Comicgesellschaft

PROGRAMM DER COMFOR-JAHRESTAGUNG 2022: “Arbeits- und Klassenverhältnisse im Comic”

Termin:
16.11.2022 - 18.11.2022

17. Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung:

Arbeits- und Klassenverhältnisse im Comic

Online | Live via Zoom

Anmeldung:

Es gibt keine Tagungsgebühr; eine Registrierung ist bis zum 04. November 2022 unter fhi@stadtdo.de möglich.

Organisator_innen:

Iuditha Balint (Fritz-Hüser-Institut)
Markus Engelns (Universität Duisburg-Essen)

Programm:

16.11.2022 (Mittwoch)

13:00 – 14 Uhr: Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Comicforschung

15:00 Uhr: Einführung und Grußworte

Panel: Gattungsfragen (Moderation: Iuditha Balint)

15:15 Uhr: Christoph Schmitt (Schwäbisch Gmünd): *Bling* – Vom ersten Kreuzer zum Geldspeicher. Arbeits- & Klassenverhältnisse in Entenhausen

16:00 Uhr: Arnold Bärtschi (Bochum): „Omnes Thermae Romam Ducunt!“ Die Aushandlung von Arbeits- und Klassenverhältnissen in Mari Yamazakis Manga Thermae Romae

16:45 Uhr: Pause

17:15 Uhr: Aleyna Akkaya (Essen): Zur Darstellung von Arbeits- und Machtverhältnissen in Comics zu Avatar – Der Herr der Elemente

18:00 Uhr: Katharina Serles (Wien): Organisiert euch! Kontexte und Bedingungen der Comics-Arbeit

18:45 Uhr: Schluss

17.11.2022 (Donnerstag)

Panel: Arbeits- und Klassenkampf (Moderation: Markus Engelns)

10:00 Uhr: Kim Christian Priemel (Oslo): Eine Welt aus Papier. Printmedienarbeit in Comics des 20. Jahrhunderts

10:45 Uhr: Dietrich Grünewald (Koblenz): Arbeitswelt und Arbeitskampf als Thema historischer und aktueller textfreie Bildgeschichten

11:30 Uhr: Pause

Panel: Arbeits- und Klassenverhältnisse zu Zeiten des Holocaust (Moderation: Markus Engelns)

12:00 Uhr: Emily Allegra Dreyfus (Babelsberg): Drawn Discourses of Forced Labor: Internment, Work and Class in Holocaust-Era Comics

12:45 Uhr: Gudrun Heidemann (Łódź): Intersektionale Überzeichnung in polnischen Ghetto-Comics

13:30 Uhr: Mittagspause

Panel: Interkulturelle Perspektiven I (Moderation: Lukas R.A. Wilde)

14:30 Uhr: Robin Frisch (Bayreuth): Kapitalismus und Kolonialismus im Comic

15:15 Uhr: Sylvia Kesper-Biermann (Hamburg): Eine klassische Sozialreportage? Der Gastarbeiter-Zyklus von Dragutin Trumbetas

16:00 Uhr: Pause

16:30 Uhr: Nishant K Narayanan (Hyderabad): Zeitwandlungen und Klassenspaltungen: Lebens- und Gesellschaftsverhältnisse in Berlin und New Delhi

17:15 Uhr: Rita Maricocchi (Münster): Defining ‘Postcolonial Comics’: A Case Study of Marguerite Dabaie’s 23AndMe Doesn’t Know What Makes a Palestinian

18:00 Uhr: Pause

18:15 Uhr: Verleihung des Martin Schüwer-Publikationspreises für herausragende Comicforschung an Prof. Felipe Gomez (Carnegie Mellon University) für seinen Artikel Will it be possible? Apocalypse and Resistance in Latin American Graphic Novels mit Festvortrag des Preisträgers

18.11.2022 (Freitag)

Panel: Interkulturelle Perspektiven II (Moderation: Iuditha Balint)

10:00 Uhr: Agnieszka Komorowska (Mannheim): Monsters / Managers in the City. Die Darstellung der Wirtschaftskrise im französischen und spanischen Graphic Novel.

10:45 Uhr: Markus Engelns (Duisburg-Essen): „Stadt der Sünde“: Darstellung von Klasse und Arbeit im amerikanischen Superheldencomic

11:30 Uhr: Pause

Roundtable und Abschlussdiskussion

12:00 Uhr: Roundtable mit Eva Müller (Comicschaffende), Ulrike Preußer (Didaktik), Jennifer Stais (Lehrerin) und Iuditha Balint (Fritz-Hüser-Institut)

13:30 Uhr: Abschlussdiskussion

 

Christina Meyer im Panini Comics Podcast

Kürzlich wirkte ComFor-Vorsitzende Christina Meyer in der zehnten Folge des Panini Comic Podcasts mit. In einem Interview gab sie dort einen Einblick in ihre Forschungsarbeit, unter Anderem zu den frühen Zeitungscomics des 19. Jahrhunderts:

Seit wann gibt es eigentlich Comics? Keine einfach zu beantwortende Frage, aber die Comicforscherin Christina Meyer sagt: Das späte 19. Jahrhundert. Sie gibt einen Einblick in die Geschichte des Comics und welche Parallelen es zwischen modernen Supehelden- und historischen Zeitungscomics gibt.

Der Podcast ist auf den gängigen Plattformen (Spotify, Apple Podcasts, Castbox, etc.) verfügbar.

Publikationshinweis: Studien zur Geschichte des Comic

Studien zur Geschichte
des Comic

Bernd Dolle-Weinkauff, Dietrich Grünewald (Hgs.)

Ch. A. Bachmann Verlag
442 Seiten
zahlreichen, teils farbige Abbildungen
ISBN 978-3-96234-069-8
Verlagsseite

 

Kürzlich ist nun endlich auch der zweite Tagungsband erschienen, der auf die 10. ComFor Jahrestagung 2015 in Frankfurt zurückgeht. Nachdem der erste Tagungsband Beiträge zum Thema Geschichte im Comic: Befunde – Theorien – Erzählweisen (Hg. Bernd Dolle-Weinkauff, Ch. A. Bachmann Verlag, 2017) zusammenbrachte, widmet sich der zweite Band, herausgegeben von ComFor Ehrenmitgliedern Dietrich Grünewald und Bernd Dolle-Weinkauff, den Studien zur Geschichte des Comics.

„Die hier versammelten Studien zur Geschichte des Comic umfassen unterschiedliche Facetten historisch orientierter Comic-Forschung im weitesten Sinn. Neben Überblicksdarstellungen zu Epochen und längeren Zeiträumen finden sich Beiträge zu einzelnen Autorinnen und Autoren, Werken und Serien. Untersuchungen zu Frühformen haben ihren Platz neben Längsschnitten durch Entwicklungen der jüngsten Zeit. Gattungsent­wicklungen, Thematiken, Medien und Märkte sowie Schnittstellen der sequenziellen Bildgeschichte zu anderen Formen des erzählenden Bildes werden ebenso diskutiert wie Vermarktungsweisen und dezidiert antikommerzielle Tendenzen sowie Positionen der historischen Comic-Forschung selbst.
Die Beiträge bieten sowohl Neuentdeckungen von Werken und Details der Geschichte des Comic, wie die Herstellung von historischen Zusammenhängen. Sie geben Einblicke in neuere Comic-Kulturen – auch osteuropäischer und fernöstlicher Länder – und deren Bezüge zu internationalen Entwicklungen. Der Band bietet Ansichten einer zunehmend vielgestaltigen Welt der Grafischen Literatur, innerhalb derer einige der bislang aus der Sicht der westeuropäischen und US-amerikanischen Forschung eher randständigen Gebiete gegenüber den Zentren hervortreten.“

Inhalt:

  • Dietrich GRÜNEWALD: „Zur Frühgeschichte des Comic:
    Von der Illustrationsfolge zur autonomen Bildgeschichte“
  • Bernd DOLLE-WEINKAUFF: „Zur Vor- und Frühgeschichte der sequenziellen Bilderzählung in Deutschland 1835–1860“
  • Christian A. BACHMANN: „Transatlantische Motivwanderungen am Beispiel von Traumdarstellungen:Ein Beitrag zur Thematologie des frühen Comics“
  • Benedikt BREBECK: „Beiträge deutscher Zeichner zur Entwicklung des frühen Comic Strip in den USA“
  • Michael F. SCHOLZ: „‚Comics and Their Creators‘ (1942) -Zu den Anfängen der amerikanischen Comicforschung“
  • Nicolas SCHILLINGER: „Grenzen des Zeichenbaren: Geschichte und Comic in China nach 1949“
  • Jessica BAUWENS-SUGIMOTO: „A Short Overview of the History of Japanese Boys’ Love and Yaoi Manga“
  • Marie SCHRÖER: „Autobiografie im Comic: Geschichte/n, Varianten, Potentiale“
  • Véronique SINA: „‚It Ain’t Me Babe …‘:Zur Geschichte und Entwicklung feministischer Comics“
  • Nina MAHRT: „Mit allen Mitteln: Kriegsreportagen als Comics“
  • Hartmut BECKER: „Werbecomics der 1950er-Jahre: Eine Revue der Konsumwelten der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft“
  • Guido WEISSHAHN: „182 Variationen über ein Thema:Die Comicserie Knote und Karli als Beispiel für Zeitungscomics in der DDR“
  • Anna STEMMANN: „‚Der Schrecken, der die Nacht durchflattert‘:Darkwing Duck als Superheldenparodie“
  • Elizabeth ‚Biz‘ NIJDAM: „From Posters to Panels and Panels to Posters: Fluidity of Form in Feuchtenberger’s Comics and Graphic Art“
  • Arno METELING: „Der Vertigo-Effekt: Melancholie, Horror und Britishness in US-amerikanischen Comics um 2000“
  • Kalina KUPCZYNSKA: „Geschichte des autobiografischen Comics in Polen“
  • Brett E. STERLING: „Jenseits des Mainstreams: Zur Entwicklung der deutschsprachigen Comic-Produktion und ihrer avantgardistischen Strömungen seit 1980“
  • Lehel SATA: „Tendenzen im ungarischen Comic nach der Jahrtausendwende: Themen, Gestaltungstechniken, Wirkung“
  • Marco PELLITTERI: „Abriss einer Geschichte der Etablierung des Manga-Markts in ausgewählten europäischen Ländern“

Mitgliederbibliografie 2020 & 2021

Um einen Überblick über die Forschungsarbeit der Mitglieder der Gesellschaft für Comicforschung zu geben, tragen wir ab sofort einmal jährlich eine Bibliografie mit Monografien und Sammelbänden von ComFor Mitgliedern zusammen. Da die Bibliografie in diesem Beitrag erstmalig veröffentlicht wird, sind auch vereinzelte Einträge aus dem Vorjahr mit aufgelistet.

Sie haben Interesse daran, eine Rezension zu einem dieser Bände zu verfassen? Schreiben Sie eine Email an redaktion@comicgesellschaft.de und wir leiten Ihnen gerne Informationen zum Bezug von Rezensionsexemplaren der entsprechenden Publikation weiter. Rezensionen können auf unserer Website als Gastbeiträge der jeweiligen Verfasser_innen publiziert werden, auch Rezensionen von nicht-Mitgliedern!


Ahrens, Jörn (Hg.). Der Comic als Form: Bildsprache, Ästhetik, Narration. Ch. A. Bachmann, 2021.

Domsch, Sebastian, Dan Hassler-Forest und Dirk Vanderbeke (Hgs.). Handbook of Comics and Graphic Narratives. De Gruyter, 2021.

Eckhoff-Heindl, Nina, und Véronique Sina (Hgs.) Spaces Between: Gender, Diversity and Identity in Comics. Springer VS, 2020.

Etter, Lukas. Distinctive Styles and Authorship in Alternative Comics. De Gruyter, 2021.

Frahm, Ole, Hans-Joachim Hahn, Markus Streb (Hgs.). Beyond MAUS. The Legacy of Holocaust Comics. Böhlau 2021.

Giesa, Felix und Anna Stemmann (Hgs.). Comics & Archive. Ch. A. Bachmann, 2021.

Giesa, Felix, Markus Engelns und Ulrike Preußner (Hgs.). Comics in der Schule: Theorie und Unterrichtspraxis. Ch. A. Bachmann, 2021.   →   zur Rezension von Karoline Pohl-Otto

Grünewald, Dietrich. Abstrakt? Abstrakt! Abstraktion und Bildgeschichte. Ch. A. Bachmann, 2021.

Gundermann, Christine (Hg.). Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics. Ch. A. Bachmann, 2021.

Hausmanninger, Thomas. Religion als Kultur: Das Judentum und die jüdische Identität bei Joann Sfar. Ch. A. Bachmann, 2021.

Kupczyńska, Kalina, und Renata Makarska. Handbuch Polnische Comickulturen nach 1989. Ch. A. Bachmann, 2021.

Oppolzer, Markus. Reading Autobiographical Comics: A Framework for Educational Settings. Peter Lang, 2020. Open Access.

Palandt, Ralf (Hg.). Anne Frank im Comic. C.A. Bachmann, 2021.

Pohl-Otto, Karoline. Comics in Schule und Religionsunterricht: Vielfalt adressieren, Kompetenzen fördern, Unterricht verbessern. Vandenhoeck & Ruprecht, 2021.   →   zur Rezension von Anja Lange

Rauscher, Andreas, Daniel Stein, und Jan-Noël Thon (Hgs.). Comics and Videogames: From Hybrid Medialities to Transmedia Expansions. Routledge, 2021.

Stein, Daniel. Authorizing Superhero Comics: On the Evolution of a Popular Serial Genre. Ohio State University Press, 2021.

PUBLIKATION ZUR 13. COMFOR-JAHRESTAGUNG: „Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics“

Wir freuen uns sehr, nach dem bereits erschienenen Springer-Band Spaces Between: Gender, Diversity, and Identity in Comics (hg. Nina Eckhoff-Heindl and Véronique Sina) nun auch die Publikation des zweiten Tagungsbands zur 13. ComFor Jahrestagung zu verkünden, die im September 2018 in Köln stattfand. Unter Herausgeberschaft des ComFor-Mitglieds Christine Gundermann versammelt der Band unter dem Titel Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics einschlägige Beiträge zahlreicher Mitglieder und nicht-Mitglieder.

Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics

Christine Gundermann (Hg.)

Zwischenräume: Geschlecht und Diversität in Comics

Christian A. Bachmann Verlag, 2021

978-3-96234-057-5

 

Verlagsbeschreibung:

„Comics sind ein Spiegel der Gesellschaft – sie zeigen auf, wie diese von stereotypen Vorstellungen von Geschlecht und Diversität geprägt ist. Comickünstler:innen gehen aber auch weiter. Sie kritisieren diese Zustände und nutzen die medialen Besonderheiten des Comics, um neue Deutungen vorzustellen und damit letztlich auch einen Beitrag für eine gerechtere und inklusivere Gemeinschaft zu schaffen. Die Hybridität und Uneindeutigkeit des Mediums schafft hier »Zwischenräume«, denen die Auor:innen nachgehen. Die hier versammelten Beiträge zeigen anhand von Einzelanalysen und historischen Gesamtschauen, wie Comickünstler:innen Gender, Diversität und Identität problematisieren und wie dies gesellschaftlich rezipiert wird. Die Arbeitsbedingungen von Comicschaffenden werden dabei ebenso betrachtet wie die politische Dimension der Thematisierung von Geschlecht und Diversität im Comic. So zeigen die Beiträge gemeinsam die Stärke einer interdisziplinären Comicforschung auf.“ → zur Verlagsseite

Inhalt:

    • Christine Gundermann: „Zwischenräume – Geschlecht und Diversität im Comic: Eine Einleitung“
    • Anne Elizabeth Moore und Katharina Brandl: „Normen des Erfolgs: Die Rolle der Identität für Anerkennung in der Comic-Branche“
    • Sylvia Kesper-Biermann: „‚…daß das Fremde nicht fremd zu sein braucht‘: Comics im Sprachunterricht für bundesrepublikanische ‚Gastarbeiter‘ in den 1970er und 1980er Jahren“
    • Kalina Kupczynska: „BLUT oder: Gender und Nation im polnischen Comic“
    • Sophie Bürgi: „Frischluftsprays, philippinische Küche und feine Nasen: Die Macht des Geruchs bei Lynda Barry“
    • Priscilla Layne: „Diasporic Whiteness, Race and Representation in: Birgit Weyhe’s Graphic Novels“
    • Anna Beckmann: „Nicht-binär: Erzählstrategien der Veruneindeutigung in Comics“
    • Markus Pfalzgraf: „Bunte Rahmen, bunte Wände: Comichistorische Aspekte in der Ausstellung SuperQueeroes“

→ Zum Bericht der 13. ComFor Jahrestagung
→ Zur Übersicht aller ComFor Jahrestagungen
→ Zur Übersicht aller ComFor Tagungsbände

COMFOR-LESEEMPFEHLUNGEN 2021 (TEIL 2/2)

Hier nun der zweite Teil der Leseempfehlungen (der erste Teil findet sich hier) – für genug Lesestoff für die nächsten Wochenenden ist also gesorgt. Wer auf Empfehlungen früherer Jahre zurückblicken möchte, findet diese hier.

Wir bedanken uns sehr herzlich für alle Einsendungen und wünschen hoffentlich entspanntes Lesevergnügen! Und im Sinne von alle Jahre wieder, würden wir uns auch im Dezember 2022 wieder sehr über Empfehlungen freuen!

 

***

Hanspeter Reiter
Ulrich Schnakenberg, Wochenschau Geschichte: Geschichte in Karikaturen 1-3

 

„Karikaturen als Quelle“ sind hier versammelt, beginnend mit I „1945 bis heute“. Bestens aufbereitet, findet Nutzer den Cartoon jeweils auf der rechten einer Doppel-Seite, links dazu die didaktisch-methodischen Hinweise, sorgsam strukturiert, den meist erforderlichen Kontext erschließend und einen Deutungs-Vorschlag bietend. Dahin wird Leser/Lehrer/Moderator geführt, etwa zu „Tücken und Fallstricke der Karikaturarbeit“ (wie wirken Cartoons?), Einsatzmöglichkeiten und Auswahlkriterien der vorgelegten Karikaturen. Als Kopier-Vorlage folgen die Arbeitsschritte plus das (Blanko-)Analyseschema, dann Anregungen für Aufgaben. So kann Geschichts-Unterricht quasi lebendig(er) werden! Auch dem Nutzer mit persönlichem Interesse an Cartoons ist hier reiche Fülle geboten, Übergänge zum Comic inklusive, siehe etwa „Tagebuchblätter aus Vietnam“ (S. 32f.), in „Panels“ von 1939 bis 1965 führend… Weitere comicesk-sequenzielle Folgen finden sich z.B. S. 88f. (Karikaturen-Streit!) und 90f. „China – die Supermacht der Zukunft“, wieder als chronologische Entwicklung. „Das Buch präsentiert eine frische, unverbrauchte Auswahl von 50 internationalen Karikaturen der Jahre 1945 bis heute – von der Teilung Deutschlands über den Ost-West-Konflikt bis zu den umstrittenen „Mohammed-Karikaturen“ und zur EU-Verfassung. II 1900 bis 1945 – vom Imperialismus über die Weltkriege bis zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. III 1800-190 in 4c: Neben diversen Cartoons in Farbe wird diese auch für die didaktischen Hinweise genutzt.

Quino, Carlsen: Mafalda

Da war mir bis dato aber was entgangen! Jedenfalls ist diese Figur ziemlich neu für mich – und ein Sammelband dieser Art besonders gut geeignet, derlei kennen zu lernen: Die Vielfalt wie auch die Entwicklung (inhaltlich der Charaktere wie auch zeichnerisch des Künstlers). Ja, diese 200 Seiten geballte Mafalda-Strips bieten ein Füllhorn – und zwar eines, das mehrfach zu genießen ist. Denn philosophische wie gesellschaftskritische Dialoge sind zugleich Spaß und nachdenklich Machend, unterhaltsam wie informativ: „Mafalda ist eine liebenswerte Nervensäge, denn sie ist ihren Eltern in vielem voraus: Sie tritt schon früh für Weltfrieden, Demokratie und Frauenrechte ein. Der Comic wurde 2014 mit dem Prinz-von Asturien-Preis (dem „spanischen Nobelpreis“) ausgezeichnet, weil er auf amüsante Weise „scharfsinnige Botschaften“ von „universeller Bedeutung“ transportiert.“ Manches mag an Figuren wie die der Peanuts erinnern oder auch Pogo. Strikt in Schwarzweiß (Zeitungs-Strips) mit variablem Layout (von eins bis zu maximal acht Paneln für eine Story, wenn ich richtig „mitgezählt“ habe). Für diesen wertigen Sammelband im Überformat, fest gebunden mit Fadenheftung und Leseband, sind die sorgsam ausgewählten Geschichten thematisch gereiht – alles mit viel Charme, Augenzwinkern und schon mal starke Äußerungen, durchaus im Sinnen von „Kindermund tut Wahrheit kund“ – und „dennoch“ immer liebenswert wie liebenswürdig…

Susanne Kuhlendahl, Knesebeck: Virginia Woolf – die Comic-Biografie

Ein durchaus eigener Stil zeichnet diese Graphic Novel aus, in mehrfacher Hinsicht: Da sind die flächigen Wasserfarben, zart-pastellig, wohl auch als Anklang an die Schreibe der biografierten Schriftstellerin. Davon abweichend ihre depressiven Phasen in Schwarz- und Grautönen. Die unterschiedlichen Schriftarten, um dreierlei zu differenzieren: Erzähler in Begleit-Texten (Gemeine), Zitate aus Woolfs Büchern (Versalien) und eher zurückhaltend Dialoge (Versalien in Sprechblasen). Die Panels sind freigestellt, auf Rahmen ist also verzichtet – was zudem im abwechslungsreichen Layout ein leichtes Ambiente fürs Betrachten ergibt… Und wie ist´s mit dem Übertragen des Literarischen ins Zeichnerische? „Das bewegte Leben der Autorin von Orlando, Mrs Dalloway und Ein Zimmer für sich alleine, erstmals umgesetzt als Graphic Novel: Auf feinsinnige Weise zeichnet diese grafische Biografie von Virginia Woolf ein detailliertes Bild einer der literarischen Größen des 20. Jahrhunderts und zeigt, wie eng ihr Leben mit dem Schreiben verwoben war.“ Das gelingt exzellent auch deshalb, weil „Alltag“ gleich mit Projekten abwechselt und eben Text-Zitate die entsprechende Transformation belegen. Konkret spiegelt sich das hier in ihrer Bisexualität, etwa der langjährigen Beziehung zu Vita in ständigem Auf und Ab.

Annette Köhn, Jaja: Verlagswesen.

Die (sic!) gibt´s reichlich in dieser Comic-Story von mehr als 130 Seiten, als Graphic Novel vierfarbig, großformatig, bibliophil gebunden. Und sie kommentieren reichlich, schauen der Künstlerin über die Schulter, soweit das von unten möglich ist: Damit nehmen sie eine Art begleitende Erzähler-Rolle ein, feine Idee… Wie so manch andere: Die Perspektive „hin zu den Lesern“ einnehmen – das Umfeld kennenlernen lassen (Personen siehe S. 4f.) – Zeichner(innen) einzubeziehen – alle Bereiche dieses (und damit „eines“) Verlages erleben zu lassen! Fein, zum 10.: „Anhand eines Tages im Februar 2020 erzählt Annettes Alter Ego, wie alles so beim Jaja Verlag läuft.“ Nebenbei lernt Leser einiges „inside“ – und sei es, dass der Verlagsname bitteschön korrekt mit kleinem „j“ in der Mitte zu schreiben ist, also „Jaja“ statt „JaJa“, was wohl gelegentlich (immer noch) passiert… Wie Falt-Kartons zu falten sind – wieder was gelernt! Oder a bissal selbstkritisch die Rolle einer Praktikantin  … Interessant natürlich auch für beruflich fokussierte Augen, von Kollegen und Kolleginnen durchaus auch jenseits von Comic-Verlagen. Wer Comics mag, ist hier bestens bedient: Vielseitiges Layout mit flächigen, meist eher pastelligen Farb-Tönen, wechselnde Dynamik je nach aktuellem Thema, Panels kreativ ausufernd oder stark strukturiert: Künstlerin am Werk, kaum ums Verlegen verlegen!

 

Janek Scholz

Universität zu Köln (Portugiesisch-Brasilianisches Institut)

André DinizDarkSide Books (Brasilien): Revolta da vacina

Mit „Revolta da vacina“ hat der brasilianische Comiczeichner André Diniz etwas geschafft, was viele sicher für unmöglich halten: Er hat in Zeiten allgemeiner Pandemiemüdigkeit einen Impfcomic vorgelegt, den man gerne liest, der mitreißend ist und der uns viel über die heutige Zeit erzählen kann. Indem er auf historische Geschehnisse rekurriert (die Hygienekampagnen Oswaldo Cruz‘ gegen Pocken, Gelbfieber und Beulenpest im Rio de Janeiro des frühen 20. Jahrhunderts), gelingt es Diniz, ein brandaktuelles Thema zu verhandeln, ohne sich in das Fahrwasser derzeitiger Debatten zu bewegen. Der Protagonist Zelito ist ein junger Zeichner mit großen Ambitionen, der nach dem Tod des Bruders vom Vater mit einer Galgenfrist nach Rio geschickt wird: Sechs Monate habe er Zeit, um zum „besten Zeichner der Welt“ zu werden und eine standesgemäße Verlobte zu finden. Ein ambitioniertes Ziel, das den jungen Zelito immer weiter in einen Strudel aus Verzweiflung und Radikalisierung treibt. Es herrscht ein Klima grassierender Aggression und zunehmenden Unzufriedenheit gegenüber den Pandemiemaßnahmen der Regierung, zu denen auch eine allgemeine Impflicht gegen Pocken zählt, das sich schließlich 1904 in der titelgebenden Revolte entlädt. Diese dient auch dem Protagonisten als Ventil, seiner Wut und Verzweiflung endlich Luft zu machen. Ein Comic, der historisch und doch aktuell ist und der aufgrund seiner detailliert ausgearbeiteten Metaebene auch Comicforschenden vielfältige Anknüpfungspunkte liefert: Nicht nur ist der Protagonist Zeichner und reflektiert folglich kontinuierlich die Möglichkeiten, als Zeitungskarikaturist Fuß zu fassen. Darüber hinaus liefert die Publikation auch einen Anhang mit einem Archiv aus vierzig Karikaturen der Zeit. Ein wahrer Schatz und für mich das absolute Comic-Highlight des ausklingenden Jahres 2021.

 

Lukas R.A. Wilde

Medienwissenschaftler, Universität Tübingen

N.K. Jemisin und Jamal Campell, DC’s Young Animal: Far Sector

Die Verlagsankündigung klang selbst ein bisschen wie Fan Fiction: Mit N.K. Jemisin sollte eine Titanin der ganz großen, konzeptlastigen SciFi-Literatur als Autorin für einen neuen Green Lantern-Titel gewonnen werden. N.K. Jemisin enttäuscht diese Erwartungen nicht und macht etwas komplett Eigenes und Einzigartiges aus den bekannten Prämissen: Mit der neuen Ringträgerin Sojourner Mullein wurde eine faszinierende Figur geschaffen, die in den fernsten Regionen des DC Universums – dem Far Sector – in v.A. politische Abenteuer geworfen wird. 20 Milliarden Bewohner*innen dreier radikal unterschiedlicher Spezies teilen sich hier eine Dyson-Sphäre, in der es dank Emotionsunterdrückungsdrogen seit 500 Jahren zu keinem Gewaltverbrechen mehr kam – bis Lantern Mullein einen grausamen Mord aufklären muss und in einen herrlich illustrierten Malstrom aus Noir-Elementen, Cyberpunk und politischen Intrigen gerät. Ihr eigentliche übermächtiger Ring wurde nicht nur ordentlich gedowngraded – und wird damit wieder spannend; die Konflikte sind ohnehin eher diplomatischer Natur. „Lang lebe Lantern Mullein!“

Devin Grayson und Alitha E. Martinez, Humanoids: OMNI

Und noch eine neue Heldin, auf die man viel zu lange warten musste! Dr. Cecelia Cobbina bringt locker die spannendsten Superkräfte der letzten Jahrzehnte ins Genre ein: Eine neunfache Super-Intelligenz permanent paralleler Denkprozesse, die in einer recht einzigartigen Medienspezifik übersetzt werden: Caption-Boxen unterschiedlicher Farben, die in ständigem Dialog miteinander die Seitenarchitektur durchziehen und den Lesenden unterschiedliche Pfade zwischen logisch-mathematischen, existenziell-philosophischen, empathisch-sozialen, visuell-räumlichen, lingusitisch-semiotischen oder körperlich-kinetischen Kognitionsprozessen anbieten und so einen ständigen, individuell aktualisierbaren „Chor“ erzeugen. Zeichnerin Alitha E. Martinez streut auch noch wunderbare Bildsymboliken und Piktogrammatik mit ein, um Dr. Cobbinas ausufernd komplexes Innenleben auch bildlich zu transkribieren. „What would you do if you could think faster than the speed of light?“

James Tynion IV und Martin Simmonds, Image: Department of Truth

Teils metaphysischer Thriller, teils Crime-Drama, unternehmen James Tynion IV und Martin Simmonds in dieser neuen Serie Spaziergänge in immer tiefere Abgründe altbekannter und hochaktueller Verschwörungstheorien, von der Mondlandung über Flat Earth bis zu Obamas Geburtsurkunden und Pizza Gate – und alles scheint natürlich auf QAnon zuzulaufen…! Tynion IV verdichtet dabei äußerst luzide Erkenntnisse über die mythische Macht dieser Erzählungen zu einem alptraumhaften Gewebe aus Phantastik und Horror, das zu einem guten Teil von Martin Simmonds (nur gelegentlich gegenständlichen) Gemälden und Collagen im Stile Dave McKeans getragen wird, ebenso wie von Aditya Bidikars unwirklichem Lettering. Keine sonderlich leichte Lektüre, und keine sonderlich angenehme, aber vielleicht, erschreckenderweise, eine Serie, die unheimlich viel zum Verständnis des hinter uns liegenden Jahres 2021 beizutragen hat.

COMFOR-LESEEMPFEHLUNGEN 2021 (Teil 1/2)

Alle Jahre wieder: Die Redaktion der Gesellschaft für Comicforschung wünscht ihren Leser_innen  und Freund_innen einen guten Start ins neue Jahr!

Wie jedes Jahr wollen wir den Leser_innen des ComFor-Blogs auch diesen Winter wieder aktuelle Leseempfehlungen von Comicforscher_innen präsentieren. (Die Leseempfehlungen der letzten Jahre finden sich hier.) – Auch 2021 gab es schließlich eine Vielzahl von Neuerscheinungen, die es sich im Blick zu behalten lohnt – obwohl auch in diesem Jahr mal dahingestellt sein soll, ob man nun Homeoffice- und Pandemiebedingt viel oder eher wenig Zeit zum lesen hatte.

Auch dieses Jahr haben wir unsere Mitglieder unter der Redaktion von Robin-M. Aust und Michaela Schober um ganz subjektive Lektüretipps gebeten, die aus den vergangenen zwölf Monaten im Gedächtnis geblieben sind – aus welchen Gründen auch immer.

Da es schönerweise auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl von Einreichungen gab, die natürlich nicht in der Masse untergehen sollen, haben wir uns entschieden, die Leseempfehlungen erneut in mehreren Posts zu präsentieren – der zweite folgt dann in Kürze.

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Jörn Ahrens

Justus Liebig Universität Gießen

Richard Stark/Darwyn Cooke: Parker. Martini Edition.

Offensichtlich sind die Krimis von Richard Stark Klassiker, was ich nicht weiß, weil ich Krimis nur als Film oder Comic genieße. So darf ich endlich Parker kennenlernen, einen klassischen Protagonisten des Hardboiled Crime, mit dem Unterschied, dass es sich nicht um einen Privatdetektiv handelt, sondern um einen Gangster. Die Erzählungen sind gekonnt und clever und literarisch gewiss ein Genuss. Den wirklichen Furor aber erzeugt ganz gewiss die Adaption durch Darwyn Cooke. Cooke zeichnet in scheinbar flüchtigen, aber ungeheuer genau durchkomponierten Strichen. Die fehlenden Rahmenlinien seiner Panels ergeben sich wie von selbst aus den Panelkonturen, manchmal lässt er Linien in seinen Figuren und den Décors weg. Die harten schwarz-weiß Zeichnungen sind lediglich mit jeweils einer Kontrastfolie belegt, die sich nicht zwingend in die Objekte einpasst, sondern eher auf ihnen liegt wie Art Déco. Selten hat ein Zeichner so eindrücklich Bewegung umgesetzt. Bei wehenden Gardinen spürt man regelrecht den Wind, die Figuren bewegen sich in rasanter Geschwindigkeit; Cooke gelingt es, die Bewegungslosigkeit der Comic Panels nahezu aufzuheben. So schafft er zeichnerisch eine exzellente Atmosphäre für seine Kriminalgeschichten und schmiegt sich zugleich der Ästhetik der Erzählzeit an. Cooke ist 2016 mit 54 Jahren früh verstorben. Comics wie diese bräuchte es mehr.

Zidrou/Frank Pé: Marsupilami. Teil 1: Die Bestie.

Die Welle der Hommagen an frankobelgische Comic-Klassiker rollt unaufhörlich. Vor allem die Arbeiten André Franquins scheinen nach Historisierungen zu verlangen. Während Émile Bravo die Biographie Spirous und eine kongeniale Comicgeschichte des Zweiten Weltkriegs in Belgien erzählt (auch neu und toll: Spirou oder: Die Hoffnung. Teil 3), berichten Zidrou und Frank Pé von einem Marsupilami, das 1955 nach Belgien gelangt, in der tristen Nachkriegsumgebung aber nicht heimisch werden kann. Das Belgien in diesem Band ist trist, grau, misanthropisch, sehr klassenorientiert und überhaupt eine tendenziell unmenschliche Umgebung. Man fragt sich, wie in dieser Atmosphäre 1952 das Marsupilami im Spirou-Magazin erstmals in die Welt treten konnte. Im Band lächelt das Tier ein einziges Mal – als es schläft. Zugleich knüpft das Album an Franquins Ambitionen zu einer Zoologie des Marsupilami an und entwickelt behutsam eine Studie über ein mögliches Tier. Pés Zeichnungen sind routiniert und einfühlsam; an die École Marcinelle schließen sie an, ohne sie zu adaptieren. Das Buch hat ein ungewöhnliches, quadratisches Format und ist auf sehr dickem Papier gedruckt, was eher an einen Katalog als an einen Comic denken lässt. Diese Geschichte hat kein Happy End. Dem gebeutelten Jungen, der sich des Marsupilamis angenommen hatte, wird alles genommen. Aber es ist ja erst Teil 1…

Manuele Fior: Celestia

Manuele Fior ist einer der profiliertesten Künstler der jüngeren italienischen Comic Szene und steht v.a. für zeichnerische Umsetzungen seiner Stoffe, die einen stark lyrischen Einschlag haben. Celestia bleibt von der ersten bis zur letzten Seite rätselhaft. Angeblich spielt die Geschichte nach einer großen Invasion, vor der sich einige Menschen in eine Lagunenstadt dieses Namens retten konnten. Das Motiv, Nachkriegsszenarien zu entwickeln, denen man den Krieg nicht ansieht, ist in Italien verbreitet; auch Gipi hat es mehrfach genutzt. In Celestia tauchen weder der Krieg auf noch dessen Folgen. Dafür entwirft Fior eine Welt im und am Wasser, mit Protagonisten, denen wir uns anvertrauen, aber deren Motive wir nicht kennen. Da ist die Gruppe Telepathen, die vom Dottor geführt wird. Dessen Sohn kehrt ihnen den Rücken und zieht bald mit einer Renegatin dieser Gruppe durch die Stadt und die nahe Küstenlandschaft. Die leicht futuristisch inszenierte Welt wirkt verzaubert und bleibt ohne narrative Hintergründe. Die will man auch gar nicht wissen, sie würden nur stören. Vordergründig arbeitet Fior klassisch in Stripzeilen, nutzt aber atemberaubende Perspektiven, entzündet ein Feuerwerk an pastellhaften, meist sonnendurchfluteten Farben. Ein rasantes Buch, das eindrücklich zeigt, weshalb der Comic längst nicht tot ist.

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Dietrich Grünewald
Danijel Žeželj: Rotkäppchen

In düsterem, harten Schwarz-Weiß, stilistisch an expressive Holzschnitte erinnernd, erzählt der kroatische Künstler Danijel Žeželj (* 1966) in seiner Sicht das Grimmsche Märchen. Man muss genau hinschauen und, sich auf die atmosphärischen Zeichnungen einlassend, Panel für Panel, Seite für Seite verbinden und deuten, gewissermaßen im Kopf mitspielen. Žeželj erzählt ohne Worte, nutzt die auch ständig die Perspektiven wechselnde enge, filmische Bildfolge, um hoch emotional und spannend zeigend zu erzählen. Wir verfolgen die Pirsch des Wolfes, parallel Rotkäppchen auf ihren Umwegen durch den dichten Wald zum Haus der Großmutter, wo das Mädchen, abstrakt-symbolisch angedeutet, dem Raubtier zum Opfer fällt; begleiten wiederum parallel den Jäger, der schließlich im offenen Kampf den Wolf stellt und aufspießt, Großmutter und Rotkäppchen befreit… Die Bildfolge wirkt archaisch, mythisch, wenn – so ist mehr zu interpretieren anhand verweisender Bildzeichen als zu erkennen – am Schluss wohl das Mädchen und der Jäger zusammenfinden. Eine besondere Bildgeschichte, auf die sich einzulassen lohnt.

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Michael Heinze

Heinrich Heine Universität Düsseldorf

Ralf König: Vervirte Zeiten.

2020 hat Ralf König sein 40jähriges Comiczeichner-Jubiläum begangen und auch in diesem Jahr noch mit zahlreichen on- und offline veranstalteten Jubiläumslesungen gehalten. Damit gehört er klar zu Deutschlands alteingesessenen Comicautor*innen. Als die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 Fuß fasste, begann König, seinen Fans auf Facebook täglich einen Vier-Panel-Comic zu offerieren, und wieder einmal waren es Konrad und Paul, das Kölner Paar aus intellektuellem Musiklehrer und sex-positivem Freizeitautor, die unser Leben durch die Pandemie begleitet haben.
Seit Jahrzehnten begleitet das Paar nicht nur die schwule Community und erlebt Höhen und Tiefen des Alltags. Wenn auch ein Pandemie-Tagebuch, so ist Vervirte Zeiten doch noch viel mehr. So geht es beispielsweise auch – wie schon im 2017 erschienenen Herbst in der Hose – um das Älterwerden, Lust und Liebe und den Alltag. Da sind die allzu Konservativen, da sind die Diskussionen über Maskenpflicht und Gegendemonstrationen, und wie immer gibt es klare Worte.
Von März bis Oktober hatte König den täglichen Comicstrip 2020 durchgehalten, sich dann aber wieder seinem Tagesgeschäft zugewandt. Doch schon im Februar 2021 erschien dann die Sammlung. Auch stilistisch hat sie einiges zu bieten, da das Vier-Panel-System dem Meister des konzisen Erzählens noch einmal eine neue Grenze auferlegt hat. Und seit einigen Wochen ist nun eine neue tägliche Comic-Reihe auf der Facebook-Seite des Autors zu finden.In «Das Unvermögen» erschafft Andreas Kiener eine futuristisch-dystopische Welt in zarten Pastelltönen. Im 23. Jahrhundert hofft die Eliste, alles Zukünftige – selbst den kleinsten Regentropfen – mittels enormer Computer vorhersagen zu können, während die Ressourcen der Erde aufgebraucht sind. Ihren Anfang nimmt die Geschichte dabei im Gebiet der heutigen Schweiz, was nicht explizit gesagt wird, aber klar zu erkennen ist. Hier macht sich die sechsjährige Ali nach dem Tod ihrer Grossmutter auf die Suche nach ihrer Mutter, die eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Superrobotern gespielt haben muss. Die Reise führt sie nach Abidjan zur grössten Roboterproduktionsfirma. Als Begleiter kann Ali dabei auf ihren potenziell allwissenden Androiden in Gestalt eines lebensgrossen weissen Teddybären zählen. Die Geschichte lebt von der Beziehung dieser beiden, denn Ali muss den hochintelligenten Androiden immer wieder mahnen, ihr die Dinge so zu erklären, dass sie sie verstehen kann. Und obwohl sie aufgrund ihres Alters vieles noch nicht ganz versteht, gelingt es ihr mit Pfiffigkeit und Glück immer wieder, die Regeln zu umgehen, an die der Android sich aufgrund seiner Programmierung halten müsste. Und dann wird seine Batterie knapp … Die detailreichen Bilder laden zum mehrmaligen Betrachten ein, und da die Geschichte noch nicht abgeschlossen ist, ist auf eine Fortsetzung zu hoffen.

Baptiste Bouthier Héloise Chochois. 11 septembre 2001, le jour où le monde a basculé.

„Wo warst Du am 11. September?“ ist eine Frage, die in vielerlei Gesprächen in den letzten 20 Jahren gefallen ist. Und wir erinnern uns alle daran, müssen nicht einmal das Jahr erwähnen. Héloise Chochois und Baptiste Bouthier wählen eine etwas andere Perspektive auf diese subjektiv geprägte Erinnerung, indem sie die 1987 geborene Protagonistin Juliette am 20. Jahrestag des Anschlags nach New York reisen lassen und sich erinnern lassen, wie sie als 14-Jährige den Tag und die Folgen erlebte, an die Reaktionen der Mutter, zum Beispiel, aber auch an ihre Betroffenheit, die dennoch die Frage stellte: „Was bedeutet das alles?“
Erzählt werden Zeitzeugengeschichten, die aus anderen Medien schon hinlänglich bekannt sind, aber der sehr nüchterne Stil des Comics macht diese Erzählungen umso eindringlicher. Andreas Platthaus beklagt – nicht ganz zu Unrecht – in seiner Rezension in der F.A.Z., dass es erzählerisch nicht viel Neues gibt, und dass der Comic seinem Anspruch, eine Chronik zu sein, nicht gerecht werde, weil er nicht darauf eingehe, was in den 20 Jahren dazwischen zum Beispiel in Afghanistan geschehen ist. Platthaus liegt richtig, unterstellt man die Absicht zur Chronik, doch ich würde eher sagen, hier beschäftigen sich der Autor und die Zeichnerin mit dem Funktionieren der Erinnerung, mit Memorialkultur und unserer Wahrnehmung der Dinge in verschiedenen Lebensaltern. Und das tut der Band in herausragender Art und Weise.
Der Comic ist ebenfalls dieses Jahr auf Deutsch unter dem Titel 9/11 Ein Tag, der die Welt veränderte bei Knesebeck in München erschienen.

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Aleta-Amirée von Holzen

Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM

Andreas Kiener: Das Unvermögen

In «Das Unvermögen» erschafft Andreas Kiener eine futuristisch-dystopische Welt in zarten Pastelltönen. Im 23. Jahrhundert hofft die Eliste, alles Zukünftige – selbst den kleinsten Regentropfen – mittels enormer Computer vorhersagen zu können, während die Ressourcen der Erde aufgebraucht sind. Ihren Anfang nimmt die Geschichte dabei im Gebiet der heutigen Schweiz, was nicht explizit gesagt wird, aber klar zu erkennen ist. Hier macht sich die sechsjährige Ali nach dem Tod ihrer Grossmutter auf die Suche nach ihrer Mutter, die eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Superrobotern gespielt haben muss. Die Reise führt sie nach Abidjan zur grössten Roboterproduktionsfirma. Als Begleiter kann Ali dabei auf ihren potenziell allwissenden Androiden in Gestalt eines lebensgrossen weissen Teddybären zählen. Die Geschichte lebt von der Beziehung dieser beiden, denn Ali muss den hochintelligenten Androiden immer wieder mahnen, ihr die Dinge so zu erklären, dass sie sie verstehen kann. Und obwohl sie aufgrund ihres Alters vieles noch nicht ganz versteht, gelingt es ihr mit Pfiffigkeit und Glück immer wieder, die Regeln zu umgehen, an die der Android sich aufgrund seiner Programmierung halten müsste. Und dann wird seine Batterie knapp … Die detailreichen Bilder laden zum mehrmaligen Betrachten ein, und da die Geschichte noch nicht abgeschlossen ist, ist auf eine Fortsetzung zu hoffen.

Bruno Duhamel: Niemals

In «Niemals» nimmt Duhamel die Folgen der Klimaerwärmung als Anlass der Geschichte sowie als dramatische Kulisse. Im bretonischen Fischerdorf Troumesnil lebt die alte Madeleine. Obwohl sie schon über neunzig und von Geburt an blind ist, meistert sie ihren Alltag noch gut allein. Standhaft weigert sie sich, ins Altersheim zu ziehen – selbst wenn der Bürgermeister sie noch so drängt und es dafür einen guten Grund gäbe: Jede Nacht erodieren mehrere Meter Küste, Madeleines Garten ist schon zur Hälfte im Meer versunken. Der Untergang steht buchstäblich vor ihrer Tür, es kann sich nur noch um Tage handeln, bis auch ihr Häuschen ins Meer rutscht. Da Madeleine fest entschlossen ist, ihr Haus niemals zu verlassen, greift der Bürgermeister nicht zuletzt aus Sorge um seinen Ruf zu billigen Tricks – was wiederum Madeleine ergrimmt. Der Zwist nimmt immer absurdere Formen an und persifliert das Beamtentum. Auf dem Höhepunkt des Dramas soll Madeleine in einer stürmischen Nacht mit Zwang aus dem Haus geholt werden. Es gelingt ihr aber, einem der Feuerwehrmänner ihre Beweggründe für ihre Unbeugsamkeit verständlich zu machen. Visuell der ligne claire verpflichtet, lässt Duhamel eindrücklich und mit satirischem Blick Sicherheitsdenken und Selbstbehauptung aufeinanderprallen und wirft Fragen auf, für die es keine einfachen Antworten gibt. Mit Madeleine hat er eine Protagonistin geschaffen, die einem lange im Gedächtnis bleibt.

Serena Blasco, nach Nancy Springer: Enola Holmes 1: Der Fall des verschwundenen Lords

An ihrem 14. Geburtstag wird Enolas Name (rückwärts «alone») zum Programm. Denn ihre Mutter verlässt das Haus und ist nicht wieder auffindbar; selbst Enolas grosse Brüder – keine Geringeren als Sherlock und Mycroft Holmes – kommen nicht weiter. Und mit der auf dem Land aufgewachsenen Schwester wissen die Männer auch nichts anzufangen, ausser sie in eine Töchterschule zu stecken. Zum Glück aber hat ihre Mutter Enola konsequent zur Selbstständigkeit erzogen – und sie hat Hinweise hinterlassen, die nur Enola entschlüsseln kann. Daher reist Enola lieber allein allein nach London, wo sie verkleidet ein eigenes Detektivbüro eröffnet und auf der Suche nach ihrer Mutter nebenbei einen entführten Jungen rettet. Mit Cleverness und Kühnheit lässt das junge Mädchen die gestandenen und in Geschlechterfragen zu Engstirnigkeit neigenden Detektive ziemlich alt aussehen. Die im französischen Original seit 2015 erschienenen Comics halten sich dabei in der Handlung viel näher an der gleichnamigen Buchvorlage (2006–2010, dt. ab 2019) der englischen Autorin Nancy Springer als die Netflix-Verfilmung von 2020 (Regie: Harry Bradbeer). Während das nur von Gaslaternen beleuchtete, dunkle und armutsverseuchte London aus dem Buch im Comic (wie übrigens im Film) kaum sichtbar wird, setzen Serena Blascos schwungvolle, in starken Pastelltönen gehaltenen Aquarellzeichnungen Enolas Esprit und eine gewisse Eigenwilligkeit visuell gelungen um.

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