CFP: La Bande dessinée au féminin : Tendenzen, Themen, Stile

Publication
lendemains - Dossier
Stichtag: 30.04.2021

Frauen in der Bande dessinée (BD) waren lange Zeit fast ausschließlich als von Männern gezeichnete Figuren präsent, deren Aussehen und Handeln in der Regel den Erwartungen einer überwiegend männlichen Leserschaft entsprachen. Ausnahmen bestätigten allenfalls diese Regel, wie Claire Bretécher (Les Frustrés) oder die in Métal Hurlant veröffentlichende Chantal Montellier (Andy Gang; Odile et les Crocodiles). So verwundert es nicht, dass seit den 1970er Jahren neben der Schöpferin von Agrippine nur Florence Cestac mit dem „Grand Prix de la Ville d’Angoulême“ geehrt wurde. Mit dem „Prix du meilleur album“ zeichnete die Jury des Festival de la Bande dessinée d’Angoulême im gleichen Zeitraum fast ausschließlich Männer aus, und nur Annie Goetzinger, Laurence Harlé und Marjane Satrapi konnten bislang diese Serie unterbrechen. So kam es 2016, als in Angoulême 30 Männer, aber keine Frauen für den „Grand Prix“ nominiert wurden, zu einem medienwirksamen Boykottaufruf, der immerhin zur Nachnominierung von sechs Autorinnen führte.

La BD féminine n’existe pas ?!

Seit der Jahrtausendwende organisieren sich BD-Autorinnen aufgrund ihrer strukturellen Benachteiligung zunehmend, um für ihre Anerkennung zu kämpfen. Dabei wehren sie sich nicht nur gegen die meist stereotype Darstellung von Frauen in der BD, sondern auch gegen die verbreitete Neigung, in einer reduktionistischen Weise von einer BD féminine und den ihr eigenen Schreibweisen und Narrativen zu sprechen. Eine solche Klassifizierung ist in der Tat ungerechtfertigt, entwickelte die wachsende Zahl von Autorinnen während der letzten Jahre doch eine große Bandbreite neuer Themen und Darstellungsweisen, die nicht auf einen Nenner zu bringen sind. Mag der Begriff der féminisation für die BD durchaus zu hinterfragen sein, so gilt dies nicht hinsichtlich ihrer in jüngerer Vergangenheit zunehmend weiblich geprägten Leserschaft.

Von dem wachsenden Selbstbewusstsein vieler BD-Künstlerinnen zeugt auch ihr immer stärkerer Organisationsgrad: Einen ersten Meilenstein bildet die 2007 von Chantal Montellier und Jeanne Puchol gegründete „Association Artémisia“, die nach dem Vorbild des Literaturpreises „Prix Femina“ jährlich den „Prix Artémisia“ auslobt. Eine Initiative Lisa Mandels aus dem Jahr 2013 führte zur Gründung des „Collectif des créatrices de bande dessinée contre le sexisme“, dessen Charta bislang über 250 weibliche Comic-Macherinnen unterzeichnet haben. Die wachsende Anerkennung von BD-Künstlerinnen in der Öffentlichkeit spiegelt nicht zuletzt die Tatsache, dass das „Institut français“ anlässlich der „Année de la bande dessinée“ (2020/21) den „Femmes puissantes de la BD francophone“ eine besondere Aufmerksamkeit widmet.

AuteurEs de bandes dessinées

Auch wenn weder von einer écriture féminine noch von einem imaginaire féminin in pauschalisierender Weise gesprochen werden kann, so stellt sich doch die Frage, ob es Aspekte gibt, die im Schaffen von BD-Künstlerinnen wiederkehren. Auffallend ist, dass gerade die jüngeren Autorinnen der nouvelle génération weniger populäre und auf Serialität basierende Subgenres des Mainstream bedienen als vielmehr experimentelle Formen des Underground-Comics und der Graphic Novel. Spielarten des autobiographischen und dokufiktionalen Erzählens sind besonders häufig anzutreffen (z.B. bei Zeina Abirached, Marguerite Abouet, Nine Antico, Chloé Cruchaudet, Dominique Goblet, Lisa Mandel, Marion Montaigne, Anouk Ricard, Marjane Satrapi und Marzena Sowa). Catherine Meurisse, die lange für Charlie Hebdo gearbeitet hat, 2020 für den „Grand Prix d’Angoulême“ nominiert und zudem als erste BD-Künstlerin in die „Académie des Beaux-Arts“ gewählt wurde, veröffentliche BDs, die von ihrem Interesse für Literatur und bildende Kunst zeugen. Nachdem sie nur durch einen Zufall dem Attentat gegen Charlie Hebdo entkommen konnte, verarbeitete sie 2016 ihr Trauma in La Légèreté, parallel zu den Scènes de la vie hormonale. Natürlich spielt der Feminismus für einige Autorinnen eine große Rolle, so im Schaffen von Catel oder Flore Balthazar, die ihre Bände besonders inspirierenden oder engagierten Frauen widmen (Kiki de Montparnasse, Benoite Groult, Joséphine Baker, Mylène Demongeot, Frida Kahlo). Wenn traditionelle Wahrnehmungs- und Darstellungsformen der BD aus weiblicher Sicht ironisch dekonstruiert werden, so gilt dies auch und gerade hinsichtlich binär organisierter Geschlechtsidentitäten. Eine Reihe von Autorinnen wendet sich daher Themen aus den Bereichen Homosexualität, Transgender und Queer zu, etwa die schon erwähnte Lisa Mandel (Super Rainbow), Julie Maroh (Le bleu est une couleur chaude) oder Chloé Cruchaudet (Mauvais genre). Andere Autorinnen, wie Aurélia Aurita und Claire Duplan, setzen sich mit vermeintlich typisch männlichen Themen (Geld, Karriere, Macht, Sex) auseinander, betrachten diese jedoch aus einer weiblichen Perspektive. Mirion Malle (Commando culotte) oder Pénélope Bagieu (Culottées, California Dreamnin‘) treten explizit als Feministinnen auf und setzen sich mit und in ihren Arbeiten für die féminisation de la bande dessinée ein.

Es deutet sich an, dass der Blick auf das Schaffen von BD-Autorinnen der letzten Jahre viele Überraschungen bereithält, und so sind die Themen und Stile ebenso zahlreich wie ihre Namen, von denen hier nur einige mehr genannt werden können: Cati Baur, Cécile Bidault, Julie Birmant, Véronique Cazot, Emilie Gleason, Marion Montaigne, Aude Pucault, Anouk Ricard, Julie Rocheleau, Anne Simon, Chloé Wary, Zelba… Ist es nicht an der Zeit, dass auch die Forschung das Schaffen von BD-Künstlerinnen auf ihre Agenda setzt? Mit unserem Lendemains-Dossier wollen wir eine erste Reise in diese terra incognita unternehmen. Sie sind herzlich eingeladen, uns hierbei zu begleiten!

Bei Interesse bitten wir bis zum 30.04.2021 um die Zusendung eines in deutscher oder französischer Sprache verfassten Abstracts (max. 300 Wörter) an eine der folgenden Adressen:

frank.leinen@hhu.de

marina.hertrampf@uni-passau.de

 

Links:

https://www.senscritique.com/liste/Ma_BDtheque_feministe/1416926

http://bdegalite.org/

http://bdzoom.com/110202/patrimoine/les-femmes-dans-la-bande-dessinee-europeenne-francophone%e2%80%a6/

https://www.institutfrancais.de/fr/starke-frauen-der-comic-szene

https://www.bedetheque.com/serie-59876-BD-Feministes.html