Workshop
Stichtag: 30.November 2013
Gewalter fahrungen aus unterschiedlichen Perspektiven spielen in
biographischen Erzählungen über die Zeit des Zweiten Weltkriegs eine
wichtige Rolle und haben in der Auseinandersetzung mit der
Nachgeschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen besondere
Aufmerksamkeit und Reflexion erfahren. Die Bedeutung dieser
Gewalterzählungen im Kontext gesellschaftlicher, insbesondere national
ausgerichteter Identitätskonstruktionen ist seit längerem Gegenstand
differenzierter Reflexion und Theoriebildung. Dagegen blieb der
auto/biographische Charakter vieler dieser Erzählungen bislang wenig
beleuchtet – auch wenn gerade in jüngster Zeit angesichts des Umbruches
zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis die Bedeutung und
Geschichte der Figur des “Zeitzeugen”, und das Verhältnis zwischen
ZeithistorikerInnen und ZeitzeugInnen neu befragt wurde.
Das Erzählen über Erfahrungen des Nationalsozialismus und des Zweiten
Weltkriegs ist, so die Ausgangshypothese des geplanten Workshops, immer
auch Teil eines individuellen Projekts der Autobiographie, das sich im
Prozess des Lebenslaufs immer wieder verändert, verdichtet und
verschiebt. Anknüpfend an Konzepte der Erzählforschung ebenso wie der
Oral History nähert sich der Workshop daher dem Erzählen über
Gewalterfahrungen anhand von Fragen nach der Bedeutung dieses
biographischen Erzählens für die Einzelnen. Dabei sollen nicht nur
spezifische autobiographische Praktiken und unterschiedliche
Performanzen biographischer Narrative thematisiert werden, sondern es
soll vor allem auch nach den Konstellationen gefragt werden, in denen
historisch vermittelte kulturelle Muster des Autobiographischen in
sozial variierenden Praktiken des Erzählens angewandt werden. Auf die
(wenig reflektierte) kulturelle Ressource des auto/biographischen
Erzählens in der ersten Person Singular wird in spezifischen Situationen
zurückgegriffen, wenn individuelle Impulse und Motive des Erzählens über
Gewalterfahrungen mit gesellschaftlichen Instanzen und Interessenslagen
zusammentreffen, die diese biographischen Erzählungen nachfragen,
veröffentlichen, instrumentalisieren, oder auch ablehnen oder
verschweigen. Dies gilt für die Berichte von Überlebenden von
Deportation und Vertreibung, von Lagern, Zwangsarbeit, sexualisierter
Gewalt und Kriegsgefangenschaft, gilt aber auch für die Erinnerungen von
vielen Angehörigen jener Gruppen, die selbst Gewalt ausübten.
Die Historizität dieser Konstellationen und der Erzählungen, die in
ihrem Kontext seit 1945 entstanden sind und entstehen, bilden den Fokus
des Workshops. Anliegen des Workshops ist es, diese Fragen in einer
erweiterten und vergleichenden Perspektive auf die europäische und
globale Nachgeschichte des Zweiten Weltkrieges zu reformulieren und
nochmals theoretisch durchzudenken. Die historische Dynamik dieser
Konstellationen und der Entstehungszusammenhang der Erzählungen stehen
dabei im Fokus. Hier gilt es nachzufragen, wer in welchen historischen
und kommunikativen Konstellationen und in welcher biographischen
Situation über Gewalterfahrung erzählt. Diese Nachfrage richtet sich
auch an diejenigen, die solches Erzählen anstoßen, provozieren,
unterstützen. Was ist wann in welcher Form in einer Gesellschaft
erzählbar, wann nicht, wann nicht mehr? Wie verhalten sich
autobiographische Erzählungen zu erinnerungspolitischen Konstruktionen
von Identität, Authentizität, (Zeit)ZeugInnenschaft?
Es sind also die Nachgeschichten der Geschichte des Zweiten Weltkrieges
im Modus des Auto/Biographischen und deren Konstellationen, auf die sich
der Workshop konzentriert:
– die globale Dimension von Nachgeschichten: Eine differenzierte
Diskussion über Erzählungen von Gewalterfahrungen des Zweiten
Weltkrieges bedarf des Vergleichs zwischen Erzählungen unterschiedlicher
lokaler, nationaler, europäischer und außereuropäischer Provenienz, die
heute deutlich durch die Logik transnationaler Großprojekte geprägt
sind.
– die Vielfalt der Formen und Formate von Nachgeschichten: Das
autobiographische Erzählen über Gewalterfahrung manifestiert sich in
Formen des Sprechens, Schreibens, Bebilderns und deren Kombinationen,
die durch spezifische Medienlandschaften und Muster der Reduktion von
Komplexität beeinflusst sind.
– die unterschiedlichen individuellen wie gesellschaftlichen, durchaus
nicht immer in Einklang miteinander stehenden Rahmungen dieser
Nachgeschichten: Politisch initiierte Archivprojekte, pädagogische oder
künstlerische Konzepte, aber auch medial sehr erfolgreiche TV-Formate
von ZeitzeugInnen-Interviews können sich etwa mit biographischen und
familiengeschichtlichen Ambitionen der Einzelnen treffen, diesen aber
auch widersprechen. Von besonderer Relevanz ist hier die Frage nach der
Genderspezifik im Zusammenhang auto/biographischer Erzählungen über
Gewalt, der Inhalte des Erzählens ebenso wie der
Erzählbarkeit/Nichterzählbarkeit und der Performanzen dieses Erzählens.
Eine derartige, historisch differenzierende Bestandsaufnahme des
auto/biographischen Erzählens über Gewalterfahrungen im Hinblick auf den
Zweiten Weltkrieg ist als Intervention zu verstehen, die kritische
Reflexion nicht zuletzt auch der wissenschaftlichen Arbeit mit diesen
Erzählungen, aber auch der Kommunikation mit ZeitzeugInnen
voranzutreiben.
Die VeranstalterInnen erbitten Vorschläge für Diskussionsbeiträge zu den
skizzierten Fragen, für Beiträge, die in bestehende Denkweisen und
Praktiken eingreifen und auf Logiken und Routinen aufmerksam machen, um
diese für neue Perspektiven und Reformulierungen zu öffnen.
Die Arbeitssprachen der Konferenz sind Deutsch und Englisch. Die
Aufenthaltskosten werden von den VeranstalterInnen getragen, die bemüht
sein werden, auch für die Reisekosten eine gesonderte Förderung zu
erhalten.
Bewerbungen in Deutsch oder Englisch mit einem Exposé des Themas im
Umfang von maximal 3.500 Zeichen und einer Kurzbiographie sind mit dem
Betreff “Workshop 2014” bis zum 30. November 2013 zu richten an
cfp@vwi.ac.at
Der Vortrag selbst soll nicht länger als 20 Minuten dauern.
Über die Annahme des Proposals entscheidet eine von den
VeranstalterInnen zusammengesetzte Jury. Der Erhalt des Proposals wird
umgehend bestätigt. Sollten Sie keine Bestätigung erhalten bitten wir
Sie, diese zu urgieren.
Idee: Johanna Gehmacher Klara Löffler
Konzept: Johanna Gehmacher, Éva Kovács, Klara Löffler und Béla Rásky
Organisation: Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI)
Call for Papers
Experiences of violence from a range of perspectives constitute an
important part of the body of biographical narrative about the period of
the Second World War; they have been granted particular attention and
reflection in the consideration of the aftermath of National Socialism
and its crimes. The significance of these narratives about violence in
the context of identity constructions within society, and in particular
of those with a national outlook, has long been reflected upon with
great differentiation and been a topic in theory construction. The
auto/biographical character of many of these narratives, however, has
long been largely disregarded – even in the context of the recent novel
approaches to the figure of the “surviving witness”, its significance
and history, and the relationship between contemporary historians and
surviving witnesses, which have developed in the face of the shift
between communicative and cultural memory.
This workshop sets out from the assumption that recounting experiences
from the era of National Socialism and the Second World War is always
also part of an individual autobiographical project that keeps changing,
intensifying and shifting in the course of a lifetime. Following on from
concepts of narratology as well as oral history, this workshop will thus
approach narratives of experiences of violence from angles that deal
with the significance of this biographical narrative for the individual.
Specific autobiographical practices and different performances of
biographical narrative shall be the subject of the discussion as well as
in particular a questioning of the constellations that make use of
historically taught cultural patterns of autobiography in socially
differing practices of narrative. There has been little reflection of
the cultural resource of auto/biographical narrative told in the first
person; this is used in specific situations where individual impulses
and motives for narrating an experience of violence conflate with
societal instances and interests that question, publish, instrumentalise
or even reject or silence that biographical narrative. This is true for
survivors’ reports of deportation and displacement, of camps, of forced
labour, of sexual violence and of wartime internment, but it also
applies to the memories of many members of those groups who engaged in
violent acts themselves.
The workshop will focus on the historical nature of these constellations
and the narratives that have emerged in its context since 1945. It is
the aim of the workshop to reformulate and theoretically re-evaluate
these questions in an extended and comparative perspective of the
European and global aftermath of the Second World War. We will focus on
the historical dynamics of this constellation and the context of the
emergence of the narratives. It shall have to be addressed who is
telling of an experience of violence in which historical and
communicative constellation and which biographical situation. This
challenge will also be directed at those who initiate, provoke, support
such narratives. What is appropriate to tell in which form and at what
time in a given society; when is it not or no longer appropriate? What
is the relationship between autobiographical narratives on the one hand
and constructions resulting out of the politics of memory with regard to
identity, authenticity and (surviving) witnesses on the other?
The workshop will thus concentrate on the narratives told in the
aftermath of the history of the Second World War in the mode of
auto/biographical narrative and their constellations:
– the global dimension of narratives: A differentiated discussion of
narrating the experience of violence during the Second World War demands
a comparison of narratives from different local, national, European and
non-European provenances, which are nowadays clearly marked by the logic
of large, transnational projects.
– the multitude of forms and formats of narratives: The autobiographical
narrative of experiences of violence can take various forms of oral,
written, pictorial narrative or a combination thereof; these are
influenced by specific media landscapes and patterns of complexity
reduction.
– the different individual as well as social frames of these narratives,
which may be in conflict with each other: politically initiated archival
projects, educational or artistic concepts, as well as in the media
highly successful TV-formats of interviews with witnesses to history can
either concur or clash with individuals’ biographical or
family-historical ambitions. It is particularly relevant in this context
to address gender in the framework of auto/biographical narratives on
violence, the contents of the narratives as well as the ability or lack
thereof to narrate something and the performances of narratives.
This historically differentiated appraisal of auto/biographical
narratives of the experience of violence in the context of the Second
World War is to be understood as an intervention: an attempt to drive
forward a critical reflection not least of the academic work using these
narratives, and also of the communication that takes place with
surviving witnesses.
The workshop organizers are inviting suggestions for discussion
contributions on the subject of the questions cited above; for
contributions that intervene in the existing mindsets and practices and
create an awareness for existing logics and routines in order to open
these up for new perspectives and reformulations.
The workshop languages will be German and English. The costs for
accommodation will be covered by the organizers. The organizers’ ability
to cover travel costs also is subject to current efforts to raise
separate funding.
Please submit your applications in German or in English (including an
abstract of the topic of your contribution of at most 3,500 characters
as well as a short biography) under the subject line “Workshop 2014” by
November 30, 2013 to:
cfp@vwi.ac.at
The contributions at the workshop should last no longer than 20
minutes.
A jury appointed by the organizers will make the decision on the
acceptance of proposals. You will receive an immediate confirmation of
the receipt of your proposal. If you do not receive a confirmation,
please send a reminder.
Idea: Johanna Gehmacher, Klara Löffler
Concept: Johanna Gehmacher, Éva Kovács, Klara Löffler and Béla Rásky
Organization: Vienna Wiesenthal Institute for Holocaust Studies (VWI)
22.05.2014-24.05.2014
Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI); Institut für
Europäische Ethnologie & Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien
Kontakt:
Béla Rásky
Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studein (VWI),
Desider-Friedmann-Platz 1/18, 1010 Wien
0043/1/8901514
bela.rasky@vwi.ac.at