CFP: GfM-Jahrestagung 2022 »Arbeit«

Conference
Institut für Musik-, Medien- und Sprechwissenschaft (IMMS)
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
September 28 - October 01, 2022
Stichtag: 30.04.2022

Die Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) veranstaltet jährlich eine Tagung
zur Diskussion aktueller Themen des Fachgebiets und theoretischer sowie me

thodischer Entwicklungen der Medienwissenschaft. Neben der Präsentation von

Forschungsergebnissen bietet die Tagung Möglichkeiten, sich persönlich auszu

tauschen und mit wissenschaftspolitischen Fragen auseinander zu setzen. Das

Tagungsthema »Arbeit« fragt nach dem Verhältnis von Arbeit und Medien in der

ganzen Bandbreite von theoretischen, historischen und analytischen sowie me

dienpraktischen, sozialen und politischen Problemstellungen: von den gegenwär

tigen medialen Bedingungen und Ermöglichungen von Arbeit über Darstellungen,

Reflexionen, Modi und Formen des Arbeitens mit und in Medien sowie arbeitende

Medien hin zu den Arbeitsmodalitäten der Medienwissenschaft selbst.

Tagungsthema Arbeit

Arbeit bestimmt unsere Lage, beruflich wie privat. In der Regel sind es Medien, die
Möglichkeiten und Bedingungen von Arbeit darstellen: so wie das Arbeitsmedium

Schreibmaschine einst Anstellungsverhältnisse an Gender-Parametern ausrichtete,

gelten Interface-Technologien heute als Grundlage postindustrieller Tätigkeit. Die

Covid-19-Pandemie hat das Verhältnis zwischen Medientechnik und Arbeit zusätzlich

verschärft und in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen zu einem dringlichen The

ma werden lassen: etwa in Hinblick auf die schwindenden Grenzen zwischen Arbeit

und Freizeit oder Arbeits- und Wohnraum. Arbeitsbedingungen sind eng somit ver

zahnt mit Medientechniken und -umbrüchen. Medienwissenschaft zu betreiben be

deutet deshalb immer auch, über Voraussetzungen und Bedingungen des eigenen Ar

beitens nachzudenken. Die Frage nach dem Verhältnis von Arbeit und Medien bildet

somit einen Kerngegenstand medienwissenschaftlichen Arbeitens. Entsprechend lädt

die GfM-Jahrestagung 2022 dazu ein, Prozesse des Arbeitens medienpraxeologisch

zu reflektieren, medientheoretisch herzuleiten, medienhistorisch zu verorten, medien

ästhetisch zu fassen oder mediensoziologisch zu beschreiben.

Mit Locke, Smith und Marx wird Arbeit im 19. Jahrhundert zu einem zentralen Bezugs
punkt der Bestimmung von Selbst und Gesellschaft. Ökonomische und politische

Positionen des Industriekapitalismus verweisen auf Arbeitskraft und Produktionsmit

tel, Arbeitsweisen und Arbeitsteilung, Kapital und Markt. Sie beziehen sich zunächst

auch positiv auf die über Postverkehr, Telegraphie und andere Medien ermöglichte

Kommunikation unter Arbeitenden, ihre Organisation und erhoffte Kollektivität. Die

heute als Schubphase des Anthropozäns verstandene Explosion industrieller Lohn

arbeit ab 1870 beruhte gleichermaßen auf fossilem Kapital wie auf Formen medialer

Informationsverarbeitung innerhalb von Industrie und Staat. Versuche, nationale und

später globale Märkte zu etablieren, gelten nun ohne technische Medien als ebenso

wenig denkbar wie ohne soziale Massen, aus denen sich der/die Arbeiter:in bald ab

hebt als gebrochene, der eigenen Tätigkeit entfremdete oder umgekehrt ideologisch

überhöhte Figur. Im Kontext politischer Krisen und neuer Regimes der Sichtbarkeit,

die weiblich konnotierte Dienstleistungen, häusliche Verrichtungen oder koloniales

Zwangsschaffen nicht als Arbeit vorführen, sondern unsichtbar werden lassen (A.K.

Daniels) stellt sich damit auch die allgemeinere Frage nach dem Tätigsein des Men

schen und dem Unterschied zwischen
homo faber und animal laborans. So themati
siert Hannah Arendt das Verhältnis von Arbeiten und Herstellen,
labor and work, als
Gegensatz zwischen der vermeintlich isolierten, repetitiven, unproduktiven Tätigkeit

des Einzelnen und dem auf Dauerhaftigkeit angelegten Schaffen an einer geteilten

menschlichen Wirklichkeit.

Bestimmungen wie diese werden heute indes selbst zunehmend problematisch ange
sichts von Rationalitäten und Technologien, die Arbeit gar nicht mehr als gesicherte

Bezugskonstante für Selbst und Gesellschaft anbieten. Mit der Flexibilisierung von Ar

beit in der Nachkriegszeit, im Zuge von Prozessen, die sie entgrenzen und entwerten,

informalisieren und datafizieren, entstanden Grundlagen für ein gern pauschal dem

digital turn
zugeschriebenes ›Verschwinden der Arbeit‹, für »microwork« (Lilly Irani)
und »bullshit jobs« (David Graeber). Nun begleiten Medien anscheinend nicht nur, sie

begründen die Prekarisierung menschlichen Tuns, die ›Plattformisierung‹ kultureller

Produktion, das Automatisieren, Fremdsteuern, De-Skilling und Monitoring einst

mals qualifizierter Arbeitskraft. Arbeit wird dank Medien immateriell; so liegt es für

die Politik nahe, anstehenden Arbeitsplatzverlusten aufgrund von Kohleausstieg und

Strukturwandel mit Visionen kreativer Hubs und Medienarbeit zu begegnen. Während

die Open Source-Szene oder die Maker-Bewegung eine Rückkehr zur freiwilligen, un

entgeltlichen, allein am Gebrauchswert orientierten Arbeit feiern, wird die von namen

losen User:innen geleistete Arbeit auf werbefinanzierten Plattformen zum Problem.

Medienarbeit ist heute nicht einfach nur abstrakt risikobehaftet im Sinne von »ventu

re« oder »aspirational labor« (Gina Neff, Brooke Erin Duffy), sie schadet mitunter ganz

konkret den ausführenden Subjekten, wie etwa Facebooks Content Moderator:innen.

Arbeit ist also kein einfacher Begriff philosophischer oder politischer Bestimmung
und als Topos nicht auf einen schlichten Nenner zu bringen: Sie lässt sich funktional

weder auf eine Trias medialer Speicherung, Übertragung und Verarbeitung reduzieren

noch durch eine klassische Kulturtechnikforschung analysieren, die sich vornehmlich

auf basale und historische Kulturtechniken des Schreibens, Lesens und Rechnens

beschränkte. Vielmehr ist Arbeit gekennzeichnet durch eine Heterogenität medialer

Praktiken – etwa des Organisierens, Produzierens, Überwachens, Redigierens, Identi

fizierens, Visualisierens, Folgens, Archivierens, Verzettelns oder Delegierens mit je

spezifischen materiellen und informatischen Medientechniken der Ermöglichung und

Begrenzung. Arbeit, gleich ob von Mensch oder Maschine ausgeführt, steht in einem

Spannungsfeld von Ermächtigung und Disziplinierung.

An Orten der Medienkultur finden heute Formen verteilter Arbeit statt, die in klassi
schen Analysen von Newsrooms oder Karrieren oft vernachlässigt wurden. Rechen

zentren, Server-Farmen, Amazons Lagerhäuser oder Operations Rooms sind nicht

allein Orte der zentralen Daten- und Warenakkumulation und -verarbeitung, sondern

auch Orte, an denen Maschinen mit Menschen Arbeit verrichten; das gleiche gilt für

Film-, Fernseh-, Musik-, Game- oder Designstudios. Zur Medienarbeit gehören mithin

Signalverarbeitung, Nachbearbeitung und KI-gesteuerte Prozesse. Die Medienwis

senschaft beschreibt Arbeit in und mit Medien entsprechend mit einer Vielzahl von

Begriffen unterschiedlicher Theorietraditionen, von Jürgen Habermas‘ Ausführungen

zu »Arbeit und Interaktion« über Arlie Russell Hochschilds Verständnis von »emotional

labor« hin zu Bruno Latours Konzept der »delegation of work« oder den in Arbeiten

der Science and Technology Studies umlaufenden »boundary objects«; von Beobach

tungen zur »liquid media work« (Mark Deuze) über die »hope labor« (Kathleen Kuehn/

Thomas F. Currigan) hin zu »playbour« (Julian Kücklich). Und während sich für foto

grafische und audiovisuelle Medien die Frage nach Abbild- und Vermittelbarkeit stellt,

verweist im künstlerischen Bereich die Abkehr vom Werkbegriff hin zum Oberbegriff

der Arbeit (Sound Work, installative Arbeit usw.) für Produkte künstlerischer Tätigkeit

unter anderem auf die mediengestützte Prozesshaftigkeit von Erfahrung.

Auch die Medienwissenschaft selbst organisiert sich über Arbeitsfelder, arbeitet am

Medienbegriff und analytisch an unterschiedlichen Gegenständen des Medialen.

Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet die GfM als zentrale Fachgesellschaft, in

sofern sie den inneren Zusammenhalt und die äußere Wahrnehmbarkeit des Faches

herzustellen und zu fördern sucht. Ein Großteil dieser Arbeit läuft über 27 Arbeits

gruppen, die im Selbstverständnis der GfM das eigentliche dezentrale Zentrum der

Gesellschaft bilden. Die Arbeitsgruppen schaffen eine Binnendifferenzierung der

Medienwissenschaft auf gegenständlicher, theoretischer und methodischer Ebene,

stecken überdies Grenzen zu Nachbardisziplinen ab. Der damit unvermeidlich ent

stehenden Unübersichtlichkeit und ›Silisierung‹ begegnet die Jahrestagung 2022 mit

einem Format, das die Arbeitsgruppen stärker würdigt und im Blick auf das Tagungs

thema »Arbeit« miteinander ins Gespräch bringt.

Format und Einreichungsmodalitäten

Das Konferenzprogramm besteht aus drei Veranstaltungstypen: individuellen Ein

reichungen für Einzelvorträge, Zentralveranstaltungen für alle Teilnehmer:innen und

prä-konstituierten Panels, für die 2022 indes besondere Regeln gelten.
Wie in früheren Jahren können Einzelvorträge eingereicht werden. Zudem gibt es
neben der regulären Mitgliederversammlung wie bislang für die gemeinsame Teil

nahme aller Gäste vorgesehene Slots für den fachlichen und sozialen Austausch. Im

Unterschied zu den Vorjahren gilt für die Auswahl und Programmgestaltung prä-

konstuierter Panels 2022 hingegen ein anderer Standard: Besonders erwünscht und

entsprechend gezielt bevorzugt werden zum einen aus den AGs heraus vorgeschla

gene Panels, die also die fachlichen Positionen einer jeweiligen AG zum Tagungsthe

ma pointiert vorstellen; dies auch im Sinne einer Einladung an bisher weniger in AGs

vernetzte oder mit diesen kommunizierende Mitglieder, ihre Forschungfelder mit den

Arbeitsgruppen in einen Dialog zu bringen. Zum anderen sind Panels erwünscht, die

zwei oder mehr AGs entlang der jeweils fachlich erwünschten Differenzierungen ins

Gespräch bringen. Im Hauptprogramm nicht zentral vertreten sein sollen hingegen Pa

nels, die nur von den Mitgliedern einer einzelnen Einrichtung oder aus einem isolierten

Forschungszusammenhang heraus gebildet werden. Entscheidend für die Annah
me der Einreichungen sind somit (a) bei allen Eingängen die deutliche Passung zum
Tagungsthema sowie (b) bei den prä-konstituierten Panels der konstruktive Bezug zu

einer oder mehreren Arbeitsgruppen der GfM.

Einreichungen für Einzelvorträge umfassen: Vortragstitel, Abstract, Kurzbibliografie

zum Zusammenhang von Vortrags- und Tagungsthema (max. 5 Titel) sowie Kurzbio

grafie (insgesamt max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen). Im Falle einer Aufnahme ins

Tagungsprogramm werden Einzeleinreichung zu thematisch passenden Panels zu

sammengeführt.

Einreichungen für Panels umfassen: 3-4 Einzelvorträge (Titel, Abstract, Bibliografie,

Kurzbio; insgesamt max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen), einen Rahmentext (eben

falls max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen), der den Zusammenhang der einzelnen

Beiträge und das Thema des Panels im Rahmen der Tagung erläutert sowie einen Vor

schlag für die Moderation. Es wird erwartet, dass die Arbeitsgruppen bei Interesse an

einer von ihnen vorgeschlagenen Panel-Einreichung selbst aktiv werden, gern auch in

Rücksprache mit den Tagungsorganisator:innen, um Überschneidungen zu vermeiden.

Deadline für alle Einreichungen ist der 31. April 2022. Einreichungen

erfolgen ab 15. Februar 2022 ausschließlich über das externe Conf-Tool,

www.conftool.pro/gfm2022
. Verspätete Einreichungen können nicht
berücksichtigt werden. Die Benachrichtigungen zur Annahme oder Ableh

nung erfolgen per E-Mail zum 15. Mai 2022.

Tagungsablauf

Die Jahrestagung 2022 findet nach den dann bundesweit geltenden Hygiene

standards in Präsenz vor Ort in Halle/Saale statt. Eine Übersicht empfehlenswerter

Unterkünfte in Halle wird Mitte Mai verfügbar gemacht; eine frühzeitige Buchung wird

ausdrücklich empfohlen. Halle ist als zentraler bundesdeutscher ICE-Knotenpunkt aus

allen Landesteilen sehr gut mit der Bahn, über den Flughafen Leipzig/Halle auch aus

der Luft zu erreichen. In Leipzig stehen zahlreiche weitere Unterkünfte zur Verfügung,

die Fahrtzeit beträgt je nach Verkehrsmittel und -lage zwischen 20 und 60 Minuten,

zwischen Berlin und Halle liegt sie im ICE bei 60 Minuten. Alle Veranstaltungsorte be

finden sich in der Innenstadt Halles und sind problemlos zu Fuß zu erreichen.