CfP: Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten

ComFor 2014 – 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung
25. – 28. September 2014, Berlin

Stichtag: 31. März 2014

 

Ob zwischen West und Ost, Ober, Mittel- und Unterschicht, Mann und Frau, oder E- und U-Kunst, Realität und Fiktion: Ständig werden von uns Grenzen gezogen, überschritten und neu gezogen. Für Jurij M. Lotman sind dies fundamentale Akte einer jeden Kultur. Der Begriff der Grenze ist stets ambivalent, trennt und verbindet sie doch zugleich. Auch der Comic setzt und überschreitet Grenzen, inhaltlich wie formal. So verwischt er etwa prinzipiell die Unterschiede zwischen Schrift und Bild. Comics werden längst global vermarktet während sie sich mit nationalen Grenzen ebenso häufig wie mit jenen im Bereich class, race und gender beschäftigen. Und sie lassen in vielen ihrer Figuren Mensch und Tier ununterscheidbar erscheinen. Die 9. Tagung der Gesellschaft für Comicforschung möchte diese und weitere Phänomene rund um das Thema „Grenze“ näher untersuchen.

1. Intermedialität
Im Comic entsteht um die Wende zum 20. Jahrhundert ein neuartiges Verhältnis von Schrift und Bild. Während die Schrift sich im Bild verteilt und ihre Materialität wie in den Onomatopoën zum Bild wird, ist im Comic das Bild serialisiert und wird wie Schrift in Zeilen lesbar. Die immer wieder beschworene Ordnung des Wissens, die durch das Buch gesichert wurde, ist im Comic durcheinander geraten. Wie also ist das Schrift-Bild-Verhältnis hinsichtlich der jeweiligen Grenzziehungen zwischen bildlichem und schriftlichen Wissen im Comic zu verstehen? Wie stellt sich aus dieser Perspektive das Verhältnis zu anderen Medien dar? Lassen sich überhaupt bestimmte Grenzen ziehen?

2. Interdisziplinarität
Wie die boomende Comicforschung zeigt, initiiert das Medium Comic auch und gerade bei einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein Hinausgehen über die Grenzen der einzelnen Disziplinen. So wird Comicforschung zu einem umkämpften Experimentierfeld, in dem nicht nur diverse Sparten der Wissenschaften mit- und nebeneinander existieren, sondern auch wo wissenschaftliche Trends und turns deutlich ihre Spuren hinterlassen. Das Medium spiegelt damit seismographisch rezente Entwicklungen in der Forschung wider, wobei sich ein Historisierungsprozess innerhalb der Comicforschung selbst abzeichnet. Es stellt sich dabei u.a. die Frage, inwieweit Grenzziehungen zwischen ‘alten’ und ‘neuen’ Forschungsmethoden die Erforschung des Mediums vorantreiben. Und: Bleiben die Grenzen zwischen einzelnen Disziplinen innerhalb der Comicforschung so weit offen, dass die Rezeption der jeweiligen Forschungsergebnisse tatsächlich stattfindet?

3. Migration und Transnationalität
Die Comics sind in nationalen Grenzen entstanden und haben innerhalb dieser ihr erstes Publikum gefunden. Doch schon bald haben sie sich nicht zuletzt durch die Erfolgsgeschichte des Zeichentrickfilms internationalisiert. ComicautorInnen und mit ihnen ihre ProtagonistInnen überschreiten mittlerweile immer wieder geografische Grenzen und hinterfragen auf nationale Kategorien basierende Denkmuster. Diesen Werdegang des Comics und seiner Macher von Lokalkoloristen zu Grenzgängern nachzuvollziehen ist Ziel dieses Panels. Wie universal ist der Comic? Inwiefern gelingt es ihm biografische Schnitte, Brüche und Inkonsistenzen als Charakteristika von Migrationserzählungen zu vermitteln? Wie finden Ent- und Verwurzelung ihren Ausdruck in Wort und Bild- in Frankreich, den USA, Japan, Mexiko und Indien gleichermaßen? Wie verhandeln AutorInnen in gemeinsamen “Austauschprogrammen” die Gegensätze Innen-Außen/ Eigen-Fremd?

4. Die Grenzen des Menschlichen ziehen / überschreiten
Die Zeichen im Comic sind bekanntlich vor allem Zeichen, Druckerfarbe auf Papier. In dieser anonymen, reproduzierten Materialität konturieren sie ganz unterschiedliche Figuren und Welten, in denen bestimmte Grenzen und Tabus nicht gelten – wie die zwischen Mensch und Tier oder Mensch und Maschine. Die Comics stellen so das Bild vom Menschen und seiner Menschlichkeit im 20. Jahrhundert in Frage. Wie werden also die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und die von ihnen erzeugten und gesicherten Trennungen in den Comics verhandelt? Bilden sie implizit Theorien des Verhältnisses von Mensch und Nicht-Mensch? Lösen sie die philosophisch über Jahrhunderte befestigte Grenzen von Mensch und Tier? Oder bestätigen sie diese in ihren Figuren gerade durch ihre Ambivalenz

Beiträge, die die Grenzen der folgenden Sektionen überschreiten, werden durch ein weiteres Panel abgedeckt.
Wie üblich wird es darüber hinaus ein Forum geben, in dem Studierende/Promovierende/ForscherInnen “Werkstattberichte” zu entstehenden oder gerade abgeschlossenen Forschungsvorhaben vorstellen können, die nicht in direktem Bezug zum Tagungsthema stehen müssen.
Bitte senden Sie Ihre Abstracts von maximal 500 Wörtern Umfang, einschließlich biobibliografischer Notiz bis zum 31. März 2014 an comfor.berlin2014@gmail.com.
Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Der Vortrag sollte auf eine Redezeit von 30-35 Minuten angelegt sein. Beiträge aus der Rubrik “Forum” sollten 20 Minuten nicht überschreiten.

Organisiert vom: Berliner Comic-Kolloquium comfor.berlin2014@gmail.com
[AnsprechpartnerInnen: Matthias Harbeck (harbeckm@cms.hu-berlin.de ) Marie Schröer (mschroee@uni-potsdam.de)]

 

ComFor 2014 – 9th Annual Conference of the Gesellschaft für Comicforschung
Drawing Borders, Crossing Boundaries (Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten)

25th to 28th September 2014, Berlin

 

Be they between West and East, Upper, Middle and Working Class, Man and Woman, High and Low Art, Reality and Fiction: we are continuously drawing, crossing, and re-drawing boundaries and borders. For Yuri M. Lotman, this is a fundamental act of every culture. The notion of borders/boundaries is always ambivalent, separating yet also linking. Comics too create and transcend boundaries, both in the medium’s form and content – not least through blurring the distinction between text and image. Marketed globally, comics deal with national borders as much as with boundaries of the categories of class, race, and gender. And in many comics’ characters, the differences between human and animal have become indistinguishable. The 9th Conference of the Gesellschaft für Comicforschung will examine these and further phenomena surrounding the theme of Boundaries/Borders.

1. Intermediality
At the beginning of the twentieth century, a new relation between text and image emerged through the comics form. While text can lose itself in images and through its materiality, as in onomatopoeic elements, become image, the image component in comics is serialized and, like writing, becomes sequentially legible. The order of knowledge, secure in book form, has been brought into disarray in the form of comics. How then should we interpret the relationship of image and text with regards to the boundaries between these formerly distinct elements? How does this perspective influence the relationship to other media? Is it even possible to draw distinct boundaries?

2. Interdiciplinarity
As evidenced by the current boom in comics scholarship, the medium of comics initiates a move beyond the scope of individual disciplines. Comics scholarship has thus become a contested field for experimentation, where various branches of scholarly research exist together, and where academic trends and turns leave their distinct marks. The medium thus highlights and echoes developments in academic research, while within comics scholarship, a process of historicization has already become evident. Amongst other aspects, we are now faced with questions such as whether drawing a line between ‘old’ and ‘new’ research methods actually serves to advance our investigation of the medium, or whether the borders between the various disciplines within comics scholarship are permeable enough to ensure that research results will reach a wide academic audience?

3. Migration and Transnationality
Comics found their first audiences within the borders of the nations where they emerged, yet were rapidly internationalized, not least due to the success of animated film. Comic artists as well as their protagonists cross geographic borders frequently, calling into question patterns of thought relying on national categories. This panel aims to reconstruct this movement of comics and its creators from the local to the global and ask such question as: How universal are comics? How can/do they succeed in conveying biographical cuts, breaks and inconsistencies as characteristic for narratives of migration? How do rootedness and uprooting find their expression in text and image – be it in France, in the US, Japan, Mexico or India? How do artists negotiate the contrasts of Interior-Exterior/ Self-Other in shared “Exchange Programs”?

4. (Crossing) The Borders of Humanity
The signs of comics are, as we know, just that: signs, printers’ ink on paper. Yet within this sphere of anonymous and reproducible materiality they outline the contours of highly diverse figures and entire worlds where certain boundaries and taboos are no longer valid – such as those between humans and animals, or humans and machines. Comics thus call into question the image of humans and their humanity in the twentieth century. How are social power structures and the separations they establish and secure negotiated in comics? Do comics imply set theories on the relationship between humans and non-humans? Do they dissolve the boundaries of humans and animals, heretofore firmly established in the Western philosophical tradition? Or do they, in contrast, actually confirm these boundaries precisely in the ambivalence of these figures?

Proposals for presentations beyond the scope of the topics listed above will be considered for a fifth panel. There will also be the usual workshop where students and researchers can present their (MA, PhD, etc.) thesis projects.
The submission deadline is 31 March 2014. Please send a 500-word abstract including a short bio-bibliographic note to comfor.berlin2014@gmail.com. The conference languages are German and English. The presentations should not exceed 35 minutes (workshop-presentations: 25 minutes).

Organised by Comic-Kolloquium Berlin: comfor.berlin2014@gmail.com
[Matthias Harbeck (harbeckm@cms.hu-berlin)/ Marie Schröer (mschroee@uni-potsdam.de)]

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