CfP Deutschland(s) Bilder

Comicalités ist eine wissenschaftliche Internet-Zeitschrift aus Frankreich, die sich der Besonderheit und der Entwicklung der Ausdrucksformen, der Produktion und der Rezeption von Comics, Illustrationen, Karikaturen und Cartoons widmet. Eine der nächsten Ausgaben wird interdisziplinär die Themen „deutsche Comics“ und „Deutschland in Comics“ behandeln. Die Ausgabe wird von Dr. Marc Hieronimus betreut, der uns folgenden Call for Papers schickte:

„Deutschland(s) Bilder“

Deutschland ist nicht nur das zweitgrößtes Export- und viertgrößte Wirtschaftsland der Welt sowie der bevölkerungsreichste Staat der Europäischen Union, sondern auch das Land der Bücher – auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig werden jährlich 94.000 Neuerscheinungen und Neuauflagen vorgestellt, darunter fast 3.000 Comics.

Einst das Land der Musik und Gastfreundschaft, der Dichter und Denker sowie der Richter und Henker, versteht sich Deutschland heute als „Land der Ideen“. Seine Gesellschaft, unlängst noch „das glücklichste Volk der Welt“, ist durch den Pluralismus der Lebensstile und eine breite ethnische und kulturelle Vielfalt gekennzeichnet.

Diese Tatsachen und Klischees suggerieren, das Land von Wilhelm Busch gehöre auch zu den „großen Ländern“ der neunten Kunst und der Comic sei eine der bevorzugten künstlerischen Ausdrucksformen. Französische Leser kennen sicher Ralf König, vielleicht den Humoristen Walter Moers oder den Gewinner des „Prix de l’audace“ des Internationalen Comicfestivals in Angoulême Jens Harder, und jeder hat bereits ein Album einer Comicserie durchgeblättert, deren Protagonist eine Mission in Deutschland erfüllt… Anders gesagt, jenseits der Grenzen ist über Deutschland und seine Comics beinah nichts bekannt!
Dabei gibt es eine breite Comicforschung in Deutschland: Magazine wie Comixene oder das Comic! Jahrbuch, die von Eckart Sackmann herausgebene Reihe Deutsche Comicforschung, die Beiträge der Gesellschaft für Comicforschung Comfor, Portale wie der Deutsche Comicguide oder die Spezialbibliographie der Universität Bonn stellen das wachsende akademische Interesse unter Beweis, wenn wissenschaftliche Arbeiten von internationalem Rang auch immer noch die Ausnahme sind.

Aus diesem Grund ruft Comicalités zur Einreichung von Beiträgen zum Thema „Deutschland(s) Bilder“ auf. Wir erhoffen uns Artikel zu den drei folgenden Themenbereichen:

1. Comicmarkt und Verlagslandschaft

– Es wäre interessant, die Marktentwicklungen und wirtschaftlichen Strukturen der deutschen Comiclandschaft anhand ihrer Indikatoren (Titel, Verkaufszahlen…) zu analysieren und mit denen Frankreichs oder anderer Länder zu vergleichen

– Die deutsche Comiclandschaft könnte im Hinblick auf Genres (franko-belgische Comics, Mangas, US-Importe?), die Angebotspalette (Serien, Reihen?) und die Art der Verlage (Unabhängige, Großverlage?) etc. untersucht werden

– Wer liest Comics in Deutschland (Alter, soziale Schichtung?), was und wie viel (Häufigkeit, bevorzugte Genres?), wo und wie werden Comics gekauft (Antiquariat, Sammlungen?)…

– Ein Untersuchungsfeld ist die Comicübersetzung, begonnen mit den Herkunftsländern (USA, Japan, Frankreich?) über die Übersetzer (Ausbildung, Bezahlung) und das Verkaufsangebot (Remontage, Originalformat, Hardcover-Album?)…

– Das gleiche gilt für Vertrieb, Werbung und Marketing: Welche Rolle spielen Comics im Buchladen, in Bibliotheken, wie werden sie beworben (Ausstellungen, Signierstunden, Festivals?); auch der Medien- und/oder intellektuelle Diskurs zum Thema Comic ist zu erhellen (besonders der Stand der Comicrezension).

– Auch die Lage der Comicautoren kann untersucht werden: Ihre Ausbildung (Kunsthochschule, Universität?), Veröffentlichungsmöglichkeiten (in Deutschland, im Ausland?), Arbeitsbedingungen, Bezahlung, Sozialstatus…

2. Deutschlands Bildkultur

– Die Art(en) des deutschen Comics müssen erst noch herausgestellt werden. Hier wären stilistische Untersuchungen interessant (Zeichenstile, Text/Szenario) sowie die Frage nach den ausländischen Einflüssen; gibt es eine „deutsche Schule“?

– Die deutsche Zeichentradition könnte das Thema eines oder mehrerer Artikel sein; welche Traditionen, Einflüsse, Ähnlichkeiten gibt es bezüglich heutiger Comics und den erzählenden Bildern in Zeitung und Buch (Karikatur, Werbezeichnung, Kriegsbilderbogen)?

– Auch die Rolle des gezeichneten Bildes in der Bildung ist zu klären: Beiträge könnten den Einsatz von Comics (oder Comicauszügen) in Deutschland oder im Deutschunterricht untersuchen, sowie die Methodik der Lektüre und Analyse (z.B. im Vergleich mit anderen europäischen Ländern)…

3. Deutschland im Comic

– Die Darstellung Deutschlands und der Deutschen wirft zahlreiche Fragen auf; hier wäre es von Interesse, die beliebtesten Themen und Orte kritisch zu beleuchten (was ist z.B. Berlin für die Autoren: die Hauptstadt des Kaiserreichs, die der Weimarer Republik, Germania, die geteilte und wiedervereinigte Stadt, die Hauptstadt der elektronischen Musik…?)

– Ein weiter Untersuchungsgegenstand ist der Bezug zur deutschen Geschichte im Comic Welche Epochen und Ereignisse des Zwanzigsten und früherer Jahrhunderte interessieren Autoren und Verlage? Einige erklärende und ästhetische Ansätze (Zeichenstile, Erzählstrukturen…) wären willkommen…

– Stellen die Jahre 1933-1945 nicht den Großteil der Geschichtscomics mit Deutschlandbezug dar? Hier wäre es interessant, die einschlägigen Werke genauer zu beleuchten, z.B. im Hinblick auf die Vielfalt der Herangehensweisen (Krimi, Humorcomic…) und ihren Wandel (wie hat sich die Darstellung dieser problematischen Geschichte seit Die Bestie ist tot gewandelt?).

– Auch die Deutschlandklischees sind Untersuchungsthema: Was ist typisch für die Deutschen und ihr Land? Werden Deutsche nicht in erster Linie karikiert (man denke an die Pickelhauben in Asterix bei den Goten oder die Krypto-Deutschen in Franquins QRN ruft Bretzelburg)?

Leider können nur englisch- oder französischsprachige Texte veröffentlicht werden, aber dieser „Call for papers“ richtet sich an alle Forscher, unabhängig von akademischem Status oder Herkunft. Bei Interesse wird um die folgenden zwei Dokumente an die unten stehenden Adressen gebeten:
– Ein kurzer Lebenslauf, aus dem die wissenschaftlichen Forschungsgebiete ersichtlich werden.
– Ein anonymes Abstract von 3.000 Zeichen inklusive Leerzeichen ohne Formatierungen außer Fett- und Kursivschrift in Standardformat (Times New Roman 12 Punkt für den Text, 10 Punkt für Fußnoten, keine Einzüge oder Einrückungen, Zeilenabstand 1,5).

Einsendeschluss für die Abstracts: 1. März 2012

Das Abstract wird anonym von zwei Beiratsmitgliedern der Zeitschrift begutachtet. Bei Annahme wird der Beiträger um Einsendung eines Artikels von 25.000 bis 50.000 Zeichen inklusive Leerzeichen gebeten.

Benoît Berthou, Herausgeber der Zeitschrift Comicalités, Ben.berthou@orange.fr
Marc Hieronimus, Verantwortlicher Redakteur des Themas, marc.hieronimus@u-picardie.fr

(Ralf Palandt)

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