1965 führend… Weitere comicesk-sequenzielle Folgen finden sich z.B. S. 88f. (Karikaturen-Streit!) und 90f. „China – die Supermacht der Zukunft“, wieder als chronologische Entwicklung. „Das Buch präsentiert eine frische, unverbrauchte Auswahl von 50 internationalen Karikaturen der Jahre 1945 bis heute – von der Teilung Deutschlands über den Ost-West-Konflikt bis zu den umstrittenen „Mohammed-Karikaturen“ und zur EU-Verfassung. II 1900 bis 1945 – vom Imperialismus über die Weltkriege bis zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. III 1800-190 in 4c: Neben diversen Cartoons in Farbe wird diese auch für die didaktischen Hinweise genutzt.

Quino, Carlsen: Mafalda

Da war mir bis dato aber was entgangen! Jedenfalls ist diese Figur ziemlich neu für mich – und ein Sammelband dieser Art besonders gut geeignet, derlei kennen zu lernen: Die Vielfalt wie auch die Entwicklung (inhaltlich der Charaktere wie auch zeichnerisch des Künstlers). Ja, diese 200 Seiten geballte Mafalda-Strips bieten ein Füllhorn – und zwar eines, das mehrfach zu genießen ist. Denn philosophische wie gesellschaftskritische Dialoge sind zugleich Spaß und nachdenklich Machend, unterhaltsam wie informativ: „Mafalda ist eine liebenswerte Nervensäge, denn sie ist ihren Eltern in vielem voraus: Sie tritt schon früh für Weltfrieden, Demokratie und Frauenrechte ein. Der Comic wurde 2014 mit dem Prinz-von Asturien-Preis (dem „spanischen Nobelpreis“) ausgezeichnet, weil er auf amüsante Weise „scharfsinnige Botschaften“ von „universeller Bedeutung“ transportiert.“ Manches mag an Figuren wie die der Peanuts erinnern oder auch Pogo. Strikt in Schwarzweiß (Zeitungs-Strips) mit variablem Layout (von eins bis zu maximal acht Paneln für eine Story, wenn ich richtig „mitgezählt“ habe). Für diesen wertigen Sammelband im Überformat, fest gebunden mit Fadenheftung und Leseband, sind die sorgsam ausgewählten Geschichten thematisch gereiht – alles mit viel Charme, Augenzwinkern und schon mal starke Äußerungen, durchaus im Sinnen von „Kindermund tut Wahrheit kund“ – und „dennoch“ immer liebenswert wie liebenswürdig…

Susanne Kuhlendahl, Knesebeck: Virginia Woolf – die Comic-Biografie

Ein durchaus eigener Stil zeichnet diese Graphic Novel aus, in mehrfacher Hinsicht: Da sind die flächigen Wasserfarben, zart-pastellig, wohl auch als Anklang an die Schreibe der biografierten Schriftstellerin. Davon abweichend ihre depressiven Phasen in Schwarz- und Grautönen. Die unterschiedlichen Schriftarten, um dreierlei zu differenzieren: Erzähler in Begleit-Texten (Gemeine), Zitate aus Woolfs Büchern (Versalien) und eher zurückhaltend Dialoge (Versalien in Sprechblasen). Die Panels sind freigestellt, auf Rahmen ist also verzichtet – was zudem im abwechslungsreichen Layout ein leichtes Ambiente fürs Betrachten ergibt… Und wie ist´s mit dem Übertragen des Literarischen ins Zeichnerische? „Das bewegte Leben der Autorin von Orlando, Mrs Dalloway und Ein Zimmer für sich alleine, erstmals umgesetzt als Graphic Novel: Auf feinsinnige Weise zeichnet diese grafische Biografie von Virginia Woolf ein detailliertes Bild einer der literarischen Größen des 20. Jahrhunderts und zeigt, wie eng ihr Leben mit dem Schreiben verwoben war.“ Das gelingt exzellent auch deshalb, weil „Alltag“ gleich mit Projekten abwechselt und eben Text-Zitate die entsprechende Transformation belegen. Konkret spiegelt sich das hier in ihrer Bisexualität, etwa der langjährigen Beziehung zu Vita in ständigem Auf und Ab.

Annette Köhn, Jaja: Verlagswesen.

Die (sic!) gibt´s reichlich in dieser Comic-Story von mehr als 130 Seiten, als Graphic Novel vierfarbig, großformatig, bibliophil gebunden. Und sie kommentieren reichlich, schauen der Künstlerin über die Schulter, soweit das von unten möglich ist: Damit nehmen sie eine Art begleitende Erzähler-Rolle ein, feine Idee… Wie so manch andere: Die Perspektive „hin zu den Lesern“ einnehmen – das Umfeld kennenlernen lassen (Personen siehe S. 4f.) – Zeichner(innen) einzubeziehen – alle Bereiche dieses (und damit „eines“) Verlages erleben zu lassen! Fein, zum 10.: „Anhand eines Tages im Februar 2020 erzählt Annettes Alter Ego, wie alles so beim Jaja Verlag läuft.“ Nebenbei lernt Leser einiges „inside“ – und sei es, dass der Verlagsname bitteschön korrekt mit kleinem „j“ in der Mitte zu schreiben ist, also „Jaja“ statt „JaJa“, was wohl gelegentlich (immer noch) passiert… Wie Falt-Kartons zu falten sind – wieder was gelernt! Oder a bissal selbstkritisch die Rolle einer Praktikantin  … Interessant natürlich auch für beruflich fokussierte Augen, von Kollegen und Kolleginnen durchaus auch jenseits von Comic-Verlagen. Wer Comics mag, ist hier bestens bedient: Vielseitiges Layout mit flächigen, meist eher pastelligen Farb-Tönen, wechselnde Dynamik je nach aktuellem Thema, Panels kreativ ausufernd oder stark strukturiert: Künstlerin am Werk, kaum ums Verlegen verlegen!

 

Janek Scholz

Universität zu Köln (Portugiesisch-Brasilianisches Institut)

André DinizDarkSide Books (Brasilien): Revolta da vacina

Mit „Revolta da vacina“ hat der brasilianische Comiczeichner André Diniz etwas geschafft, was viele sicher für unmöglich halten: Er hat in Zeiten allgemeiner Pandemiemüdigkeit einen Impfcomic vorgelegt, den man gerne liest, der mitreißend ist und der uns viel über die heutige Zeit erzählen kann. Indem er auf historische Geschehnisse rekurriert (die Hygienekampagnen Oswaldo Cruz‘ gegen Pocken, Gelbfieber und Beulenpest im Rio de Janeiro des frühen 20. Jahrhunderts), gelingt es Diniz, ein brandaktuelles Thema zu verhandeln, ohne sich in das Fahrwasser derzeitiger Debatten zu bewegen. Der Protagonist Zelito ist ein junger Zeichner mit großen Ambitionen, der nach dem Tod des Bruders vom Vater mit einer Galgenfrist nach Rio geschickt wird: Sechs Monate habe er Zeit, um zum „besten Zeichner der Welt“ zu werden und eine standesgemäße Verlobte zu finden. Ein ambitioniertes Ziel, das den jungen Zelito immer weiter in einen Strudel aus Verzweiflung und Radikalisierung treibt. Es herrscht ein Klima grassierender Aggression und zunehmenden Unzufriedenheit gegenüber den Pandemiemaßnahmen der Regierung, zu denen auch eine allgemeine Impflicht gegen Pocken zählt, das sich schließlich 1904 in der titelgebenden Revolte entlädt. Diese dient auch dem Protagonisten als Ventil, seiner Wut und Verzweiflung endlich Luft zu machen. Ein Comic, der historisch und doch aktuell ist und der aufgrund seiner detailliert ausgearbeiteten Metaebene auch Comicforschenden vielfältige Anknüpfungspunkte liefert: Nicht nur ist der Protagonist Zeichner und reflektiert folglich kontinuierlich die Möglichkeiten, als Zeitungskarikaturist Fuß zu fassen. Darüber hinaus liefert die Publikation auch einen Anhang mit einem Archiv aus vierzig Karikaturen der Zeit. Ein wahrer Schatz und für mich das absolute Comic-Highlight des ausklingenden Jahres 2021.

 

Lukas R.A. Wilde

Medienwissenschaftler, Universität Tübingen

N.K. Jemisin und Jamal Campell, DC’s Young Animal: Far Sector

Die Verlagsankündigung klang selbst ein bisschen wie Fan Fiction: Mit N.K. Jemisin sollte eine Titanin der ganz großen, konzeptlastigen SciFi-Literatur als Autorin für einen neuen Green Lantern-Titel gewonnen werden. N.K. Jemisin enttäuscht diese Erwartungen nicht und macht etwas komplett Eigenes und Einzigartiges aus den bekannten Prämissen: Mit der neuen Ringträgerin Sojourner Mullein wurde eine faszinierende Figur geschaffen, die in den fernsten Regionen des DC Universums – dem Far Sector – in v.A. politische Abenteuer geworfen wird. 20 Milliarden Bewohner*innen dreier radikal unterschiedlicher Spezies teilen sich hier eine Dyson-Sphäre, in der es dank Emotionsunterdrückungsdrogen seit 500 Jahren zu keinem Gewaltverbrechen mehr kam – bis Lantern Mullein einen grausamen Mord aufklären muss und in einen herrlich illustrierten Malstrom aus Noir-Elementen, Cyberpunk und politischen Intrigen gerät. Ihr eigentliche übermächtiger Ring wurde nicht nur ordentlich gedowngraded – und wird damit wieder spannend; die Konflikte sind ohnehin eher diplomatischer Natur. „Lang lebe Lantern Mullein!“

Devin Grayson und Alitha E. Martinez, Humanoids: OMNI

Und noch eine neue Heldin, auf die man viel zu lange warten musste! Dr. Cecelia Cobbina bringt locker die spannendsten Superkräfte der letzten Jahrzehnte ins Genre ein: Eine neunfache Super-Intelligenz permanent paralleler Denkprozesse, die in einer recht einzigartigen Medienspezifik übersetzt werden: Caption-Boxen unterschiedlicher Farben, die in ständigem Dialog miteinander die Seitenarchitektur durchziehen und den Lesenden unterschiedliche Pfade zwischen logisch-mathematischen, existenziell-philosophischen, empathisch-sozialen, visuell-räumlichen, lingusitisch-semiotischen oder körperlich-kinetischen Kognitionsprozessen anbieten und so einen ständigen, individuell aktualisierbaren „Chor“ erzeugen. Zeichnerin Alitha E. Martinez streut auch noch wunderbare Bildsymboliken und Piktogrammatik mit ein, um Dr. Cobbinas ausufernd komplexes Innenleben auch bildlich zu transkribieren. „What would you do if you could think faster than the speed of light?“

James Tynion IV und Martin Simmonds, Image: Department of Truth

Teils metaphysischer Thriller, teils Crime-Drama, unternehmen James Tynion IV und Martin Simmonds in dieser neuen Serie Spaziergänge in immer tiefere Abgründe altbekannter und hochaktueller Verschwörungstheorien, von der Mondlandung über Flat Earth bis zu Obamas Geburtsurkunden und Pizza Gate – und alles scheint natürlich auf QAnon zuzulaufen…! Tynion IV verdichtet dabei äußerst luzide Erkenntnisse über die mythische Macht dieser Erzählungen zu einem alptraumhaften Gewebe aus Phantastik und Horror, das zu einem guten Teil von Martin Simmonds (nur gelegentlich gegenständlichen) Gemälden und Collagen im Stile Dave McKeans getragen wird, ebenso wie von Aditya Bidikars unwirklichem Lettering. Keine sonderlich leichte Lektüre, und keine sonderlich angenehme, aber vielleicht, erschreckenderweise, eine Serie, die unheimlich viel zum Verständnis des hinter uns liegenden Jahres 2021 beizutragen hat.

COMFOR-LESEEMPFEHLUNGEN 2021 (Teil 1/2)

Alle Jahre wieder: Die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung wünscht ihren Leser_innen  und Freund_innen einen guten Start ins neue Jahr!

Wie jedes Jahr wollen wir den Leser_innen des ComFor-Blogs auch diesen Winter wieder aktuelle Leseempfehlungen von Comicforscher_innen präsentieren. (Die Leseempfehlungen der letzten Jahre finden sich hier.) – Auch 2021 gab es schließlich eine Vielzahl von Neuerscheinungen, die es sich im Blick zu behalten lohnt – obwohl auch in diesem Jahr mal dahingestellt sein soll, ob man nun Homeoffice- und Pandemiebedingt viel oder eher wenig Zeit zum lesen hatte.

Auch dieses Jahr haben wir unsere Mitglieder unter der Redaktion von Robin-M. Aust und Michaela Schober um ganz subjektive Lektüretipps gebeten, die aus den vergangenen zwölf Monaten im Gedächtnis geblieben sind – aus welchen Gründen auch immer.

Da es schönerweise auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl von Einreichungen gab, die natürlich nicht in der Masse untergehen sollen, haben wir uns entschieden, die Leseempfehlungen erneut in mehreren Posts zu präsentieren – der zweite folgt dann in Kürze.

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Jörn Ahrens

Justus Liebig Universität Gießen

Richard Stark/Darwyn Cooke: Parker. Martini Edition.

Offensichtlich sind die Krimis von Richard Stark Klassiker, was ich nicht weiß, weil ich Krimis nur als Film oder Comic genieße. So darf ich endlich Parker kennenlernen, einen klassischen Protagonisten des Hardboiled Crime, mit dem Unterschied, dass es sich nicht um einen Privatdetektiv handelt, sondern um einen Gangster. Die Erzählungen sind gekonnt und clever und literarisch gewiss ein Genuss. Den wirklichen Furor aber erzeugt ganz gewiss die Adaption durch Darwyn Cooke. Cooke zeichnet in scheinbar flüchtigen, aber ungeheuer genau durchkomponierten Strichen. Die fehlenden Rahmenlinien seiner Panels ergeben sich wie von selbst aus den Panelkonturen, manchmal lässt er Linien in seinen Figuren und den Décors weg. Die harten schwarz-weiß Zeichnungen sind lediglich mit jeweils einer Kontrastfolie belegt, die sich nicht zwingend in die Objekte einpasst, sondern eher auf ihnen liegt wie Art Déco. Selten hat ein Zeichner so eindrücklich Bewegung umgesetzt. Bei wehenden Gardinen spürt man regelrecht den Wind, die Figuren bewegen sich in rasanter Geschwindigkeit; Cooke gelingt es, die Bewegungslosigkeit der Comic Panels nahezu aufzuheben. So schafft er zeichnerisch eine exzellente Atmosphäre für seine Kriminalgeschichten und schmiegt sich zugleich der Ästhetik der Erzählzeit an. Cooke ist 2016 mit 54 Jahren früh verstorben. Comics wie diese bräuchte es mehr.

Zidrou/Frank Pé: Marsupilami. Teil 1: Die Bestie.

Die Welle der Hommagen an frankobelgische Comic-Klassiker rollt unaufhörlich. Vor allem die Arbeiten André Franquins scheinen nach Historisierungen zu verlangen. Während Émile Bravo die Biographie Spirous und eine kongeniale Comicgeschichte des Zweiten Weltkriegs in Belgien erzählt (auch neu und toll: Spirou oder: Die Hoffnung. Teil 3), berichten Zidrou und Frank Pé von einem Marsupilami, das 1955 nach Belgien gelangt, in der tristen Nachkriegsumgebung aber nicht heimisch werden kann. Das Belgien in diesem Band ist trist, grau, misanthropisch, sehr klassenorientiert und überhaupt eine tendenziell unmenschliche Umgebung. Man fragt sich, wie in dieser Atmosphäre 1952 das Marsupilami im Spirou-Magazin erstmals in die Welt treten konnte. Im Band lächelt das Tier ein einziges Mal – als es schläft. Zugleich knüpft das Album an Franquins Ambitionen zu einer Zoologie des Marsupilami an und entwickelt behutsam eine Studie über ein mögliches Tier. Pés Zeichnungen sind routiniert und einfühlsam; an die École Marcinelle schließen sie an, ohne sie zu adaptieren. Das Buch hat ein ungewöhnliches, quadratisches Format und ist auf sehr dickem Papier gedruckt, was eher an einen Katalog als an einen Comic denken lässt. Diese Geschichte hat kein Happy End. Dem gebeutelten Jungen, der sich des Marsupilamis angenommen hatte, wird alles genommen. Aber es ist ja erst Teil 1…

Manuele Fior: Celestia

Manuele Fior ist einer der profiliertesten Künstler der jüngeren italienischen Comic Szene und steht v.a. für zeichnerische Umsetzungen seiner Stoffe, die einen stark lyrischen Einschlag haben. Celestia bleibt von der ersten bis zur letzten Seite rätselhaft. Angeblich spielt die Geschichte nach einer großen Invasion, vor der sich einige Menschen in eine Lagunenstadt dieses Namens retten konnten. Das Motiv, Nachkriegsszenarien zu entwickeln, denen man den Krieg nicht ansieht, ist in Italien verbreitet; auch Gipi hat es mehrfach genutzt. In Celestia tauchen weder der Krieg auf noch dessen Folgen. Dafür entwirft Fior eine Welt im und am Wasser, mit Protagonisten, denen wir uns anvertrauen, aber deren Motive wir nicht kennen. Da ist die Gruppe Telepathen, die vom Dottor geführt wird. Dessen Sohn kehrt ihnen den Rücken und zieht bald mit einer Renegatin dieser Gruppe durch die Stadt und die nahe Küstenlandschaft. Die leicht futuristisch inszenierte Welt wirkt verzaubert und bleibt ohne narrative Hintergründe. Die will man auch gar nicht wissen, sie würden nur stören. Vordergründig arbeitet Fior klassisch in Stripzeilen, nutzt aber atemberaubende Perspektiven, entzündet ein Feuerwerk an pastellhaften, meist sonnendurchfluteten Farben. Ein rasantes Buch, das eindrücklich zeigt, weshalb der Comic längst nicht tot ist.

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Dietrich Grünewald
Danijel Žeželj: Rotkäppchen

In düsterem, harten Schwarz-Weiß, stilistisch an expressive Holzschnitte erinnernd, erzählt der kroatische Künstler Danijel Žeželj (* 1966) in seiner Sicht das Grimmsche Märchen. Man muss genau hinschauen und, sich auf die atmosphärischen Zeichnungen einlassend, Panel für Panel, Seite für Seite verbinden und deuten, gewissermaßen im Kopf mitspielen. Žeželj erzählt ohne Worte, nutzt die auch ständig die Perspektiven wechselnde enge, filmische Bildfolge, um hoch emotional und spannend zeigend zu erzählen. Wir verfolgen die Pirsch des Wolfes, parallel Rotkäppchen auf ihren Umwegen durch den dichten Wald zum Haus der Großmutter, wo das Mädchen, abstrakt-symbolisch angedeutet, dem Raubtier zum Opfer fällt; begleiten wiederum parallel den Jäger, der schließlich im offenen Kampf den Wolf stellt und aufspießt, Großmutter und Rotkäppchen befreit… Die Bildfolge wirkt archaisch, mythisch, wenn – so ist mehr zu interpretieren anhand verweisender Bildzeichen als zu erkennen – am Schluss wohl das Mädchen und der Jäger zusammenfinden. Eine besondere Bildgeschichte, auf die sich einzulassen lohnt.

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Michael Heinze

Heinrich Heine Universität Düsseldorf

Ralf König: Vervirte Zeiten.

2020 hat Ralf König sein 40jähriges Comiczeichner-Jubiläum begangen und auch in diesem Jahr noch mit zahlreichen on- und offline veranstalteten Jubiläumslesungen gehalten. Damit gehört er klar zu Deutschlands alteingesessenen Comicautor*innen. Als die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 Fuß fasste, begann König, seinen Fans auf Facebook täglich einen Vier-Panel-Comic zu offerieren, und wieder einmal waren es Konrad und Paul, das Kölner Paar aus intellektuellem Musiklehrer und sex-positivem Freizeitautor, die unser Leben durch die Pandemie begleitet haben.
Seit Jahrzehnten begleitet das Paar nicht nur die schwule Community und erlebt Höhen und Tiefen des Alltags. Wenn auch ein Pandemie-Tagebuch, so ist Vervirte Zeiten doch noch viel mehr. So geht es beispielsweise auch – wie schon im 2017 erschienenen Herbst in der Hose – um das Älterwerden, Lust und Liebe und den Alltag. Da sind die allzu Konservativen, da sind die Diskussionen über Maskenpflicht und Gegendemonstrationen, und wie immer gibt es klare Worte.
Von März bis Oktober hatte König den täglichen Comicstrip 2020 durchgehalten, sich dann aber wieder seinem Tagesgeschäft zugewandt. Doch schon im Februar 2021 erschien dann die Sammlung. Auch stilistisch hat sie einiges zu bieten, da das Vier-Panel-System dem Meister des konzisen Erzählens noch einmal eine neue Grenze auferlegt hat. Und seit einigen Wochen ist nun eine neue tägliche Comic-Reihe auf der Facebook-Seite des Autors zu finden.In «Das Unvermögen» erschafft Andreas Kiener eine futuristisch-dystopische Welt in zarten Pastelltönen. Im 23. Jahrhundert hofft die Eliste, alles Zukünftige – selbst den kleinsten Regentropfen – mittels enormer Computer vorhersagen zu können, während die Ressourcen der Erde aufgebraucht sind. Ihren Anfang nimmt die Geschichte dabei im Gebiet der heutigen Schweiz, was nicht explizit gesagt wird, aber klar zu erkennen ist. Hier macht sich die sechsjährige Ali nach dem Tod ihrer Grossmutter auf die Suche nach ihrer Mutter, die eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Superrobotern gespielt haben muss. Die Reise führt sie nach Abidjan zur grössten Roboterproduktionsfirma. Als Begleiter kann Ali dabei auf ihren potenziell allwissenden Androiden in Gestalt eines lebensgrossen weissen Teddybären zählen. Die Geschichte lebt von der Beziehung dieser beiden, denn Ali muss den hochintelligenten Androiden immer wieder mahnen, ihr die Dinge so zu erklären, dass sie sie verstehen kann. Und obwohl sie aufgrund ihres Alters vieles noch nicht ganz versteht, gelingt es ihr mit Pfiffigkeit und Glück immer wieder, die Regeln zu umgehen, an die der Android sich aufgrund seiner Programmierung halten müsste. Und dann wird seine Batterie knapp … Die detailreichen Bilder laden zum mehrmaligen Betrachten ein, und da die Geschichte noch nicht abgeschlossen ist, ist auf eine Fortsetzung zu hoffen.

Baptiste Bouthier Héloise Chochois. 11 septembre 2001, le jour où le monde a basculé.

„Wo warst Du am 11. September?“ ist eine Frage, die in vielerlei Gesprächen in den letzten 20 Jahren gefallen ist. Und wir erinnern uns alle daran, müssen nicht einmal das Jahr erwähnen. Héloise Chochois und Baptiste Bouthier wählen eine etwas andere Perspektive auf diese subjektiv geprägte Erinnerung, indem sie die 1987 geborene Protagonistin Juliette am 20. Jahrestag des Anschlags nach New York reisen lassen und sich erinnern lassen, wie sie als 14-Jährige den Tag und die Folgen erlebte, an die Reaktionen der Mutter, zum Beispiel, aber auch an ihre Betroffenheit, die dennoch die Frage stellte: „Was bedeutet das alles?“
Erzählt werden Zeitzeugengeschichten, die aus anderen Medien schon hinlänglich bekannt sind, aber der sehr nüchterne Stil des Comics macht diese Erzählungen umso eindringlicher. Andreas Platthaus beklagt – nicht ganz zu Unrecht – in seiner Rezension in der F.A.Z., dass es erzählerisch nicht viel Neues gibt, und dass der Comic seinem Anspruch, eine Chronik zu sein, nicht gerecht werde, weil er nicht darauf eingehe, was in den 20 Jahren dazwischen zum Beispiel in Afghanistan geschehen ist. Platthaus liegt richtig, unterstellt man die Absicht zur Chronik, doch ich würde eher sagen, hier beschäftigen sich der Autor und die Zeichnerin mit dem Funktionieren der Erinnerung, mit Memorialkultur und unserer Wahrnehmung der Dinge in verschiedenen Lebensaltern. Und das tut der Band in herausragender Art und Weise.
Der Comic ist ebenfalls dieses Jahr auf Deutsch unter dem Titel 9/11 Ein Tag, der die Welt veränderte bei Knesebeck in München erschienen.

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Aleta-Amirée von Holzen

Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM

Andreas Kiener: Das Unvermögen

In «Das Unvermögen» erschafft Andreas Kiener eine futuristisch-dystopische Welt in zarten Pastelltönen. Im 23. Jahrhundert hofft die Eliste, alles Zukünftige – selbst den kleinsten Regentropfen – mittels enormer Computer vorhersagen zu können, während die Ressourcen der Erde aufgebraucht sind. Ihren Anfang nimmt die Geschichte dabei im Gebiet der heutigen Schweiz, was nicht explizit gesagt wird, aber klar zu erkennen ist. Hier macht sich die sechsjährige Ali nach dem Tod ihrer Grossmutter auf die Suche nach ihrer Mutter, die eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Superrobotern gespielt haben muss. Die Reise führt sie nach Abidjan zur grössten Roboterproduktionsfirma. Als Begleiter kann Ali dabei auf ihren potenziell allwissenden Androiden in Gestalt eines lebensgrossen weissen Teddybären zählen. Die Geschichte lebt von der Beziehung dieser beiden, denn Ali muss den hochintelligenten Androiden immer wieder mahnen, ihr die Dinge so zu erklären, dass sie sie verstehen kann. Und obwohl sie aufgrund ihres Alters vieles noch nicht ganz versteht, gelingt es ihr mit Pfiffigkeit und Glück immer wieder, die Regeln zu umgehen, an die der Android sich aufgrund seiner Programmierung halten müsste. Und dann wird seine Batterie knapp … Die detailreichen Bilder laden zum mehrmaligen Betrachten ein, und da die Geschichte noch nicht abgeschlossen ist, ist auf eine Fortsetzung zu hoffen.

Bruno Duhamel: Niemals

In «Niemals» nimmt Duhamel die Folgen der Klimaerwärmung als Anlass der Geschichte sowie als dramatische Kulisse. Im bretonischen Fischerdorf Troumesnil lebt die alte Madeleine. Obwohl sie schon über neunzig und von Geburt an blind ist, meistert sie ihren Alltag noch gut allein. Standhaft weigert sie sich, ins Altersheim zu ziehen – selbst wenn der Bürgermeister sie noch so drängt und es dafür einen guten Grund gäbe: Jede Nacht erodieren mehrere Meter Küste, Madeleines Garten ist schon zur Hälfte im Meer versunken. Der Untergang steht buchstäblich vor ihrer Tür, es kann sich nur noch um Tage handeln, bis auch ihr Häuschen ins Meer rutscht. Da Madeleine fest entschlossen ist, ihr Haus niemals zu verlassen, greift der Bürgermeister nicht zuletzt aus Sorge um seinen Ruf zu billigen Tricks – was wiederum Madeleine ergrimmt. Der Zwist nimmt immer absurdere Formen an und persifliert das Beamtentum. Auf dem Höhepunkt des Dramas soll Madeleine in einer stürmischen Nacht mit Zwang aus dem Haus geholt werden. Es gelingt ihr aber, einem der Feuerwehrmänner ihre Beweggründe für ihre Unbeugsamkeit verständlich zu machen. Visuell der ligne claire verpflichtet, lässt Duhamel eindrücklich und mit satirischem Blick Sicherheitsdenken und Selbstbehauptung aufeinanderprallen und wirft Fragen auf, für die es keine einfachen Antworten gibt. Mit Madeleine hat er eine Protagonistin geschaffen, die einem lange im Gedächtnis bleibt.

Serena Blasco, nach Nancy Springer: Enola Holmes 1: Der Fall des verschwundenen Lords

An ihrem 14. Geburtstag wird Enolas Name (rückwärts «alone») zum Programm. Denn ihre Mutter verlässt das Haus und ist nicht wieder auffindbar; selbst Enolas grosse Brüder – keine Geringeren als Sherlock und Mycroft Holmes – kommen nicht weiter. Und mit der auf dem Land aufgewachsenen Schwester wissen die Männer auch nichts anzufangen, ausser sie in eine Töchterschule zu stecken. Zum Glück aber hat ihre Mutter Enola konsequent zur Selbstständigkeit erzogen – und sie hat Hinweise hinterlassen, die nur Enola entschlüsseln kann. Daher reist Enola lieber allein allein nach London, wo sie verkleidet ein eigenes Detektivbüro eröffnet und auf der Suche nach ihrer Mutter nebenbei einen entführten Jungen rettet. Mit Cleverness und Kühnheit lässt das junge Mädchen die gestandenen und in Geschlechterfragen zu Engstirnigkeit neigenden Detektive ziemlich alt aussehen. Die im französischen Original seit 2015 erschienenen Comics halten sich dabei in der Handlung viel näher an der gleichnamigen Buchvorlage (2006–2010, dt. ab 2019) der englischen Autorin Nancy Springer als die Netflix-Verfilmung von 2020 (Regie: Harry Bradbeer). Während das nur von Gaslaternen beleuchtete, dunkle und armutsverseuchte London aus dem Buch im Comic (wie übrigens im Film) kaum sichtbar wird, setzen Serena Blascos schwungvolle, in starken Pastelltönen gehaltenen Aquarellzeichnungen Enolas Esprit und eine gewisse Eigenwilligkeit visuell gelungen um.

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„Kann ein Kater Bar Mizwa machen? Comics als Zugang zu jüdischer Geschichte und Kultur“ als Podcast

Nachdem bereits im September die Vortragsreihe „Kann ein Kater Bar Mizwa machen? Comics als Zugang zu jüdischer Geschichte und Kultur“, des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit stattfand, sind nun einzelne der Vorträge online als Podcast nachzuhören – darunter auch die Beiträge von den Comfor-Mitgliedern Verónique Sina und Martin Frenzel:

 

Ursprüngliche Veranstaltungsankündigung:

Comics sind aus Kunst, (Pop)Kultur, Wissenschaft und Alltag nicht mehr wegzudenken. Die gezeichneten Geschichten haben auf der ganzen Welt eine vielfältige Entwicklung durchlaufen, bewegen sich zwischen allen Genregrenzen und erfinden sich immer wieder neu. Sie werden seit einigen Jahren auch immer häufiger in deutschen Museen ausgestellt, vom Feuilleton rezipiert und in der Folge von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Dennoch haftet Comics noch immer der Ruf an, Bilderbücher für Kinder und trivial zu sein, wodurch das Grenzen sprengende Potenzial, das in ihnen steckt, nicht erkannt wird. Daher möchte der Deutsche Koordinierungsrat (DKR) anlässlich seines Jahresthemas 2021 „… zu Eurem Gedächtnis: Visual History“ über dieses besondere visuelle Medium und seine Möglichkeiten aufklären.

Ausgewiesene Referent*innen beleuchten in einer fünfteiligen Vortragsreihe, wie Comics vielfältige Zugänge zu jüdischer Geschichte und Kultur eröffnen und decken dabei zahlreiche Themenfelder ab. Wie werden im Comic jüdische Identitäten inszeniert und verhandelt? Wie verarbeitete Will Eisner, der „Graphic Novel Godfather“, in seinen Comics jüdische Aspekte und den Antisemitismus? Wie setzten und setzen sich Comickünstler*innen mit der Schoa auseinander und was können wir daraus heute lernen? In welcher Art und Weise lernen wir das sefardische Judentum Algeriens in den Comic-Alben „Die Katze des Rabbiners“ von Joann Sfar kennen? Und schließlich: Wie und mit welchem Erfolg werden Comics in der gegenwärtigen Bildungsarbeit eingesetzt, z. B. an Universitäten oder in KZ-Gedenkstätten? Ermöglichen Comics, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten, so wie es Filme und Literatur tun?

Weitere Beiträge zum Thema finden sich auf dem Soundcloud-Account des DKR.

Publikationshinweis: Authorship in Comics Journalism

Die ComFor freut sich, die Publikation der Dissertation unseres Mitglieds Laura Schlichting ankündigen zu dürfen.

Hier eine Kurzbeschreibung:

„What is Comics Journalism,’ and ‘Why is the author not dead at all?’ Because literature and journalism deal differently with “authorship” and “author,” this work renegotiates these concepts. It analyzes the author’s importance in comics journalism, especially concerning the verification and authentication of the production process. This study gives a broad and extensive overview of the various forms of contemporary comics journalism, and argues that authorship in comics journalism can only be adequately understood by considering the author both on the textual and extratextual level. By combining comics analyses with cultural, sociological, and literary studies approaches, this study introduces the ‘comics journalistic pact,’ which is an invisible agreement between author and reader, addressing issues of narration (‘voice’), testimony (‘face’), and journalistic engagement (‘hands’). It categorizes comics journalism as a borderline genre between literature, culture, art, and journalism due to its interdisciplinary nature.“

Die Dissertation ist Anfang August 2021 auf 391 Seiten im UVK Verlag erschienen.

Weitere Informationen zur Publikation finden Sie hier.

Publikationshinweis: Beyond MAUS. The Legacy of Holocaust Comics

In der Reihe Schriften des Centrums für Jüdische Studien bei Böhlau erschien kürzlich der Band Beyond MAUS. The Legacy of Holocaust Comics. Der von den Comfor-Mitgliedern Ole Frahm und Markus Streb sowie Hans-Joachim Hahn herausgegebene Band versammelt Beiträge zum umfrangreichen Korpus von Bildmedien und Comics, die sich – in vielfältiger Weise – auf den Holocaust beziehen.

 

Beyond MAUS.

The Legacy of Holocaust Comics
Ole Frahm, Markus Streb, Hans-Joachim Hahn (Hrsg.)

Englisch,
420 Seiten
978-3-205-21065-8
44,99€

Der Band ist als gedrucktes Buch sowie eBook verfügbar.

 

 

 

Verlagstext:

Beyond MAUS. The Legacy of Holocaust Comics collects 16 contributions that shed new light on the representation of the Holocaust. While MAUS by Art Spiegelman has changed the perspectives, other comics and series of drawings, some produced while the Holocaust happened, are often not recognised by a wider public. A plethora of works still waits to be discovered, like early caricatures and comics referring to the extermination of the Jews, graphic series by survivors or horror stories from 1950s comic books. The volume provides overviews about the depictions of Jews as animals, the representation of prisoner societies in comics as well as in depth studies about distorted traces of the Holocaust in Hergé’s Tintin and in Spirou, the Holocaust in Mangas, and Holocaust comics in Poland and Israel, recent graphic novels and the use of these comics in schools. With contributions from different disciplines, the volume also grants new perspectives on comic scholarship.

 

Weitere Informationen finden sich auf der Verlagsseite.

Publikationshinweis: Handbuch Polnische Comickulturen nach 1989

  Die beiden ComFor Mitglieder Kalina KUPCZYNSKA, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Literatur und Kultur Deutschlands, Österreichs und der Schweiz der Universität Lódz, Polen, und Renata MAKARSKA, Professorin für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft  Polnisch) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,  Germersheim, bringen nun im Ch. A. Bachmann Verlag im Bereich der Comicforschung einen Band zu Comickulturen in Polen nach 1989 heraus.

Verlagstext:

Erst im 21. Jahrhundert wird der Comic in Polen wirklich als die „neunte Kunst“ wahrgenommen. Diese verspätete Erkenntnis hängt vor allem mit der eigenartigen Entwicklung des Mediums in der Zeit der Volksrepublik Polen zusammen: Es unterlag den staatlichen Zwängen und diente der Unterhaltung und Propaganda zugleich. Ein Austausch mit Comickünstler*innen weltweit war nicht möglich, die ausländischen Produktionen – von der Zensur als Inbegriff des „imperialistischen Westens“ betrachtet – waren im Land kaum erhältlich. Mit der politischen Wende 1989 hat sich die Situation radikal verändert: Nach der anfänglichen Krise des Mediums und der Neustrukturierung des Comicmarktes kam es schließlich nach 2000 zu einem wahren Comic-Boom, der bis heute andauert.

Über diese Entwicklungen berichtet das HANDBUCH POLNISCHE COMICKULTUREN NACH 1989 und gibt den deutschen Lesenden einen Überblick über die mannigfaltige Comickunst in Polen heute: über neue Genres, bevorzugte Themen und wichtigste Comicschaffende sowie ihre Arbeiten.

Daten zur Publikation:
  • Halbleinen mit Schutzumschlag und Lesebändchen
  • 390 Seiten
  • mit zahlreichen, größtenteils farbigen Abbildungen
  • ISBN 978-3-96234-053-7

Weitere Informationen auf der Seite des Verlags finden Sie hier.

Das genaue Inhaltsverzeichnis des Bandes können Sie hier einsehen.

 

Der Band ist nun bestellbar.

Verkündung der Preisträgerin des Martin Schüwer-Publikationspreises 2021

Wir freuen uns, die Preisträgerin des Martin Schüwer-Publikationspreis für herausragende Comicforschung 2021 verkünden zu dürfen!

In diesem Jahr wird der Beitrag Drawing, Redrawing, and Undrawing von Benoît Crucifix mit dem Martin Schüwer-Preis prämiert.

Benoît Crucifix ist Postdoc an der Faculty of Arts and Philosophy der Universität Gent. Sein Aufsatz erschien im September 2020 in dem von Frederick Luis Aldama herausgegebenen „Oxford Handbook of Comic Book Studies“.

Benoît Crucifix’ Beitrag eröffnet anhand einer Trias aus unmittelbar verständlichen Begriffen (Drawing, Redrawing, and Undrawing) ein breites und anregendes Panorama von Comicbeispielen, in denen das Kopieren und Nachzeichnen von Elementen eine zentrale Rolle spielt. Der Aufsatz schließt an das in der Comicforschung zunehmend virulente Interesse an Fragen des Zeichnens und der graphischen Spuren an und rekurriert konzise auf eine Vielzahl an theoretischen Positionen. Damit schafft er einen Überblick über ein Feld, das noch kaum systematisch erfasst wurde, und bereitet den Boden für weitere Forschungen.

Wir gratulieren Benoît Crucifix sehr herzlich zu seinem spannenden Beitrag und freuen uns, ihn mit dem Martin Schüwer-Publikationspreis für herausragende Comicforschung 2021 auszeichnen zu dürfen!

Neben dem Hauptpreis vergibt die Jury in diesem Jahr auch zwei lobende Erwähnungen. Diese gehen an Anne Rüggemeier von der Universität Freiburg für ihren Aufsatz Transformative list-making: challenging heteronormativity and ableism in Ellen Forney’s somatographies sowie an Lukas Wilde von der Universität Tübingen für den Aufsatz Material Conditions and Semiotic Affordances: Natsume Fusanosuke’s Many Fascinations with the Lines of Manga.

Der Beitrag von Anne Rüggemeier ist im März 2020 im „Journal of Graphic Novels and Comics“ erschienen. Der Aufsatz von Lukas Wilde wurde im Frühjahr 2020 in der Zeitschrift „Mechademia: Second Arc“ publiziert.

Während Anne Rüggemeiers Beitrag Ansätze aus der Queer Theory mit einer Disability Studies-Perspektive verbindet, um so intersektionalen Verzahnungen zwischen verschiedenen Strukturkategorien nachzugehen und dabei einen besonderen Fokus auf Sexualität und psychische Erkrankung legt, arbeitet Lukas Wilde in seinem Aufsatz heraus, wie stark sich die japanische Theoriebildung rund um Mangas von westlich geprägter Comicforschung unterscheidet und betont dabei zugleich das Potential einer gegenseitigen Fruchtbarmachung.

Die Jury dankt den beiden lobend erwähnten Kolleg_innen für die Eineichung ihrer Texte gratuliert ganz herzlich zur ihren Beiträgen!

Die ausführliche Laudatio zum Preiträger sowie Weitere Details zu allen drei Beiträgen finden sich ab heute Nachmittag hier.

Einen Festvortrag des Preisträgers Benoît Crucifix gibt es Mitte Oktober im Rahmen der ComFor-Tagung zu hören.

Im Namen der Jury sowie der AG Comicforschung und der ComFor möchte ich mich an dieser Stelle ebenfalls ganz herzlich bei allen Kolleg_innen bedanken, die dieses Jahr einen Beitrag für den Schüwer-Preis eingereicht haben und vielen Dank auch an alle, die Autor_innen und ihre Werke für den Schüwer-Preis 2021 nominiert haben! Schließlich geht ein großes Dankeschön an die Mitglieder der diesjährigen Jury, die nicht nur zahlreiche Aufsätze in den vergangenen Wochen gesichtet und einen Preisträger auserkoren, sondern auch die Laudatio sowie die lobenden Erwähnungen verfasst haben, die Ihr und Sie online (s. oben) nachlesen könnt/können.

Die diesjährige Jury des Schüwer-Preises:

  • Kalina Kupczynska,
  • Dorothee Marx,
  • Joanna Nowotny,
  • Daniel Stein Gesine Wegner

Veranstaltungen der AG Comicforschung im Rahmen der GfM Jahrestagung „Wissensökologie“

Termin:
22.09.2021 - 25.09.2021

Das (vorläufige) Programm der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft „Wissensökologie“, welche vom 22. bis 25. September 2021 am Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck stattfindet, ist nun online abrufbar. Bis dahin ist zwar noch etwas Zeit; wir kündigen die Tagung allerdings jetzt schon an, da die Redaktion ab nächster Woche in die Sommerpause geht.

Die Tagung ist als großteils Präsenzveranstaltung geplant, kann aber, wenn aufgrund der aktuellen Situation notwendig, online stattfinden. Dies wird im September bekannt gegeben. Für jene Teile der Veranstaltung, welche hybrid stattfinden, stehen vor Ort Computer bzw. ein WLAN-Zugang zur Verfügung, wobei aus hygienischen Gründen um die Mitnahme eines privaten Headsets gebeten wird. Vor Ort gelten entsprechende Hygienemaßnahmen sowie die 3G-Regel.

Im Rahmen des AG-Treffens am 25.9. (online) werden auch die neuen Mitglieder der Jury für den Martin Schüwer-Publikationspreis gewählt. Die Verkündung der_des diesjährigen Preisträger_in des Martin Schüwer-Publikationspreises für herausragende Comicforschung findet (inklusive Laudatio) findet am Freitag, 24.9.2021 von 15h-15.30h im Vorfeld der Mitgliederversammlung als hybride Veranstaltung statt.

Hier die Termine der AG-Comicforschung im Überblick:

DISKUTIEREN: Ko-kreatives Wissensbiotop Comicausstellung – Diskussion & Ambulanz (online)
23.9.2021 | 15.30h-17h

PRÄSENTIEREN: Verbindende Ökologien des Comics (ggf. online/hybrid)
24.9.2021 | 13.15h-14.45h

AG-Treffen (online)
25.9.2021 | 11h-11.50h

Die Registrierung zur Tagung erfolgt über die eigens erstellte Plattform ConfTool.

Eine Anmeldung ist auch für jeden Programmpunkt, der besucht wird, im Sinne der Raumplanung unter Pandemiebedingungen dringend notwendig und muss bis 15. August, ebenfalls über ConfTool, erfolgen.

Weitere Informationen finden Sie hier.