Die ComFor auf dem 15. Internationalen ComicSalon in Erlangen

Am Donnerstag beginnt der viertägige Internationale ComicSalon Erlangen. Ein Teil seiner Veranstaltungen und seiner über zwanzig Ausstellungen ist Comics aus dem arabischen Raum gewidmet, die sich mit den verschiedenen Krisengebieten auseinander setzen. Comic-Künstler aus Ägypten, Algerien, Marokko, Tunesien, dem Libanon, Jordanien und den Palästinensischen Gebieten sind vertreten. Die Comic-Historie wird u.a. mit der Ausstellung über den Comic- und Trickfilm-Pionier Winsor McCay abgedeckt (siehe auch Winsor McCay 1869-1934). Aktuelle deutsche Zeitungscomics erlauben einen Blick auf das Comic-Geschehen im eigenen Land. Über alle Ausstellungen, Veranstaltungen, die Messe und die Börse informiert die ComicSalon-Homepage.

Auf Einladung von ComicSalon-Leiter Bodo Birk hat auch die ComFor dankenswerter Weise wieder ein Forum vor Ort. Nina Mahrt, Clemens Heydenreich und Bernd Villhauer haben ein Vortragsprogramm zusammengestellt, das für Comicfachleute wie auch -laien gleichermaßen spannend und interessant ist. Neben acht ComFor-Mitgliedern konnte zusätzlich Lukas Wilde hinzu gewonnen werden. Die Vorträge docken sich an Ausstellungsthemen des ComicSalons an. Wobei der Block am Freitag stoff- und inhaltsbezoge Comicforschung präsentiert. Der Block am Samstag fokussiert die Strukturen und Subgattungen des Mediums. Der Block am Sonntag ist historischen Längs- und Querschnitten gewidmet. Zudem widmet sich eine ebenfalls von Clemens Heydenreich moderierte Podiumsdiskussion dem Thema “Krieg, Gewalt und Tod im Comic” (siehe den Veranstaltungshinweis ganz unten).

Das Vortragsprogramm der ComFor auf dem 15. Internationalen ComicSalon in Erlangen
Ort: Rathaus, Raum Nr. 117, 1. Stock

Freitag, 08. Juni 2012, 11:00 – 13:30 Uhr
Panel 1: Gegenstände – Der Nahe und Mittlere Osten im Comic
Moderation: Dr. Clemens Heydenreich

Ca. 11:05 Uhr: Jüdische SuperheldInnen als Spiegelbilder der Geschichte Israels
Von Ralf Palandt (München)

Das Bild von der Welt in unseren Köpfen wird nicht nur durch die tagesaktuellen Massenmedien geprägt, sondern auch durch weitere Medien, auch durch Comics. Unter anderem transportieren Comics – manchmal mehr, manchmal weniger offen – historische Inhalte, gefärbt durch die jeweiligen Intentionen der AutorInnen, ZeichnerInnen und HerausgeberInnen. So wurden und werden die Lebensläufe und Kräfte bzw. Fähigkeiten jüdischer SuperheldInnen mit der Geschichte Israels verknüpft. Ein Beispiel dafür, wie in Comics neben den eigentlichen Geschichten weitere Subtexte vermittelt werden.

Ca. 11:50 Uhr: Von Marjane Satrapis „Persepolis“ bis „Zahra’s Paradise“: Das Iran-Bild im Spiegel persischer Comic-Autoren
Von Martin Frenzel (Darmstadt)

Kaum ein Land erregt zurzeit derart Aufsehen wie der Iran: Einst „Weltreich des Geistes“, Ort der „tausend Mythen“, das Persien mit 5000 Jahre alter Hochkultur, heute Hort eines brutal-repressiven Regimes, einer „verschleierten Hochkultur“, die Freiheits- und Menschenrechte mit Füßen tritt, den Weltfrieden durch den Griff nach der Atombombe aufs Spiel setzt. Aber auch: Ein Land mit einer hellwachen, modernen, gut ausgebildeten und weltoffenen Generation Facebook, der Keimzelle der neuen Grünen Demokratie-Bewegung des Irans. Der Vortrag schlägt einen Bogen von Marjane Satrapis Exil-Opus-Magnum „Persepolis“ bis hin zum bemerkenswerten Internetcomic des Duos Khalil und Amir, „Zahra’s Paradise“, zu Ehren der Opfer der blutig niedergeschlagenen Grünen Revolution von 2009. Auch Parsua Bashis Comic-Autobiografie „Nylon Road“ und der beklemmend kafkaeske neue Comic-Roman „Une Métamorphose iranienne“ (Eine iranische Metamorphose, 2012) von Mana Neyestani zeigen: Der Comic eignet sich als Träger politisch-aufklärerischer Inhalte. Gerade „Persepolis“ und „Zahra’s Paradise“ haben hier mit Blick auf die Wechselwirkung zwischen Alltag und Politik neue Maßstäbe gesetzt.

Ca. 12:35 Uhr: Aktiv für die (gute) Sache: Westliche Comic-Beiträge zum Nahostkonflikt
Von Dr. Catherine Michel (Berlin)

Guy Delisles Chroniques de Jérusalem (2011), Gewinner des diesjährigen « Fauve d’Or » von Angoulême ist der jüngste Beitrag einer immer größer werdenden Reihe von Comics, die den Nahostkonflikt in den Blick nehmen. Gleichzeitig ist diese Graphic Novel ein weiteres Beispiel der Aktivität westlicher Comiczeichner, die von „außen“ auf diesen Konflikt schauen, sich dazu ihre eigene Meinung gebildet, politisch positioniert und Comics für sich als meinungsvermittelndes Medium entdeckt haben.
Die überwiegende Mehrheit dieser Autoren macht dabei deutlich, dass sie mit ihrer Arbeit dem palästinensischen Narrativ, das im Gegensatz zum israelischen in den westlichen Medien wenig bis gar nicht zu Wort kommt, eine Stimme geben wollen. Comics werden so zu politischer Literatur, die darauf abzielt, die Leserschaft zu überzeugen, wobei von den Zeichnern ein nicht unerheblicher Teil ihrer Überzeugungsarbeit mittels der Sprache des Mediums geleistet wird.
Anhand von zahlreichen Bildbeispielen werden im Vortrag das große Spektrum der westlichen Nahostkonflikt-Comics präsentiert und anschaulich deren Überzeugungsstrategien erläutert.

Samstag, 09. Juni, 11:00 -13:30 Uhr
Panel 2: Gefüge – Formen und Funktionen des Mediums Comic
Moderation: Dr. Clemens Heydenreich

Ca. 11:05 Uhr: Erzähl-Rahmen, Erzähl-Räume. Seitenarchitekturen und Raumkonstituierung in Winsor McCays „Little Nemo in Slumberland“
Von Sigrun Galter (Marburg)

Wie können Comics erzählen? Diese Frage wurde Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich erste Konventionen des jungen Mediums herausbildeten, von Comiczeichnern produktiv verhandelt. Einer der frühen experimentellen Comickünstler ist Winsor McCay. Für ein breites Publikum schuf er begeisternde und zugleich irritierende Comics. Besonders auffällig war für die damaligen wie die heutigen Leser die Seiteneinteilung in „Little Nemo“: Kaum eine konventionelle Panelreihung – hier verschachteln sich unterschiedlich geformte Panels, türmen sich treppenartig auf, durchbrechen große Kreis- und Panorama-Panels die Seitenrasterung. McCay spielt mit demonstrativ unregelmäßigen, oft dekorativen Layouts seiner Comicseiten. Dabei treten die Seitenarchitektur und der erzählte Raum des Schlummerlands in spannungsvolle Beziehungen, wie anhand einiger Beispiele diskutiert werden soll.

Ca. 11:50 Uhr: Phänomen „Tobias Seicherl“ – der erste deutschsprachige Daily Strip vor, während und nach der NS-Zeit
Von Harald Havas (Wien)

Auf mehrere tausend Strips brachte es die ab 1930 in Wien erschienene und in vielerlei Hinsicht einzigartige Comic-Serie „Tobias Seicherl“ von Ladislaus Kmoch. Die von der Comicforschung weltweit viel beachtete Serie erschien täglich, bis in den Zweiten Weltkrieg hinein, war ein veritabler Gagstrip amerikanischer Prägung, politisch (wandelbar), im Dialekt gehalten und feierte auch in der Nachkriegszeit ein fulminantes Comeback. Ein Überblick über das Phänomen mit vielen verblüffenden Details.

Ca. 12:35 Uhr: Typen der Gewaltinszenierung in Comic, Manga und Graphic Novel
Von Prof. Bernd Dolle-Weinkauff (Frankfurt/M.)

Der Vortrag untersucht die Wort- und Bildsprache in einigen ausgewählten Comic-Beispielen aus unterschiedlichen Genres und unterschiedlicher Herkunft im Hinblick auf der jeweiligen Strategien der Inszenierung von Gewalt. Anhand von Auszügen aus Harold Forsters „Prinz Eisenherz“, einer „Batman“-Episode von Frank Robbins and Dick Giordano, Hugo Pratts „Südseeballade” und Nobuhiro Watsukis Samurai-Manga “Kenshin” soll gezeigt werden, wie jeweils verschiedene graphische Handschriften und Techniken der Montage und des Layouts sowie die unterschiedliche Gewichtung verbalerzählerischer Mittel bestimmte Akzentuierungen der Handlung erzeugen und damit verantwortlich für einen mehr oder minder hohen Suggestions- und Aggressionsgrad der Erzählung sind.

Sonntag, 10. Juni, 11:00 – 13:30 Uhr
Panel 3: Geschichte – Entwicklungen des Erzählens in Bildern
Moderation: Dr. Clemens Heydenreich

Ca. 11:05 Uhr: Bilder der Wahrnehmung, Bilder von Relationen: Die versteckten Diagramme der Comicwelt
Von Lukas Wilde (Erlangen)

Wenn vom Comic als ‚Erzählung mit Bildern’ die Rede ist, wird eine große Einstimmigkeit zumeist einfach vorausgesetzt: was den Status einer flächigen Darstellung als ‚Bild’ ausmacht. Anders als ein Diagramm oder eine Karte, welches seinem Objekt nur in der Beziehung der Teile untereinander entspricht, versteht man unter einem ‚Bild‘ eine Repräsentation der sinnlichen Wahrnehmung. Aber wem oder was ähnelt dieser Donald Duck eigentlich? Und sehen sich nicht oft alle Akteure eines Zeichners ähnlicher als die verschiedenen Bruce Waynes unterschiedlicher Interpreten? Wenn wir Cartoons wie die Peanuts betrachten, lassen sich sofort frappierende Ähnlichkeiten zu Diagrammen und Karten konstatieren: Einige Linien stehen für Wolken, andere für Haare; und über Lucys Aussehen wissen wir nur etwas im Vergleich zu Charlie Brown. Anhand der Entwicklung des Comics, von den Karikaturen Rodolphe Toepffers bis zum gegenwärtigen Manga, verfolgt der Vortrag gänzlich gegenläufige Bildfunktionen, manchmal sogar in ein und demselben Panel: Wenn die Manga‐Hauptfiguren nur schematisch angedeutet werden, während Hintergründe in voller sinnlicher Wahrnehmung erstrahlen, wenn sich Darsteller in „Super deformed“‐Affektbildern in reine Relations‐Skizzen zurückverwandeln, dann sieht man, mit welcher Bandbreite an visuellen Phänomenen der Comic jonglieren kann, die eigentlich ganz verschiedenen Bereichen der „Sichtbarkeit“ angehören.

Ca. 11:50 Uhr: Pharao und Meisterdieb. Die „Mumienbücher“ des Carl Maria Seyppel. Comic-Kuriosa Ende des 19. Jahrhunderts
Von Prof. Dietrich Grünewald (Koblenz)

Neben Wilhelm Busch und Lothar Meggendorfer gehört der Düsseldorfer Maler Carl Maria Seyppel (1847 – 1913) zu den wichtigsten deutschen Künstlern, die sich im 19. Jahrhundert der Bildgeschichte verschrieben hatten. Höchst originell ist seine Altägyptische Trilogie. Die drei „Mumienbücher“ (Schlau, schläuer am schläusten, 1882; Er-Sie-Es, 1883; Die Plagen, 1884) knüpfen an die damalige Begeisterung für Archäologie an. Dank eines patentierten Verfahrens erscheinen die humorig-pfiffigen Geschichten um Pharao Rhampsinit III. medial als siegelbewahrte „uralte“ Bücher. Die Erzählweise und Gestaltung orientiert sich an den altägyptischen „Totenbüchern“, die 1842 Richard Lepsius übersetzt und publiziert hatte.

Ca. 12:35 Uhr: Streifzug durch die Streifenwelt. Von Little Nemo bis Fritz Walter – wenig Bekanntes zu Strips in deutschsprachiger Presse
Von Heiner Jahncke (Hamburg)

Während die selbstständigen Comicveröffentlichungen (also Hefte, Alben, Bücher u.Ä.) naturgemäß sehr viel besser bekannt sind, gibt es bei den Strips in anderen Medien (Zeitungen, Zeitschriften / Illustrierte, Romanhefte usw.) immer noch große weiße Flecken. Viele im Laufe der Zeit erschienenen Serien sind höchstens noch einzelnen Spezialisten ein Begriff und selbst bei gut bekannten Serien gibt es oft noch erstaunliche Fakten, die den meisten nicht geläufig sind. Wer weiß z.B., dass es auch Little Nemo als deutschsprachige Zeitungsveröffentlichung gegeben hat, und zwar gleich zweimal – mit rund 60 Jahren Abstand. Oder dass gerade der Strip durch seinen Charakter als bloße „Zugabe“ zu bestehenden Publikationen neben ausländischem Lizenzmaterial auch vielen deutschen Zeichnern Veröffentlichungsmöglichkeiten bot, die sie sonst aus kaufmännischen Gründen oft nicht hatten. Das betrifft nicht nur die Menge der gedruckten Strips, sondern auch ihre thematische und stilistische Vielfalt.

Samstag, 9. Juni, 15:00 Uhr
Ort: Stadtbibliothek, Bürgersaal (2. OG im Palais Stutterheim)
Podiumsdiskussion der Gesellschaft für Comicforschung mit Prof. Bernd Dolle-Weinkauff, Martin Frenzel, Prof. Dietrich Grünewald und Dr. Catherine Michel
Moderation: Dr. Clemens Heydenreich

Von der explodierenden Pfeife des Lehrers Lämpel bis zum Ziegelstein, der Krazy Kats Kopf trifft: Gewalt ist als Bestandteil grotesker Komik nicht aus den Anfängen des modernen Comics wegzudenken. Mit dem „Unkomischen“ im Superhelden- oder Thriller-Genre erschloss sich die Bildergeschichte auch Tod und Krieg als Gegenstand, und die thematisch unbegrenzte Graphic Novel der Jetztzeit behandelt reale Kriege, historische Mordfälle oder psychische Gewalt. Wie, warum und wem erzählt der Comic vom Töten? Tut er es anders als andere Künste? Tut er es heute anders als früher und in Japan anders als in Palästina? Gibt es Comic-eigene Traditionen und Tabus? Eine Runde aus einschlägig befassten Comic-Forschern sucht nach Antworten.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Kunstpalais im Rahmen der Ausstellung „töten“

 

(Ralf Palandt mit Dank an Clemens Heydenreich)

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