Wer Comicforschung betreibt, braucht für seine wissenschaftliche Arbeit nicht nur die Comic-Sekundärliteratur, sondern vor allem auch Comics, denn sie sind ja der Forschungsgegenstand. Doch während etliche Werke der Forschungsliteratur in Universitäts- und Stadtbibliotheken zu finden sind, sieht es dort mit der Primärliteratur, den Comics selbst, sehr düster aus. Immerhin gibt es drei Institutionen in Deutschland, die seit längerem gezielt versuchen, deutschsprachige und zum Teil auch internationale Comics zu sammeln und bereitzustellen. Sie werden hier kurz vorgestellt. Das Fehlen einer eigenständigen, auf Komplettierung ausgerichteten und mit ausreichenden Geldmitteln ausgestatteten Comic-Bibliothek, an der SammlerInnen und ForscherInnen aus verschiedenen Disziplinen mitwirken, bleibt jedoch weiterhin eine offene Wunde für die wissenschaftlichen Beschäftigung mit Comics.
Die Bédéthek der Arbeitsstelle für Graphische Literatur an der Universität Hamburg
Die Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) an der Universität Hamburg hat vor kurzem den Roland Faelske-Preis für Comic und Animationsfilm verliehen. „Ihr Forschungsinteresse gilt den verschiedenen Aspekten der Graphischen Literatur: Es reicht von der Ästhetik der Comics bis zur Geschichte der Graphischen Literatur im 20. Jahrhundert, von ihrer allgemeinen Vorgeschichte bis zur Analyse einzelner Werke.“ 1990 gegründet, baute die ArGL von Anfang an eine „Bibliothek für Primär- und Sekundärliteratur zum Thema Graphische Literatur (Bédéthek)“ auf, „deren Umfang mittlerweile bei über 25.000 Medieneinheiten liegt“. Die Sekundärliteratur der ArGL-Sammlung ist in dem online zur Verfügung stehendem Katalog der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky eingearbeitet worden und abrufbar. Bei entsprechenden Werken findet man den Standorthinweis „Graphische Literatur“. Die Primärliteratur soll im Laufe des Jahres folgen.
Infos zur Arbeitsstelle für Graphische Literatur
Infos zur Bédéthek
Das Comic-Archiv des Instituts für Jugendbuchforschung an der Goethe Universität Frankfurt a.M.
Das 1963 gegründete Institut für Jugendbuchforschung an der Goethe Universität Frankfurt a.M. verfügt über ein Comic-Archiv als eine von mehreren Spezialsammlungen. Der Ursprung der Sammlung geht zurück auf das Deutsche Jugendschriftenwerk (DJW), das in den 1950/60er Jahren mittels „publikumswirksam inszenierten Vernichtungsaktionen von Comic-Heften auf Scheiterhaufen oder in ‘Schmökergräbern’“ einen „Kampf gegen das triviale Jugendschrifttum“ führte und „dem frisch gegründeten Institut für Jugendbuchforschung seine Schundkampfbeute als Studienmaterial anbot“. Dr. Bernd Dolle-Weinkauff hat im Aufsatz „Vom Kuriositätenkabinett zur wissenschaftlichen Sammlung“ (2005) die Geschichte des Archivs aufgezeichnet und zählte „etwa 50 000 Medieneinheiten“. Elektronische Kataloge des Comic-Archivs stehen vor Ort an Terminals im Lesesaal der Bibliothek für Jugendbuchforschung zur Verfügung. Dies betrifft auch die Sammlung von Artikeln und Beiträgen zum Thema Comic aus der Presse und Fachzeitschriften, die in letzter Zeit verstärkt erschlossen wurde und derzeit etwa 3.000 Einträge aufweist. Die Datenbanken „Fachliteratur Kinder- und Jugendliteraturforschung 1994-2000″ und „Sekundärliteratur der Bibliothek für Jugendbuchforschung“ waren bislang über den BISMAS-Server der Universität Oldenburg online einsehbar. Der Server wurde jedoch zum 01.01.2011 stillgelegt. Das Institut arbeitet derzeit an der Daten-Konvertierung in ein aktuelles System, das es in absehbarer Zeit erlauben soll, diese Datenbanken wieder im Internet anzubieten.
Infos zum Institut für Jugendbuchforschung
Infos zum Comic-Archiv (Bernd Dolle-Weinkauff in Imprimatur Neue Folge 19 2005, 209-224. pdf-Datei 466KB)
Die Comic-Bibliothek Renate in Berlin
Seit 1992 kann man in der Berliner Comic-Bibliothek Renate „Comics lesen, leihen oder selbermachen“. Mit anderen Worten, vor Ort sind nicht nur 15.000 Comics und Sekundärliteraturbände zugänglich, sondern es finden auch kontinuierlich Comic-Zeichenkurse und –Ausstellungen statt. „Die Bibliothek hat sich zur Aufgabe gemacht, das Medium Comic, seine Spezialitäten und seinen Reichtum bekannter zu machen und allen interessierten Lesern den Zugang dazu zu ermöglichen.“ Zur Unterstützung wurde 2006 der gemeinnützige Trägerverein Renate Comic e.V. gegründet. Auf den Internetseiten der Bibliothek sind u.a. Links zur Geschichte der Institution, zur Beschreibung des Sammelgebiets und zu einem Online-Katalog zu finden. Dieser OPAC-Katalog (BIBIS/LMS) enthält aktuell „ca. 1500 Fachartikel aus Fachzeitschriften (vorwiegend ‚The Comics Journal‘), insgesamt über 4000 Einträge,“ die kontinuierlich dank der Mitarbeit von BibliotheksnutzerInnen ergänzt werden. Für die Zukunft geplant sind u.a. „die Vernetzung des OPAC in einem Berliner Verbundkatalog“ und eine „verstärkte Zusammenarbeit mit Forschungs- und Lehreinrichtungen“.
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(Ralf Palandt)