Neues aus der ComFor

ComFor-Tagungsband: „Geschichte im Comic“

Vom 4.-6. September 2015 fand an der Goethe-Universität Frankfurt die 10. ComFor-Jahrestagung zum Thema “Geschichte im Comic – Geschichte des Comic” statt. Soeben ist der von Bernd Dolle-Weinkauff herausgegebene erste Tagungsband im Christian A. Bachmann Verlag erschienen. Er trägt den Titel:

Geschichte im Comic

Geschichte im Comic
Befunde – Theorien – Erzählweisen

Bernd Dolle-Weinkauff (Hg.)
Christian A. Bachmann Verlag
328 Seiten
ISBN 978-3-941030-98-5 (Paperback)
~€ 36,00
August 2017

Captain America schlägt Hitler, Prinz Eisenherz fährt nach Amerika, die Digedags reisen nach Rom und Snoopy bekämpft den ›Roten Baron‹ – diese und viele weitere Beispiele zeigen, dass sich Geschichte auf die eine oder andere Weise in Comics einschreibt. Die hier versammelten Aufsätze gehen den medialen Bedingungen, Formen und Funktionen der Darstellung geschichtlicher Ereignisse oder des Rückgriffs auf historische Dokumente in Comics nach. Neben grundlegenden theoretischen Zugängen zu Geschichtscomics fokussiert der Band Erzählweisen des Historischen, Geschichte als Stoff sowie den Schwerpunkt Kriegsdarstellungen.

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Inhalt:

Bernd DOLLE-WEINKAUFF
What Are »Historical Comics«?
On Historical Storytelling in Comics, Manga and Graphic Novels

Christine GUNDERMANN
Zwischen Genre, Gattung und Typus
Geschichtscomics aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive

Jörn AHRENS
Neun Thesen zur Möglichkeit einer Rekonfiguration von Geschichte im Comic

Tanja ZIMMERMANN
Zwischen Dokumentation und Vision
Comiczeichner als Reporter und Seher

Alexander PRESS
Zur narrativen Verwendung kunsthistorischer Vorbilder

Natalie VEITH
The (Neo-)Victorian Rhetoric of Representation and the End of Referentiality in Sebastian O.

Andreas HEIMANN
Ente der Geschichte
Historische Ereignisse in Don Rosas The Life and Times of Scrooge McDuck und ihre narrative Funktion

Carolin FÜHRER
Exemplarischer Versuch einer narratologischen Typenbildung zu Geschichtscomics am Beispiel von Comics und Graphic Novels über die DDR

Maximilian GÖRMAR
»Die Säule des Kommissos«
De- und Rekonstruktion von Geschichte in der Comiczeitschrift Mosaik von Hannes Hegen

Anja LANGE
Daohopak – ein Comicreihe über Kosaken als Teil der Identitätsbildung der Ukraine

Lukas SARVARI
Feudalismus – Moderne – Weltkrieg
Geschichtsbilder in drei Gekiga von Kazuo Kamimura

Hans-Joachim BACKE
The League of Extraordinary Gentlemen as (Cultural) History

Michael F. SCHOLZ
Historiencomics im Zeichen schwedischer Neutralitätspolitik 1942/43

Markus OPPOLZER
John Lewis’s March – Promoting Social Action through Comics

Sándor TRIPPÓ
Die DDR-Vergangenheit in Comics und Graphic Novels

Matthias HARBECK
Comics als Gegenstand der historischen Stereotypenforschung

Frank ESTELMANN
Du weißt nichts, Jacques Tardi
Phantasmagorien des Ersten Weltkriegs im französischen Gegenwartscomic

Christina CHAPPELOW
Hitler und die Moral der Geschichte
Über Mizuki Shigeru und seinem Manga Gekiga Hittorâ

Sylvia KESPER-BIERMANN
Bildergeschichten gegen den Krieg
Comics und Friedensbewegung in den 1970er und 1980er Jahren

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Events in der Sommerpause

Die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung verabschiedet sich in die Sommerpause. Daher wird es bis zum Montag, den 25. September, keine regelmäßigen Updates geben. Hinweise auf neue Ausstellungen und aktuelle Calls for Paper lassen sich aber weiterhin hier finden.

Zudem möchten wir auch noch auf einige unmittelbar anstehenden Events hinweisen: Noch bis zum 5. August findet in Siegen die Summer School „Transnational Graphic Narratives“ statt, die von den ComFor-Mitgliedern Daniel Stein und Lukas Etter veranstaltet wird. Vom 30. August bis zum 8. September findet in Köln im Rahmen des Summer Institute Cologne [sic!] 2017 ein englischsprachiges Seminar zum Thema „Visual Narration: Seeing Is Believing: Evidentiality in Visual Narration“ statt. Dieses wird gemeinsam organisiert und abgehalten von Patrick Noonan (Northwestern University) und dem ComFor-Vorsitzenden Stephan Packard (Universität Freiburg/Universität Köln).

Die Redaktion bedankt sich bei allen Leser_innen und wünscht eine schöne Sommerzeit!

ComFor-Tagungsband erschienen: „Comics an der Grenze“

Vom 25.-28. September 2014 fand an der Humboldt-Universität zu Berlin die 9. ComFor-Jahrestagung zum Thema “Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten” statt. Soeben ist der von Matthias Harbeck, Linda-Rabea Heyden und Marie Schröer herausgegebene Tagungsband im Christian A. Bachmann Verlag erschienen. Er trägt den Titel:
Comics an der Grenze_Klein

Comics an der Grenze:
Sub/Versionen von Form und Inhalt

Christian A. Bachmann Verlag
348 Seiten
ISBN 978-3-941030-68-8 (Paperback)
~€ 36,00
Februar 2016

Der Begriff der Grenze stand in seiner Ambivalenz von gleichzeitiger Trennung und Verbindung im Zentrum der Jahrestagung für Comicforschung 2014. Denn auch der Comic ist ein Medium, das in mehrfacher Hinsicht Grenzen setzt, ausreizt und überschreitet, nicht nur die zwischen Hoch- und Populärkultur. In formaler Hinsicht verwischt er die Unterschiede zwischen Schrift und Bild, Medien und Künsten und bricht mit stilistischen Konventionen. Inhaltlich setzen Comics zunehmend auf ihr subversives Potential, um gesellschaftliche und psychische Grenzbereiche zu thematisieren: Immer mehr Werke befassen sich mit class, race und gender sowie mit fragilen Selbstbildnissen. Auch die weniger abstrakten geografischen Grenzen werden ganz konkret von Comics überwunden: Sie werden global vermarktet, beeinflussen Kulturbereiche jenseits der eigenen nationalen Grenzen und werden in internationaler Arbeitsteilung hergestellt. Der vorliegend interdisziplinäre Band beleuchtet Versionen von Grenzen und Grenzüberschreitungen im und durch den Comic aus verschiedenen Perspektiven und anhand unterschiedlichster Beispiele.

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Inhalt:

Michael F. SCHOLZ:
US-Comics erobern Europa
Zur Geschichte eines Kulturexports von der Jahrhundertwende bis zur Mitte der 1930er Jahre

Michael CHANEY:
On the Nature of the Boundary in Comics Memoir
The Case of March

Roger SABIN:
Ally Sloper meets Jack the Ripper
comedy and fear in the 19th century

Angela GUTTNER:
Funktionen von Grenzen in Israel-Palästina-Comics

Lukas R.A. WILDE:
Comics|Piktogramme
Mediale Transformationen der »Sprache« des Comics

Jakob KIBALA:
Edukative Grenzüberschreitung
Text-Bild-Verweise in The League of Extraordinary Gentlemen

Stephan PACKARD:
Sagen und Sehen jenseits von Schrift und Bild
Aufteilungen des Sinnlichen im Comic

Christina Maria KOCH:
Comic-Grotesque Metamorphoses
Boundaries between Illness and Health in Ken Dahl’s Monsters

Anna BECKMANN/Anastasia BLINZOV/Olaf BRAUN/Christian TISCHER:
de_konstruierte Identität
Aushandlungen von gender in der Hure h von Anke Feuchtenberger und Kathrin de Vries

Andreas HEIMANN:
Lieber Anti als Held
Wiederholen und Werden als Leitmotive in Charles Burns’ Black Hole

Katharina KÜSTNER:
Jugendliche Comiczeichner_innen und die Aushandlung von Sexualität und Geschlecht

Kai LINKE:
Defying Borders
Building Homes in the Borderlands in Jaime Cortez’s Sexile

Merle Koch:
Grenzen zwischen Traum und Realität
Von Etablierung, Überschreitung und Auflösung der Grenzen zwischen erzähltem Traum und erzählter Realität

Julia INGOLD:
»Ab und zu wird diese Grenze übertreten. Aber nur in eine Richtung.«
Versuch einer Allegorese von Markus Färbers Reprobus

Dietrich GRÜNEWALD:
Erinnern ist Leben
Intersubjektive Grenzüberschreitungen. Dargestellt am Beispiel des Comicromans Adalén von Miguelanxo Prado

Forever People: A Conversation with Black Kirby

Beate WILD:
comiXconnection mit und gegen Grenzen
Ein Projekt zum independent comic in Slowenien, Kroatien, Serbien, Rumänien, Ungarn sowie Bosnien und Herzegowina

Stefan NEUHAUS:
Grenzenlos: Comics im Unterricht –
(Fach-)Grenzen überschreitend
Die Fachtagung des BDK, Fachverband für Kunstpädagogik, Landesverband Berlin am 26. September 2014

Ole FRAHM:
Für die Fußnote

ComFor-Leseempfehlungen 2016

Die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung wünscht ihren Leser_Innen  und Freund_Innen nachträglich noch einmal einen guten Jahresstart. Auch zu diesem Jahreswechsel findet man sie überall, die Jahresbestenlisten. Die ComFor möchte sich erneut beteiligen (hier geht es zu Leseempfehlungen der Vorjahre). Wir haben unsere Mitglieder um ganz und gar subjektive Leseempfehlungen gebeten, die aus den vergangenen zwölf Monaten im Gedächtnis geblieben sind – aus welchen Gründen auch immer. Hier also einige Notizen zum Comicjahr 2016:

Ole Frahm

Literaturwissenschaftler, Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) Hamburg

van DrielGuido van Driel: Als wir gegen die Deutschen verloren haben

Sind Comics ein besonders geeignetes Medium für die Darstellung von Erfahrungen mit Gewalt? Nach der Lektüre von Als wir gegen die Deutschen verloren haben lässt sich sagen: ja, nicht zuletzt weil die gezeichnete, hier gemalte, pastose Bildserie als Tableaus eine Distanzierung erlaubt, in der Traum und Wirklichkeit, Projektion und Materialität seltsam gleichwertig und kritisierbar werden. Das Unwirkliche unserer Wirklichkeit und ihrer Geschichte wird erinnerbar – van Driel erzählt es berdrängend genau. Schon 2002 in den Niederlanden erschienen ist der Band in diesem Jahr endlich auf Deutsch veröffentlicht worden und wirkt so aktuell und überzeugend, als sei er gerade erst produziert.
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MeurisseCatherine Meurisse: Die Leichtigkeit

Sind Comics ein besonders geeignetes Medium für die Darstellung von Erfahrungen mit Gewalt? Nach der Lektüre von Catherine Meurisse Buch Die Leichtigkeit läßt sich sagen: ja, nicht zuletzt weil das gezeichnete Bild eine Distanzierung erlaubt, in der noch das grausamste Geschehen – wie das Massaker, bei dem ein großer Teil der Redaktion von Charlie Hébdo ermordet wurde – mit einem Witz in Rabelaischer Tradition tradiert werden kann. Das ist auch eine Strategie gegen den um sich greifenden identitären Wahn unserer Tage. Dabei ermäßigt Meurisse nichts, der Schrecken, der Schock, das Unwirkliche des Geschehens treten in ihren karikaturesken Zeichnungen deutlich hervor – und beweisen die Kraft der Karikatur und des seriellen Bildes, deren Wiederholungen nicht nur Bearbeitungen des Traumas erlauben, sondern auch manchen Scherz.
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GottfredsonFloyd Gottfredson: Mickey Mouse Vol. 5: ‚Outwits the Phantom Blot’

Sind Comics ein besonders geeignetes Medium für die Darstellung von Erfahrungen mit Gewalt? Nach der Lektüre von dem fünften Band der wiederveröffentlichten Tagesstrips von Mickey Mouse läßt sich sagen: nein. Zwar treten die Deformation der Menschen der kapitalistischen Gesellschaft in Floyd Gottfredsons Zeichnungen deutlich zu Tage, aber die Gewalt, die der Rassismus der 1930er in den Südstaaten bedeutet, wird kaum durch die Kannibalen mit gebrochenen Südstaatenakzent – oder wie Gottfredson schreibt: „cannibals who speak English with a colored accent“ – reflektiert. Da hilft es auch nicht, dass diese Darstellung gerahmt ist: sie findet als Film von Disney in einem Studio statt (und erinnert an den ersten Strip von Mickey Mouse, den Disney geschrieben hat und in dem es auch Kannibalen gibt). Diese Wiederveröffentlichung ist zwar eingeleitet, aber die Kommentare machen vor allem deutlich, wie wenig entwickelt die Comic-Wissenschaft hinsichtlich philologischer Editionen ist. Und so wird auch nur hagiographisch kommentiert, warum die Augen von Mickey am 22.12.1938 von einfachen schwarzen Pupillen in den beiden Rundungen ihres Gesichts zu kleineren Augen werden, wodurch die Rundungen ihre Bedeutung verlieren, und zwar genau in dem Strip, in dem der rassistische Film beginnt. Sehen wir Mickey seitdem nurmehr als Schauspieler, der – wie gegen den agilen Tintenfleck Phantom – alle möglichen Rollen annimmt?
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Dietrich Grünewald

Kunsthistoriker, Emeritus Universität Koblenz-Landau, ehem. 1. Vorsitzender der ComFor

Ich möchte auf zwei Comics hinweisen, die ich mit großem Vergnügen gelesen habe und die ich gerne empfehlen möchte. Beide legen neben der Geschichte besonderen Wert auf eine adäquate Visualisierung:
Smolderen Clerisse
Alexandre Clerisse und Thierry Smolderen: Ein diabolischer Sommer

In Ein diabolischer Sommer erzählt ein Icherzähler ein einschneidendes Erlebnis aus seiner Jugend, das damit endet, dass sein Vater spurlos verschwindet. 20 Jahre später publiziert er die Erinnerung, trifft seine alte Jugendliebe wieder und erhält durch sie Hinweise, die das mysteriöse Geschehen aufklären. Die Geschichte entpuppt sich als spannende Agentengeschichte mit überraschendem Ausgang. Der Reiz des Bildromans liegt in seiner Gestaltung. Das Jugenderlebnis spielt sich 1967 ab – und der Zeichenstil greift wunderbar die bunte Illustrationswelt dieser Zeit auf, wie wir sie z. B. aus Kaukas Münchhausen, aus Bilderbüchern und Zeitschriften kennen, eine bunte glatte Farbenwelt, die mit der Pop-Art und ihr verbundenen Comics wie Jodelle korrespondiert. Nicht nur Architektur, Einrichtung und Kleidung spiegeln die 1960er Jahre, so manche Szene erinnert an die Motive David Hockneys, wobei die Landschaftsdarstellungen mit ihren sich in die Bildtiefe windenden Straßenverläufe seine grandiose Bildwelt aus den 1990er Jahren zitiert und damit eine Brücke über die Zeit schlägt. Und dann ist da noch Diabolik- der maskierte Dunkelmann aus der italienischen Comicserie um den 1962 von Angela und Luciana Giussani erfundenen und von Luigi Marchesi gezeichneten Gentlemen-Verbrecher, der im Geschehen auftaucht… So ist die Geschichte mit ihrem Verweis auf Diabolik und auf das Magazin Pilote auch eine Hommage an frühe Comiclektüre.
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LehmannMatthias Lehmann: Die Favoritin

Lehmann erzählt aus der Perspektive der kleinen Constanze, die isoliert von der Außenwelt in einem Schloss aufwächst, unter der Fuchtel einer gewalttätigen Großmutter und eines passiv-erduldenden Großvaters. Doch Constanze ist tatsächlich ein Junge, dem die Großmutter die Mädchenrolle aufzwingt. Das erinnert an Rilke, den die Mutter im Verlustschmerz über die verstorbene Schwester in eine Mädchenrolle drängte; wie einst Rilke muss auch „Constance“ Mädchenkleidung und lange Haare tragen. Der historisierende Aspekt wird durch die Visualisierung aufgegriffen. Die Zeichnungen wirken ein wenig wie alte Holzstiche, ihr Schwarz-Weiß trägt den bedrückenden Charakter der Geschichte, was wiederum durch absurd-witzige Elemente und die cartoonhafte Darstellung der Akteure, gebrochen wird. Realität und Fantasie, Wunsch und Konstruktion greifen ineinander. Das zeigt sich in Dramaturgie und Layout, in zahlreichen Bildmetaphern und Bildzitaten (wie Ary Scheffers Tod Géricaults, 1824), in den ohnmächtigen Gewaltfantasien „Constances“, der Einbeziehung von Comic-, Film- und Literaturlektüre (Goethes Leiden des jungen Werther) ins Kinderspiel. Wenn „Constance“ den Kindern des portugiesischen Hausmeisterpaares mit einer Maske begegnet, so spielt das auf raffinierte Weise mit der Doppelbödigkeit der Situation, und ihre Demaskierung (was die getragene Maske wie die aufgezwungene Mädchenrolle betrifft) veranschaulicht Leid und Tragik „Constanzes“, die – wie sich dann zu Ende der Geschichte herausstellt – eigentlich Maxime heißt und als Zweieinhalbjähriger geraubt worden war…
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Thomas Hausmanninger:

Christliche Sozialethik, Universität Augsburg

Dorison Allart Xavier Dorison und Thomas Allart: HSE – Human Stock Exchange 1-3

Xavier Dorisons Comics sind bei uns vor allem durch den Erfolg von Das Dritte Testament bekannt geworden und daher häufig auch in Deutsch übersetzt. Bei diesem Dreiteiler fehlt leider (bislang?) die deutsche Ausgabe. Dorison präsentiert darin eine Art Social Science fiction, in der er die neoliberale Konzeption der Marktwirtschaft und die Konsequenzen eines deregulierten Börsenkapitalismus weiter denkt: Die Börse war einst eine Erfindung, die die Acquisitation von Kapital für Unternehmen durch Ausgabe von Anteilsscheinen ermöglichen sollte und in der Folge diese Anteilsscheine selbst als auf dem Markt handelbare Ware betreute. Ausgehend von einem realen Fall lässt Dorison, selbst Absolvent einer Elite-Wirtschaftsschule, nun einzelne Personen und ihre wirtschaftlichen Unternehmungen börsennotierbar werden. Seine Hauptfigur Felix Fox, tätig als Verkäufer im Call Center eines Automobilproduzenten, versucht diese Chance zu nutzen und muss erfahren, was es bedeutet. wenn der Mensch als Ganzer nur noch durch die ökonomische Brille betrachtet wird. Die französische Gesellschaft der Zukunft wird von Dorison als extreme Klassengesellschaft mit über 50% Arbeitslosigkeit gezeichnet, in der die Bürger*innen in ökonomisch aufgeteilten, von paramilitärischen Truppen bewachten Zonen leben. Treffend zerlegt der Autor dabei die Stereotypen neoliberaler Ideologie.
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Rodolphe MarchalBertrand Marchal und Rodolphe: Memphis 1-3

Durch die Zusammenarbeit mit Leo am Universum von Kenya und Namibia steht der Name Rodolphe in letzter Zeit mehr und mehr für phantastische period pieces, also in einer zurückliegenden Epoche mit recht authentischer Zeitgeschichte angesiedelter Erzählungen, die Historie und Phantastik miteinander verweben. Bertrand Marchal und sein ausgezeichneter Colorist Sebastien Bouet setzen mit Memphis nun eine Geschichte in scheinbar den 1960er Jahren in den USA um, bei der sich zunehmend zeigt, dass man sich mitnichten in dieser Region und Zeit befindet. Verschwörungstheoretische Elemente und eine an Rätseln orientierte Narration sorgen für Spannung in einer angenehm langsam und sorgfältig erzählten Geschichte, die als Krimi beginnt und als Science fiction endet. Sebastian Bouets Lichtführung in den Farben ist – wie schon in Namibia – erneut ein Augenschmaus.
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Philippe Richelle u.a.: Les mystères de la … republique

Richelle Philippe Richelle hat sich einen Namen gemacht durch seine beiden vorangehenden Serien Sectrets bancaire und Secrets bancaire USA, in denen er – ähnlich Dorison, aber in der aktuellen Zeitgeschichte platziert – die Folgen des Finanzkapitalismus durchbuchstabiert. Mit den drei parallel laufenden Serien Les mystéres de la – triosième, quatrième, cinquième – republique arbeitet er nun die Zeitgeschichte Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Alle drei Serien sind außerordentlich lesenswert, werden aber wegen ihrer ausschließlichen Konzentration auf die französische Geschichte kaum je übersetzt werden. Es handelt sich jeweils um Krimis, die fokalisiert auf jeweils einen Kommissar als Hauptfigur durcherzählt werden. Skandalöse politische Hintergründe werden dabei stets aufgedeckt, die die Hauptfiguren mit der politischen Zeitgeschichte konfrontieren. Richelle geht mit Frankreich sehr kritisch ins Gericht. Wer Es war einmal in Frankreich hierzulande geschätzt hat, wird mit diesen drei Serien gut und spannend bedient sein. Zeichnerisch leisten Pierre Wachs, der hier einen fließenden Pinselstrich pflegt, und François Ravard, der ähnlich arbeitet, in zwei der drei Serien detailreiche, atmosphärische Bilder. Alfio Buscaglia, der die mittlere Serie zeichnet, bleibt leider hinter den beiden anderen zurück.
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Stephan Packard

Juniorprofessor für Medienkulturwissenschaft in Freiburg, 1. Vorsitzender der ComFor
King Walta
Tom King, Gabriel Hernandez Walta und Jordie Bellaire: The Vision

Superheldencomics habe ich an dieser Stelle schon öfter empfohlen. Die Geschichte, die Tom King hier in 12 Episoden anspinnt und zu Ende bringt, ist auf den ersten und auf den dritten Blick auch einer. Auf den ersten, weil der Protagonist Marvels Superheld The Vision ist: ein vom bösartigen Ultron geschaffener und später zum Guten bekehrter Androide, Mitglied der Avenger, und bisher siebenunddreißigmal Retter der Welt, wie wir in der neuen Serie vorgerechnet bekommen.
Auf den zweiten Blick erweist sich die Erzählung als subtile und perfekt skandierte Tragödie. Ihre meisten Szenen spielen in dem amerikanischen Vorstadthaus, in dem die künstliche Familie, die der Androide sich gebaut hat, scheitert. Die empfindsame Komposition läuft ruhig und nachdenklich ab und raubt den Atem. Zugleich bietet sie beste Hard SF, die noch einmal präzise die bekannte und wieder aktuelle Frage nach dem künstlichen Menschen als Frage nach dem Menschen überhaupt stellt. Eine Antwort auf diese Frage kann ja Liebe lauten. Wie das unerbittlich schiefgeht, steht hier.
Mit Kings genialem Arrangement des Sujets und seinem Wort für Wort perfektem Text (unbedingt im Original lesen!) spielt die graphische Brillanz zusammen: Waltas scheinbar sachliche Zeichnungen treffen jeden emotionalen Ton exakt, und Bellaires gedämpfte Farben kehren die künstliche Pose der Androiden dort hervor, wo sie die verzweifelte Bemühung um authentische Affekte besonders menschlich macht. Dass es allen dreien in Plot, Wort und Bild dann gelingt, auf den dritten Blick auch noch der ganzen Vorgeschichte der Hauptfigur aus mehreren Jahrzehnten populärer Superheldencomics gerecht zu werden, kann man wahrscheinlich erst glauben, wenn man es selbst liest.
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Lukas R.A. Wilde

Medienwissenschaftler, Universität Tübingen

BaitingerMax Baitinger: Röhner

Meine erste Begegnung mit Max Baitingers gleichermaßen brachialer wie subtiler Befindlichkeitsstudie fand in der Erlanger Schuhstraße statt, in der Rotopol während des Comic-Salons eine hübsche kleine Ausstellung arrangiert hatte. Es war aber weniger der Vernissage-Sekt und nicht einmal die Anwesenheit des Künstlers, die mich hinein gelockt hat, sondern eine etwas grummelige Bemerkung eines Erlanger Passanten: „Jetzt stelle’se do schon Gebrauchsanweisungen aus!“ Der aufgeräumte Minimalismus in Baitingers zweitem längeren Werk (nach einer grandiosen Heimdall-Neuinterpretation) ist aber durchaus kein Selbstzweck. Es geht um die pedantischen Zwangsneurosen, die festgelegten Flächen und geordneten Abläufe einer Großstadtexistenz, in die eine Art Naturgewalt namens „Röhner“ einbricht – der „Freund von früher“, den man nicht mal seinem ärgsten Feind wünscht, obwohl er doch eine absolut nette Type ist. Und es gibt ja noch die Frau von Nebenan, und alle Dreiecks-Geometrien dazwischen. Von „unterkühlten Punchlines“ schrieb Oliver Ristau in seiner Kritik, das trifft es recht genau: aber nicht nur sprachlich so perfekt geschliffen, dass keine Silbe Verschleiß bleibt, sondern eben auch in der Bildersprache, die Räume und Gegenstände ständig mit aberwitzigen Metamorphosen bedroht. Das Alltägliche und das Surreale – am Ende ist man sich tatsächlich nicht mehr sicher, warum man beides je für Gegenpole hielt.
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BonhommeMatthieu Bonhomme: Der Mann, der Lucky Luke erschoss

Apropos Comic-Salon: Von all den wiederkehrenden Gesprächsthemen dieses Salon-Jahres ist mir ein etwas alberner Running Gag in besonders guter Erinnerung. „Also dieser Matthieu Bonhomme… Ein guter Mann!„, „Wirklich, ein guter Mann, muss man sagen!“ Scherz beiseite, Bonhomme ist sogar ein ganz großartiger Mann, dem hier etwas wirklich Wunderbares geglückt ist! Überzeugende Nebenfiguren, Italo-Western, kritische Mythen-Reflexion… zu all dem Lob, das dieser Überraschungs-Band bereits erhalten hat, lässt sich nichts hinzufügen. Besonders raffiniert fand ich, dass alles, was man über die Figur „Lucky Luke“ zu wissen glaubte, in Bonhommes Welt selbst Hörensagen-Status hat; quasi die Lagerfeuer-Folklore eines etwas romantisch-überschwänglichen Biographen. Bei Bonhomme zieht niemand schneller als ein Schatten, aber jeder möchte (natürlich!) weiter daran glauben. Und wenn keine Zigaretten mehr geraucht werden können, dann aufgrund von allzumenschlicher Ressourcenverknappung, gemeinen Regenschauern und plötzlichen Windstößen. Auf den Nikotinentzug folgt dann auch unvermeidlich der Zitterich, da ist es mit schnellem Ziehen ohnehin vorbei. Man liest unweigerlich ein wenig mit hinein, wie etwa Tim und Struppi unter einem Bonhomme’schen Weltfilter aussehen könnten…
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Millar QuitelyMark Millar und Frank Quitely: Jupiter’s Legacy

Apropos Dekonstruktion: Ich bin selbst sehr überrascht, dass ich mich noch einmal auf Mark Millars (gefühlt ca. 7000ten) Entwurf einer Superhelden-Entmantelung einlassen konnte. „Was, wenn Menschen in bunten Kostümen die Realpolitik der Gegenwart übernehmen und ein totalitäres Regime zur Weltenrettung errichten würden?“: Von Watchmen über Kingdom Come bis zu The Authority, eigentlich wäre kein Element dieser wilden, genre-reflexiven Collage nicht bereits in den 1990ern in den Tropen-Baukasten eingegangen und längst bekannt. Aber es liegt nicht nur an Frank Quitelys weiterhin atemberaubender Inszenierung, dass es sich hier – einmal mehr, diesmal wirklich, jetzt aber! –“larger than life“ anfühlt. Vielleicht paradoxerweise, weil Millar hier gar nicht größer schreiben will als das Leben. Es sind doch die ganz kleinen Geschichten der sorgfältig ausgearbeiteten Nebenfiguren, die sich am stimmigsten anfühlen. Der leider schon etwas gewohnte Zynismus des Autors lässt hier endlich wieder viel Platz für anderes, für das Licht am Ende des Tunnels, für eine Familien-Saga über drei Generationen, für leise Töne und unverhohlenes Mitfiebern! Endlich wieder mehr als eine Vorlage für actionreiche Verfilmungen (die paradoxerweise vermutlich genau darum auch einen großartigen Film abgeben könnte)! Man darf tatsächlich gespannt sein, ob die Schöpfer diese Töne länger durchhalten.
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Letzter Post 2016

Peanuts New Year
Wie jedes Jahr verabschiedet sich die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung hiermit für eine kurze Feiertagspause. Wir wünschen allen unseren Mitgliedern und Freunden einen guten Rutsch und ein erfolgreiches Jahr 2017 mit vielen spannenden Leseerlebnissen. Ab dem 9. Januar 2017 sind wir wieder mit regelmäßigen Neuigkeiten zur Comicforschung zurück. Wie gewohnt werden wir das Jahr dann erneut mit einigen Primärliteratur-Leseempfehlungen von ComFor-Mitgliedern eröffnen.
Frohe Feiertage,

Alexandra Hentschel, Julia Ingold, Ulrich Koch, Laura Oehme & Lukas Wilde

Die neue ComFor-Redaktion stellt sich vor

Nach langen Jahren der ComFor-Redaktionsarbeit verabschieden wir uns von Nina Heindl (Köln), die sich neuen Herausforderungen zugewandt hat. Nina hat uns nicht nur seit November 2013 über deutschsprachige und internationale Call for Papers auf dem Laufenden gehalten und zahlreiche ComFor-Kolumnen für Comicforum.org verfasst, sondern die gemeinsame Redaktionsarbeit auch überaus angenehm gemacht. Da unser Team sich im gleichen Zug aber auch über Verstärkung freuen kann, wollen wir die Gelegenheit nutzen, Ihnen und euch kurz die neue ComFor-Redaktion vorzustellen.

Alexandra HentschelAlexandra Hentschel:

Ich bin seit Februar 2013 Museumsleiterin des Erika-Fuchs-Hauses | Museum für Comic und Sprachkunst. Zum Comic bin ich als Quereinsteigerin gekommen. Ursprünglich bin ich Kulturwissenschaftlerin (Studium in Göttingen, Paris und Hamburg mit Zusatzqualifikation Museumsmanagement), promoviert habe ich über bürgerschaftliches Engagement im Museum. Zuletzt war ich in Hamburg am Kindermuseum und als Dozentin für Museumsmanagement/Museumsgeschichte tätig. Als Museumsleiterin eines Comicmuseums finde ich es faszinierend, wo nun überall Comicausstellungen gezeigt werden, weshalb ich gern diesen Bereich übernehme.

Julia IngoldJulia Ingold:

Ich habe Französisch, Kunst­geschichte und Germanistik in Hamburg, Paris und Kiel studiert. Meine Bachelor­arbeit ver­fasste ich zum Thema Zeichentheorie und Poetik in Craig Thompsons »Habibi«. Im Wintersemester 2015/16 lehrte ich als Gastdozentin am Department of German der University of Mumbai. Nun promoviere ich über Else Lasker-Schüler am Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien in Kiel, wo ich seit dem Wintersemester 2016/17 an der Lehre beteiligt bin. Ich wohne aber die meiste Zeit in Fürth und lehre ab dem Sommersemester 2017 auch an der FAU Erlangen-Nürnberg. Ich freue mich, Sie und euch ab jetzt über Comic-CfPs auf dem Laufenden zu halten!

Ulrich KochUlrich Koch:

Ich, Jahrgang 1966, habe Deutsche Sprache und Literatur, Deutsche Geschichte und Politische Wissenschaften an der Universität Köln studiert. Im zarten Alter von gerade mal 6 Jahren wurde ich durch die erste Begegnung mit einem Comic von der Leidenschaft für die bunte und phantastische Welt der Comics erfasst, die ungebrochen bis heute anhält. Als begeisterter Comicleser und -sammler sowie auch Krimifan habe ich dementsprechend meine Examenasarbeit im Fachbereich Germanistik zum Thema Der Comic-Detektiv. Eine genretypologische Analyse von Detektion im Bild-Zeichen-System gezeichneter Kriminalerzählungen verfasst. Das Subgenre Krimi-Comics gehört nach wie vor zu meinen Comic-Arbeits- und Themenschwerpunkten. Daneben halte ich verschiedentlich öffentliche Vorträge über Comics, unterrichte Kinder, Jugendliche und Erwachsene in den faszinierenden Darstellungsweisen, Themengebieten sowie historischen wie inhaltlichen Spezifika der Gattung Comic. Meine redaktionelle Tätigkeit im Rahmen der ComFor umfasst die Betreuung der Socialmedia-Plattformen Facebook und Twitter, um die Wissenschaft vom Comic einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mein Lieblings-Comic-Zitat lautet übrigens: »Hü, Blitz! Hü, Donner, Hü…äh…Dingsda! Nanu, ich dachte, ich kenne alle Gäule von Wells Fargo?« 😀

Laura OehmeLaura Oehme:

Ich promoviere seit 2012 an der Universität Bayreuth zum Thema Risk Technologies and Global Catastrophe in Contemporary American Graphic Narrative. Im Rahmen dessen war ich dieses Jahr für einen Archivaufenthalt in Kalifornien an der UC Riverside und durfte tagein, tagaus Science Fiction-Comics lesen. Durch meine Dissertation liegt mein aktueller Forschungsschwerpunkt eben bei amerikanischen Science Fiction-Comics und wie diese globale, katastrophale Risiken (»global catastrophic risk«) verhandeln. Ich promoviere in der Amerikanistik und habe in Bayreuth bereits zwei Lehrveranstaltungen (inkl. abschließendem Workshop) zum Thema Comics veranstaltet. In der ComFor-Online-Redaktion bin ich nun schon seit 2014 aktiv und gestalte mit Lukas Wilde zusammen die regelmäßigen Wochen-Posts.

Lukas R.A. WildeLukas R.A. Wilde:

Medienwissenschaftler an der Universtät Tübingen und seit September 2013 Mitglied des ComFor-Medaktionsteams. Meine Magisterarbeit (Studium Medienwissenschaft, Japanologie und Philosophie) drehte sich bereits um das Webcomic XKCD. Seither war ich hauptsächlich mit einer Dissertation zur ›Mangaisierung‹ öffentlicher Räume in Japan und der Implementierung von ›Figuren‹ (kyara) in funktionaler Kommunikation beschäftigt. Ich bin nun Mitarbeiter am Lehrstuhl Medieninnovation & Medienwandel der Tübinger Medienwissenschaft und Dozent im International & European Studies Program. In der ComFor-Redaktion führe ich die Korrespondenz, verfasse ComFor-Kolumnen und gestalte mit Laura zusammen die regelmäßigen Wochen-Posts. Insbesondere der Publikations-Monitor liegt mir besonders am Herzen, für den ich versuche, halbwegs den Überblick über comic-relevante Forschungsliteratur auf Englisch und Deutsch zu behalten. Man muss wohl sagen: erfreulicherweise wird es jährlich schwieriger! Mehr Infos finden sich unter lukasrawilde.de.

“Re-Animate Europe”-Comicausschreibung 2017

ReAnimate EuropeBereits 2013 und 2015 richtete die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit den internationalen Comic Wettbewerb „Animate Europe“ aus. Mit der Idee, eine neue und kreativere Blickweise auf das oft abstrakte Europa zu finden, fragte sie Comic-Künstler weltweit nach ihrer Vision zu Europa, und wie die EU in 50, 100 oder 200 Jahren aussehen könnte. Im kommenden Frühjahr – bis zum 5. Februar 2017 – können neue Beiträge zu „Re-Animate Europe“ eingereicht werden. Wieder wird eine internationale Fachjury sieben Finalisten auswählen, die darum gebeten werden, ihre vollständige achtseitige Geschichte bis zum 22. Mai 2017 fertig zu stellen. Die Jury wird anschließend ein Rangfolge erstellen und den Gewinner festlegen, welcher einen Preis von 500€ im Rahmen einer Preisverleihung erhält. Diese wird Mitte Juli 2017 Belgischen Comic Center stattfinden. Alle grafischen Kurzgeschichten werden ausgestellt und veröffentlicht.

Veranstaltertext:
„Die EU hat schon bessere Zeiten gesehen – sowohl äußere Kräfte als auch innere Malaisen erschüttern sie bis ins Mark und lassen ihren Herzschlag stocken. Wie können wir Europa wieder auf die Beine helfen? Was können wir tun, um Europa zu reanimieren? Diese Fragen stellt die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Künstlern in der dritten Runde ihres internationalen Comic Wettbewerbs.
Europa musste einige Rückschläge einstecken: angefangen bei der Flüchtlingskrise, über interne Unstimmigkeiten, bis hin zu Brexit und einem Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Die EU scheint müde und ohne Energie. Wie können wir Europa neuen Antrieb verleihen? Wer oder was findet die heilende Medizin für Europas kränkelndes Herz? Diese Fragen stellt sich das Europäische Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.“

Mehr Details über den Wettbewerb, die Teilnahmebedingungen, sowie Infos zu den vergangenen Wettbewerben gibt es unter: https://fnf-europe.org/animate-europe/

Die Bonner Online-Bibliographie erreicht die 10.000er Marke

donald
Am vergangenen Wochenende hat die Bonner Online-Bibliographie zur Comicforschung die Marke von 10.000 Titeleinträgen erreicht und mittlerweile schon überschritten. Die kostenlos nutzbare Datenbank trägt die wissenschaftliche Literatur zu allen Aspekten des Comics zusammen und erschließt sie auf vielfältige Art und Weise, über Suchmasken, einen Schlagwortkatalog sowie die Verlinkung aller Einträge. Die ComFor trägt mit einer regelmäßigen Förderung zur Weiterführung der Bibliographie bei. Das 2008 gestartete Projekt wird von Joachim Trinkwitz betreut, dem wir an dieser Stelle herzlich gratulieren und uns für seinen ausdauernden Einsatz bedanken möchten.

Zur Bonner Online-Bibliographie

Die ComFor auf dem 17. Internationalen Comic-Salon in Erlangen

Termin:
27.05.2016 - 29.05.2016

RZ_160420_Einzelplakate_A1.inddUnter dem Motto „Gezeichnete Grenzgänge. Comic-Kultur(en) international“ ist die Gesellschaft für Comicforschung e.V. (ComFor) erneut mit einem populärwissenschaftlichen Vortragsprogramm auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen vertreten.

Freitag, 27. Mai 2016

11:00 Uhr – Ralf Palandt (München)
„Biographische Anne-Frank-Comics im Fokus“
In mehr als 15 Ländern von Amerika über Europa bis nach Asien gibt es Comics über und mit Anne Frank. Ihr Tagebuch ist als Zeitdokument weltweit eine feste Größe in den Holocaust-Erinnerungskulturen. Exemplarisch für Geschichtscomics wirft der Vortrag Fragen auf nach der Verwendung von Fotos, Fiktion vs. Fakten, intermedialen Wechselwirkungen, interkulturellen Unterschieden, die zur Zensur führ(t)en, und dem Einsatz im Unterricht.

11:30 Uhr – Marie Schröer (Berlin)
„Essen und Identität im Comic“
Kulturpraktiken des Essens spielen in der Erzählung von Migrationserfahrungen eine prominente Rolle. Speiserituale können als Bestandteil der eigenen Identität zum Anker in der Fremde werden. Die Nahrung des Anderen symbolisiert Entwurzelung und Konfusion, genauso wie die Annäherung an und Kommunikation mit einer neuen Kultur. Der Vortrag präsentiert Essensdarstellungen in „Grenzgänger-Comics“, zeigt Leitmotive und fragt nach ihrem metaphorischen Gehalt.

12:00 Uhr – Prof. Dr. Jaqueline Berndt (Kyoto)
„Den Blick in die Zukunft lenken: Manga, Frau, Science Fiction“
Der Bezug des Manga auf das Genre „Science Fiction“ trug wesentlich dazu bei, ihm zu internationaler Aufmerksamkeit zu verhelfen. In der Forschung hierzu fallen jedoch zwei blinde Flecken auf: Die Annahme, „Science Fiction“ sei ein transkulturelles, universales Genre – und, dass bislang nur selten bemerkt wurde, dass sich neben männlichen Autoren (Otomo Katsuhiro, Shirow Masamune) auch Zeichnerinnen der Science Fiction widmen. Der Vortrag kontrastiert Takeyima Keikos Serie „Toward the Terra …“ mit Kyō Machikos „The pigtail-braid deity“ und Jiro Taniguchis „Ikarus“. Er geht dabei der Genre-Frage (einschließlich der Kategorisierung Taniguchis als „gekiga“) weniger motivisch nach als vielmehr visuell – unter dem Aspekt der Blicklenkung und Seitenarchitektur.

Samstag, 28. Mai 2016

11:00 Uhr – Matthias Harbeck (Berlin)
„Stereotype über andere Kulturen in Comics“
In Comics wimmelt es seit jeher von Stereotypen: Selbst- und Fremdbilder, die z.B. der Stabilisierung kultureller, nationaler, ethnischer Identitäten dienen. Die Abgrenzung vom kulturell Anderen kann verschiedenen Zielen dienen – bis hin zu Feindbildern in der Kriegspropaganda. Der Vortrag untersucht exemplarisch stereotype Comic-Darstellungen fremder Kulturen und arbeitet mögliche Funktionen für die sozialen Kontexte heraus, in denen sie entstanden sind.

11:30 Uhr – Angela Guttner (Berlin)
„Funktionen von Grenzen in Israel-Palästina-Comics“
Der Vortrag widmet sich mit literaturwissenschaftlichem Zugang erzählerischen Funktionen der politischen Grenze in Comics zum Israel-Palästina-Konflikt – u.a. am Beispiel von Guy Delisles „Aufzeichnungen aus Jerusalem“ und Joe Saccos „Palästina“. Anhand soziokultureller Überlegungen geht es um die Grenze als Trenner, Aktant und Medium – womit zugleich Möglichkeiten aufgezeigt werden, Grenz-Erzählungen zu analysieren und „die Grenze“ als wirkmächtiges Subjekt von Erzählungen zu beschreiben.

12:00 Uhr – Dr. Christian A. Bachmann (Berlin)
„Musikalische Nachbarn und die transatlantischen (Panel-)Grenzen der Erträglichkeit“
Musik inspiriert, begeistert, verzaubert – sie kann aber auch fürchterlich stören. Dilettierende Katzenmusikanten, dampfbetriebene Rieseninstrumente, die auf Wagners ‚Zukunftsmusik‘ verweisen sollen, Bühnenvirtuosen, die reihenweise Pianos zerstören, und Nachbarn, die lärmende Hausmusik betreiben: Im 19. Jahrhundert sind sie ein beliebtes Thema, das die europäische Karikatur in neuen Darstellungsweisen humorvoll inszeniert. Auch in US-Comics gehen sie ein, vermittelt über Grenzgänger – diesem ästhetischen Transfer geht der Vortrag mit Beispielen u.a. aus der Feder von Busch, Landells, Schließmann und Outcault nach.

Sonntag, 29. Mai 2016

11:00 Uhr – Tillmann Courth (Köln)
„„Sex and Drugs and Politics“ – Weshalb Comichefte 1955 zensiert werden mussten“
Dass Comics einst als „Schmutz und Schund“ abgestempelt wurden, ist eigentlich ein Kompliment. Impliziert es doch, dass sie als Medium verderblich, gefährlich, auf jeden Fall subversiv zu sein scheinen. Wie wahr! Das Medium „Comicheft“ etwa war seit den 30er Jahren stets ein Ventil für exotische Fantasien und unterdrückte Sehnsüchte. Verleger, Autoren und Zeichner experimentierten darin freizügig und Grenzen sprengend mit Rollenbildern und Genremustern. Sie loteten die Schattenseiten der US-Gesellschaft aus und präsentierten Gewalt, Besitzgier, Drogensucht in drastischer Weise. Und Jahre vor dem militärischen Eingreifen in Vietnam geißelten Comics bereits die Sinnlosigkeit eines jeden Krieges.

11:30 Uhr – Martin Frenzel (Darmstadt)
„Das Bild der Sinti und Roma im europäischen Comic“
Zwischen Empathie, Stigmata und Stereotypen: Im Fokus stehen europäische Comics, die Muster der Ausgrenzung und Stigmatisierung von Sinti und Roma in Frage stellen oder ironisieren. Der Vortrag stellt beispielhaft einige klassische, aber auch moderne europäische Comics vor: Von Altmeister Hergés „Tim und Struppi“-Klassiker „Die Juwelen der Sängerin“ (1963) bis hin zu neueren Arbeiten wie Joann Sfars „Klezmer“ oder Emmanuel Guiberts „Reisen zu den Roma“ soll gezeigt werden, wie es gelingen kann, gängige Stereotype und Ressentiments zu überwinden – und sogar aufklärerisch zu wirken. Wie schwer es ist, sich von Stereotypen zu lösen, belegen indes Beispiele aus „Spirou“, „Suske und Wiske“ und den (ost-)deutschen Produktionen „Digedags“ und „Abrafaxe“.

12:00 Uhr – Dr. Clemens Heydenreich (Erlangen)
„Ein Hesse unter Kannibalen: Hans Stadens Brasilien-Reisebericht als Comic“
In Brasilien kennt ihn jedes Schulkind, in Deutschland ist er vergessen: Hans Staden, ein Landsknecht aus Homberg, den es 1550 an der Ostküste Lateinamerikas in die Gefangenschaft der Tupinambá verschlug. Ob diese tatsächlich kannibalisch lebten, wie der glücklich Entkommene es später beschrieb, sei dahingestellt. Allemal aber basiert Stadens Bericht „Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der Wilden Nacketen, Grimmigen Menschfresser-Leuthen“ (1557) auf Erlebtem, ist der erste deutsche Lateinamerika-Reisereport mit ethnologischem Anspruch und prägte die europäische Brasilien-Imago nachhaltig. Der Vortrag vergleicht Stadens Text mit einer Comic-Adaption von Jô Oliveira, der auch dessen Holzschnittillustrationen aufgreift.

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