CFP: "Polizei erzählen" – zwischen legitimatorischen Ansprüchen, wissenschaftlichen Reflexionen und medialen Konstruktionen

25. Kolloquium zur Polizeigeschichte – Münster 03. – 07. Juli 2014

Stichtag: 15.02.2014

Das Kolloquium zur Polizeigeschichte wurde im Jahr 1990 während des
Bochumer Historikertags gegründet. Die Interessierten treffen sich
seither einmal jährlich an wechselnden Orten, um aktuelle Ansätze und
Entwicklungen einer sozial-, kultur- und alltagsgeschichtlich
orientierten Polizeiforschung zu diskutieren. Das Kolloquium ist
interdisziplinär und zunehmend international ausgerichtet, offen für
alle polizeigeschichtlich Interessierten und es lädt besonders jüngere
Wissenschaftler/-innen ein, ihre Forschungen vorzustellen.

Nach einem Vierteljahrhundert produktiver und inspirierender Arbeit wird
das 25. Kolloquium zur Polizeigeschichte im Geschichtsort Villa ten
Hompel der Stadt Münster ausgerichtet, in Kooperation mit dem Lehrstuhl
für Neuere und Neueste Geschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität
(WWU) Münster. Die Jubiläumstagung soll den Stand und die Erträge der
historischen sozial- und kulturwissenschaftlichen Polizeiforschung der
vergangenen zwei Jahrzehnte reflektieren und Perspektiven zukünftiger
Forschungskonzepte und Vermittlungszugänge diskutieren – auch in
internationaler Perspektive. Der Titel des diesjährigen Kolloquiums zur
Polizeigeschichte “‘Polizei erzählen’ – zwischen legitimatorischen
Ansprüchen, wissenschaftlichen Reflexionen und medialen Konstruktionen”
verweist auf die vielschichtigen Ebenen und die divergierenden
Intentionen, die das Reden und Schreiben über “Polizei” kennzeichnen.
Die Polizei ist zum einen Gegenstand historiografischer und
sozialwissenschaftlicher Forschungen, die von “außen” auf die
Institution und deren Akteur/innen blicken. Diese erzählen und deuten
jedoch ihrerseits ihre eigene(n) Geschichte(n), etwa um dem eigenen
Handeln “Sinn” zu verleihen. Nicht zuletzt dienen Polizei und
Polizist/innen aber auch als Projektionsfläche medialer Darstellungen
sowie für Ansprüche, Erwartungshaltungen, Ängste und Aggressionen der
Polizierten. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich drei Aspekte, die im
Fokus des 25. Kolloquiums zur Polizeigeschichte stehen sollen.

1) In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Forschungs- und
Ausstellungsprojekten zur Polizeigeschichte gegeben, die teilweise in
Kooperation zwischen externen Wissenschaftler/-innen und Polizeibehörden
bzw. interessierten Polizist/-innen durchgeführt wurden. Zu nennen sind
hier aus jüngster Zeit etwa die Ausstellung “Ordnung und Vernichtung.
Die Polizei im NS-Staat”, die im April 2011 im Deutschen Historischen
Museum in Berlin eröffnet wurde, sowie die vom Bundeskriminalamt (BKA)
in Auftrag gegebenen und im Jahr 2011 veröffentlichten Studien zur
Frühgeschichte der Behörde und zum Verhältnis der ersten
Mitarbeitergeneration zum Nationalsozialismus. Beschönigende oder gar
apologetische Tendenzen ließen sich diesen Projekten kaum unterstellen.
Insofern fanden sie in der Öffentlichkeit wie auch in der
Fachwissenschaft breite Beachtung.

Bisher lag der Schwerpunkt der von deutschen Polizeibehörden initiierten
und mitgetragenen Forschungs- Bildungs- und Ausstellungsprojekte auf der
Zeit des Nationalsozialismus. Eine ähnliche Auseinandersetzung mit der
Polizeigeschichte der DDR scheint indessen bislang eher randständig zu
sein. Zwar sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien entstanden,
die sich der Organisation der Volkspolizei, deren Selbstbildern und
Praktiken widmeten. Doch in welcher Form werden die darin gewonnenen
Erkenntnisse in der Polizei rezipiert? In welchem Verhältnis stehen die
heutige offizielle Polizeikultur und deren Legitimationsmuster
beispielsweise zu den Erzählungen, Perspektiven und Erfahrungen der
Beamt/innen, die zunächst in der DDR, später dann im vereinigten
Deutschland ihren Dienst verrichteten – und immer noch verrichten.

Zu fragen bleibt darüber hinaus, welchen Stellenwert kritisch
ausgerichtete Polizeigeschichte innerhalb der Organisation Polizei
selbst einnimmt. Dienten und dienen die Forschungs- und
Ausstellungsprojekte vielleicht doch vorwiegend legitimatorischen
Ansprüchen, die darauf abzielen, vor der Negativfolie des historischen
Nationalsozialismus – aber auch (bei allen Unterschieden) der DDR -,
eine “Erfolgsgeschichte” der Polizei in der alten wie der neuen
Bundesrepublik zeichnen zu können? Oder folgt der “Gebrauch” von
Geschichte in der Polizei der Hoffnung, gesellschaftliche Prozesse und
Konfliktlagen besser verstehen zu können? Fungiert der kritische Blick
auf die Geschichte der eigenen Institution als Ausdruck einer
zunehmenden (historisch fundierten) Menschen- und
Bürgerrechtsorientierung? Doch in welchem Maße und mit welchen
Vermittlungsformen haben Projekte zur Polizeigeschichte Eingang in die
polizeiliche Aus- und Fortbildung gefunden? Zu fragen ist insbesondere,
ob die kritische Auseinandersetzung und der Umgang mit Geschichte auch
Veränderungen in der Polizistenkultur bewirkt haben.

Von Interesse wären hier insbesondere Erfahrungen mit
polizeigeschichtlichen Projekten aus zäsurenübergreifender und
transnationaler Perspektive. Gibt es Projekte in anderen Ländern, die
sich mit der Rolle der Polizei in Diktaturen, aber auch in Besatzungs-
und Kolonialregimen beschäftigen? Finden die in diesem Kontext
gewonnenen Erkenntnisse Eingang in die Aus- und Fortbildung der
jeweiligen (Nachfolge)polizeien?

2) Ein zweiter Schwerpunkt des Kolloquiums gilt der Rolle der neueren
Polizeigeschichte im Feld aktueller geschichts-, kultur- und
sozialwissenschaftlicher Forschung. Lässt sich (zumal in deutscher
Perspektive) überhaupt von einem einheitlichen Forschungsfeld
“Polizeigeschichte” sprechen, das beispielsweise gegenüber der Rechts-
und Verwaltungsgeschichte oder der historischen Kriminalitätsforschung
ein eigenständiges Profil aufweist? Oder bestand bzw. besteht das
anregende Potential der neueren Polizeigeschichte gerade darin,
gleichsam “quer” zu jenen seit langem institutionalisierten
Forschungszweigen zu forschen?

Hier sind international vergleichende Perspektiven besonders fruchtbar.
Gerade das Kolloquium zur Polizeigeschichte hat transnationale und
interdisziplinäre Perspektiven erörtert und gefördert. Gleichwohl
scheinen sozialwissenschaftlich, kriminologisch und historisch fundierte
Forschungen zur Polizei nach wie vor weitgehend getrennte Wege zu gehen.
Welchen Ansprüchen und Perspektiven also sollten polizeigeschichtliche
Forschungen folgen oder noch entwickeln – jenseits aller Antragslyrik
und ihrer Floskeln?

3) Der dritte Aspekt des Kolloquiums zu Polizeigeschichte nimmt die
medialen Konstruktionen von Polizei in den Blick: Welche Vorstellungen
von Polizei und Polizeiarbeit vermitteln Dokumentationen, Ausstellungen
oder fiktionale Darstellungen, von Kriminalromanen über Spielfilme bis
zu Fernsehserien? Welche medialen Bilder wirken auf welche Weise in die
Polizei, auf deren institutionelle Leitbilder und die
Selbstinszenierungspraktiken der Polizist/innen zurück? Lassen sich
Wechselwirkungen ausmachen zwischen medial vermittelten Bildern von
‘guter Polizeiarbeit’ und den Versuchen der Polizei, diese mit zu
beeinflussen?

Über diese thematischen Schwerpunkte hinaus soll es – wie bei den
bisherigen Kolloquien zur Polizeigeschichte – eine freie Sektion geben,
in der die Möglichkeit besteht, jenseits des Rahmenthemas
Werkstattberichte und laufende Forschungsprojekte vorzustellen.

Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.

Für Referent/-innen buchen wir ein Hotelzimmer. Ihre Reisekosten werden
bis zu einer Höhe von maximal 150,-EUR übernommen.

Bitte reichen Sie Vorschläge für Beiträge (maximal eine Seite) bis zum
15.2.2014 ein. Wir freuen uns über Ihre Vorschläge und auf eine
anregende Tagung!

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