CFP: „The People vs. The Power Bloc“ (?) – Interdisziplinäre Perspektiven auf Pop und Populismen

Konferenz
12. Jahrestagung der AG Populärkultur und Medien in der Gesellschaft für Medienwissenschaft
Abteilung Medienwissenschaft
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
6. - 8. Februar 2020
Stichtag: 30.11.2019

Popkultur und Politik stehen in einem komplexen Verhältnis zueinander: Popkultur ist ebenso Seis­mograph politischer Entwicklungen wie zentrale Instanz für die Herausbildung politischer Identi­tät. Sie begleitet, kommentiert, kritisiert, unterstützt oder ignoriert politisches Geschehen. Zu­gleich bedienen sich politische Akteure über das gesamte Spektrum hinweg vielfältiger Pop-Strate­gien zur Popularisierung von Inhalten, zur Personalisierung ihrer Botschaften und zur Persuasion der Wählerschaft. In den letzten Jahren ist das massive und weltweite Erstarken politischer Akteu­re, die dem Bereich des Populismus zuzuordnen sind, zu konstatieren. Dies äußert sich insbeson­dere in einer Verschärfung des politischen Diskurses, in erheblichen Wählerwanderungen und da­mit verbundenen Neujustierungen des Parteienspektrums sowie in einem teils erheblichen Ver­trauensverlust in die etablierte Politik, in staatliche Institutionen, in das Mediensystem und in Eli­ten. Nicht nur in Europa ist daher bereits vielfach die Rede von einem ,illiberal turn‘ (Ivan Krastev 2018) als korrespondierende Entwicklung zur sogenannten ‚Postdemokratie‘ (Colin Crouch 2004). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Pop und Populismen mit neuer Dringlichkeit.

Einer der einflussreichsten Zugänge zur Beschreibung des Verhältnisses von Popkultur und Politik ist der der widerstreitenden Kräfte der ,people‘ gegen den ,power bloc‘: „The people versus the power-bloc: this […] is the central line of contradiction around which the terrain of culture is polarised. Popular culture, especially, is organised around the contradiction: the popular forces versus the power-bloc“ (Stuart Hall 1981). Diese Beziehung wird als eine dynamische gedacht, in der der ‚power bloc’ die hegemoniale Position kennzeichnet, der ‚the people‘ jedoch nicht passiv ausgeliefert sind, sondern der sie sich durch Aneignung und Umdeutung (populär-)kultureller Pro­dukte widersetzen können. Im Kontext von Pop und Popkultur verweist der Begriff ‚people‘ somit zumeist auf eigensinnige, kritische, emanzipatorische, progressive oder gar widerständige Prakti­ken von Menschen, womit meist eine Anbindung an progressive Milieus markiert wird. Es gehört daher zu den popkulturellen ,Gründungsmythen‘, popsozialisierte Subjekte und Wahlgemeinschaf­ten seien in ihren Grundzügen tendenziell fortschrittlich, liberal, international, emanzipativ, also ,irgendwie links‘. Kritik an Eliten (‚power bloc‘) bezieht sich im Pop zumeist auf konservative und reaktionäre politische oder kulturelle Kräfte sowie Akteure aus Wirtschaft und Finanzwelt. Dass ein solcher progressiv-emphatischer Popbegriff nicht mehr aufrecht zu erhalten ist und Popkultur ihren ideellen Anspruch – und sei es nur die implizite Idee, eben den Mythos davon – verloren hat, weshalb Pop nunmehr auch dezidiert rechte und reaktionäre Positionen nicht ausschließt, wurde schon vielfach konstatiert (u.a. Diedrich Diederichsen 1992 und 1999, Tom Holert und Mark Ter­kessidis 1996).
Auch der politische Populismus argumentiert zumeist entlang der Dichotomie von ,the people vs. the power-bloc‘, nun im Sinne eines zumeist anhand national-ethnischer Kategorien konstituierten und durch äußere oder innere Faktoren bedrohten ‚Volks‘, das systematisch gegen eine vermeintlich nicht am Volkswillen interessierte Elite aus etablierter Politik, Medien, Wirt­schaft, Wissenschaft und Kultur in Stellung gebracht wird. Dabei machen sich die Akteure popu­listischer Politik die erfolgreichen medialen und inszenatorischen Aufmerksamkeitsstrategien von Pop und Populärkultur dezidiert zu Nutze und bedienen sich spezifischer Pop-Strategien, um Inhal­te zu kommunizieren und ihre politischen Ziele zu erreichen. So werden ursprünglich klar zu veror­tende Kodes und Symbole übernommen und inhaltlich transformiert (etwa von links nach rechts, von international zu national) oder ursprünglich progressive Positionen für reaktionäre Zwecke an­geeignet (etwa Frauenrechte für xenophobe Argumentationen). Im popkulturellen Feld treten zu­dem verstärkt Akteure, etwa Musikschaffende, in Erscheinung, die sich von einem progressiv-em­phatischen Popverständnis implizit oder explizit absetzen und essentialistische Positionen etwa zu Heimat, Herkunft, Migration, Identität und Ethnie einnehmen und so die tatsächliche oder unter­stellte bisherige linke kulturelle Hegemonie im Pop herausfordern (so etwa Georg Seeßlen 2017). Mit Blick auf die neuen Akteure und Themen des politischen Populismus erscheint es daher not­wendig, das Verhältnis von Pop und Politik in seinen theoretisch-konzeptionellen wie auch prakti­schen Dimensionen neu auszuleuchten.

Im Rahmen der 12. Jahrestagung der AG Populärkultur und Medien sollen Wechselwirkungen, Wi­dersprüche und Passungen zwischen Pop und Populismen verschiedener Provenienzen – nicht nur rechter, sondern auch linker oder querliegender, aktueller wie auch historischer, aus dem europä­ischen und anglo-amerikanischen Raum ebenso wie anderen Regionen – diskutiert werden. Die AG und das Organisationsteam freuen sich über theoretische, empirische, historische sowie internati­onal und interkulturell vergleichende Einreichungen aus allen kultur-, sozial- und geisteswissen­schaftlichen Disziplinen zu den folgenden oder weiteren zum Thema passenden Schwerpunkten:

1. Populismen in der Popkultur

  • Inwiefern lässt sich der ,illiberal turn‘ in der Politik auch in der Popkultur konstatieren?
  • Inwiefern fungiert Pop als Träger populistischer Politik?
  • Welche Pop-Acts vertreten populistische Positionen in welcher Weise?
  • Welche Rolle spielt dabei Kritik an Eliten, Politik, Medien, Wissenschaft oder Kultur?
  • Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede weisen popkulturelle Populismen bzw. popu­listischer Pop im internationalen Vergleich auf?
  • Gibt es historische Traditionslinien oder Brüche hinsichtlich popkultureller Populismen bzw. populistischem Pop?
  • Anhand welcher Theorien und Methoden lassen sich diese Phänomene adressieren?

2. Akteure und Pop-Strategien des politischen Populismus

  • Welcher Popularisierungsstrategien bedient sich Populismus und inwiefern adaptiert er Strategien des Pop?
  • Welche Ästhetiken werden adaptiert, gibt es einen originären ,populist style‘?
  • Welche Analogien oder Differenzen bestehen in den Popularisierungsstrategien verschie­dener Populismen?
  • Welche Rolle spielen Pop-Praktiken als politische Mittel (Wähleransprache, Wählergewin­nung, Wahlkampf)?
  • Welche Rolle spielt Pop bei der Popularisierung und Normalisierung populistischer Positio­nen?
  • Anhand welcher Theorien lässt sich die Popularisierung des Populismus erklären (z.B. Nor­malisierungstheorien, Theorien zur Postfaktizität)?

3. Mediatisierung von Pop und Populismen

  • Wie manifestiert sich der Nexus Pop und Populismus in unterschiedlichen medialen Forma­ten (Musik, Video, Sprache, Performance etc.)?
  • Welche Rolle spielen redaktionelle (TV, Print, Radio etc.) und/oder soziale OnlineMedien (Facebook, Instagram, Twitter etc.) für den Zusammenhang von Pop und Populismus?
  • Welche Rolle spielen ‚alternative‘ Formen der OnlinePublizistik für die Popularisierung po­pulistischer Inhalte?
  • Welche Rolle spielen ‚fake news‘ und ‚alternative facts‘ bei der Popularisierung populisti­scher Positionen?
  • Welcher Medienstrategien bedienen sich Akteure des Populismus aus Politik und Popkul­tur?

4. Pop-Theorie und -Forschung zwischen Normativität und Distanz

  • In welcher Weise verstehen sich Pop, Popkultur, Populärkultur und ihre zugehörige Theo­riebildung und Forschung als politische Projekte?
  • Gibt es implizite oder explizite politisch-normative Grundlagen des Pop und wenn ja, worin bestehen sie?
  • Welche normativen Prämissen und Zielvorstellungen liegen der Forschung zu Pop und Politik zu Grunde und inwieweit reflektiert die Pop-Forschung diese?
  • Haben Pop und Pop-Forschung eine politische Verantwortung?

Einreichungen: Gewünscht sind Einreichungen für (1) Einzelpräsentationen, (2) thematische Pa­nels, (3) Poster-Präsentationen sowie (4) freie Formate.

(1) Einzelpräsentationen: Einreichungen für Einzelpräsentationen (Vortrag) umfassen ein Ab­stract mit max. 2000 Zeichen (inkl. Leerzeichen, Titel und Bibliographie mit max. fünf Titeln) sowie eine Kurzbiografie.

(2) thematische Panels: Vorschläge für thematische Panels umfassen drei bis vier Einzelvorträge (pro Einzelvortrag ein Abstract mit max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen, Titel und Bibliographie mit max. fünf Titeln), einen Rahmentext (max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen, Titel und Bibliogra­phie mit max. fünf Titeln), einen Vorschlag für die Panel-Moderation sowie Kurzbiographien.

(3) Poster-Präsentation: Einreichungen für die Poster-Session umfassen ein Abstract mit max. 2000 Zeichen (inkl. Leerzeichen, Titel und Bibliographie mit max. fünf Titeln) sowie eine Kurzbiografie.

(4) freie Formate: Einreichungen für freie Formate (z.B. Gespräche, Lesungen, Performances, fil­mische oder musikalische Beiträge) umfassen ein Abstract mit max. 2000 Zeichen (inkl. Leerzei­chen, Titel und Bibliographie mit max. fünf Titeln) sowie eine Kurzbiografie.

Die Beiträge können in deutscher oder englischer Sprache sein.
Deadline für alle Einreichungen: 30.11.2019
Rückmeldung über Zusage oder Absage: bis zum 20.12.2019
Einreichungen bitte per E-Mail an: agpopundmedien@googlemail.com
Tagungsausrichtende und Ansprechpartner:
Dr. Mario Anastasiadis, Universität Bonn, anastasiadis@uni-bonn.de
Dr. Charis Goer, Universität Utrecht, g.c.goer@uu.nl
Weitere Informationen: http://www.ag-pop.de/

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