16. Internationaler Comic-Salon Erlangen
19. – 22. Juni 2014
Stadtgebiet Erlangen
ComFor-Panel zum Thema:
„Forschung am Comic: Geschichtsbilder und Bildgeschichten – 1914 und die Folgen“
Freitag – Sonntag, jeweils 11:00 – 12:30 Uhr
Ort: NH-Hotel, Taurus II (Beethovenstr. 3)
Moderation: Clemens Heydenreich
Auch dieses Jahr trägt die ComFor wieder mit drei Panel an insgesamt drei Tagen und mit jeweils 3 Vorträgen zum vielseitigen Programm des Erlanger Comic-Salons bei. Schwerpunktthema dieses Jahr ist der 1. Weltkrieg und daran orientiert sich auch die ComFor: „Was 1914 begann, war 1918 noch längst nicht zu Ende. Ins Bild vom „Zweiten Dreißigjährigen Krieg“ fassen Historiker die politischen, psychologischen und moralischen Folgeerschütterungen des I. Weltkriegs bis in die Jahrhundertmitte. Die Vorträge der ComFor spannen in diesem Sinne einen Themenbogen, der Bildgeschichten aus der Zeit von 1914 bis 1918 ebenso umfasst wie die memoria des I. und des II. Weltkriegs in jüngeren Geschichtscomics, Traditionen ideologischer Cartoon-Typisierung bis in die Gegenwart – und die Feldzüge der 50er Jahre gegen den Comic als solchen.“
Pressetext Comic-Salon:
„Der Internationale Comic-Salon Erlangen feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Gegründet 1984, hat sich die Biennale längst zum größten und wichtigsten Festival für grafische Literatur und Comic-Kunst im deutschsprachigen Raum entwickelt und großen Anteil daran, dass der Comic auch in Deutschland als Kunstform anerkannt ist. Auf rund 15.000 Quadratmetern Veranstaltungsfläche verbindet der Internationale Comic-Salon Erlangen in seinem Programm Kunst und Kommerz, Mainstream und Avantgarde, spiegelt die ganze Vielfalt des Genres wider, zeigt Trends und Tendenzen auf, ist Seismograph und Motor der deutschen Comic-Branche zugleich. Vom 19. bis 22. Juni 2014 werden wieder über 25.000 Besucherinnen und Besucher in der temporären deutschen Comic-Hauptstadt erwartet.“
Das Vortragsprogramm der ComFor auf dem 16. Internationalen Comic-Salon in Erlangen:
Freitag, 20. Juni, 11:00 – 12:30 Uhr
11:00 Uhr: Masereel – Bildfolgen gegen den Krieg
Dietrich Grünewald (Koblenz)
Nach dem Einfall deutscher Truppen in Belgien flieht der Flame Frans Masereel zusammen mit verwundeten Soldaten nach Frankreich. Die Begegnung mit dem Kriegsgrauen ist so groß, dass er 1916 in die Schweiz, nach Genf, geht, und sich dort im Kreise pazifistischer Emigranten u.a. für das Rote Kreuz engagiert. Der Künstler Masereel nimmt mit zahlreichen Presseillustrationen Stellung gegen den Krieg, den er nicht einfach deskriptiv darstellt, sondern aufs Schärfste verurteilt. Auch in Illustrationsfolgen zu Antikriegstexten, die sich fast zu eigenständigen Bildgeschichten verdichten, sowie in zwei autonomen Bildzyklen verurteilt er alle Kriegsgewalt und klagt die aus Macht- und Profitgier agierenden Anstifter mit ihren verlogenen patriotischen Phrasen an. Er steht dabei ganz in der Tradition der Antikriegsfolgen von Callot und Goya, wie dann auch Otto Dix mit seiner Radierfolge „Der Krieg“. Masereels Arbeiten verweisen in ihrer Erzählweise bereits auf die folgenden bekannten „Romane in Bildern“, Bildgeschichten, die die narrative Anschaulichkeit und eindringliche Wirksamkeit kritischer Bilderzählungen demonstrieren – getreu Masereels Intention, Kunst für den Menschen zu machen.
11:30 Uhr: Black Ears, Black Nose, Blackface. Zur Rolle des blackface bei Krazy Kat, Mickey Mouse und MAUS
Daniela Kaufmann (Graz)
„And this jazz-age Mickey Mouse ist just Al Jolson with big ears!“, brachte einst Ken Jacobs, Dozent am Harpur College in New York, anthropomorphe Tiergestalten und die blackface minstrelsy in unmittelbaren Zusammenhang. Der Vortrag präsentiert die (stereotypen) Impulsgeber zu bekannten Comictieren und deckt ungeahnte Hintergründe und Verknüpfungen über die Grenzen der animal comics hinaus auf.
12:00 Uhr: Les rats noirs – Rechtsextreme Selbstdarstellung durch Comic-Figuren
Ralf Palandt (München)
Die Verwendung des „Pink Panther“ im Bekennerfilm der rechtsextremen NSU rief landesweit Erstaunen hervor. Hier liegt aber weder ein Einzelfall noch ein neues Phänomen vor. Im Comic „Chlorophylle et les rats noirs“ steht der Ratten-Anführer Anthrazit für den Faschismus. Seit den französischen Studentenunruhen 1968 stellen sich rechtsextreme Studenten als Anthrazit-Ratten dar. Der Vortrag stellt ihre rechtsextremen Comics und deren anhaltende Verbreitung in Europa vor.
Samstag, 21. Juni, 11:00 – 12:30 Uhr
11:00 Uhr: Des Fliegers Einsamkeit als Kriegskritik? DCs „Enemy Ace“ auf dem Prüfstand
Matthias Harbeck (Berlin)
Anders als für die Briten und Franzosen ist der 1. Weltkrieg für die US-Amerikaner nicht „La Grande Guerre“, sondern ein im Vergleich zu späteren bewaffneten Konflikten (z.B. 2. Weltkrieg, Vietnam, Golf-Krieg) ein unterentwickelter Erinnerungsort. Aus diesem Grunde gleichen Joe Kuberts und Robert Kanighers 1965 geschaffene Kriegsgeschichten aus Sicht des deutschen Kriegsgegners einem Tabubruch. Das vom Roten Baron inspirierte Fliegerass Hans von Hammer zieht als einsamer Wolf seine Bahnen in der Luft und sinniert über die Unmenschlichkeit und Unsinnigkeit des Krieges. Die Faszination der Figur schlägt sich bis heute in Gastauftritten und One-Shots im DC-Universum nieder. Dabei stehen längst nicht immer der 1. Weltkrieg und Kriegskritik im Vordergrund, sie bleiben aber wichtige Elemente der „Enemy Ace“-Geschichten. Der Vortrag beleuchtet die Funktion des Fliegers in den Comics seit 1965.
11:30 Uhr: Representations of World War I in the Graphic Newspaper Serials
Christina Meyer (Hannover)
How the Great War is commemorated in literary texts, in film, in monuments, material culture, in brief, in the diverse media and artifacts, is a question that scholars have repeatedly dealt with; likewise, the question of how cultural practices and artifacts in post-war years helped (re-)construct memory/-ies of the war, has occupied researchers from all kinds of disciplines; yet, the question of how popular visual cultural texts such as newspaper comics responded to the war, and how they contributed in circulating certain ideas and values to the readerships, has not very often been asked until recently. My talk will put center stage the American newspaper illustrator, and writer Nell Brinkley (1886-1944). By looking at her serialized First World War saga “Golden-Eyes and Her Hero, Bill” (1918-1919) and situating it within the wider socio-historical context, my paper seeks to trace the intersections of the following discourses: patriotism, female identity, and representation.
12:00 Uhr: Der Krieg der Bilderbuchkinder − Militarismus und Kriegspropaganda im Bilderbuch des frühen 20. Jahrhunderts
Bernd Dolle-Weinkauff (Frankfurt)
Gegenstand des Vortrags sind kriegerische und patriotische Bildgeschichten in historischen Bilderbüchern für Kinder, die zwischen 1910 und 1918 erschienen sind und die darin erkennbaren unterschiedlichen Stile und Formen der bellizistischen Agitation und Ansprache einer Generation, die den Krieg an der „Heimatfront“ zu erleiden hatte. Die behandelten Werke erschienen großenteils in namhaften Verlagen und stammen überwiegend von zu ihrer Zeit renommierten Autoren und Künstlern wie Angelo Jank, Arpad Schmidhammer, Herbert Rikli, Paul, Franz Müller-Münster u.a.
Sonntag, 22. Juni, 11:00 – 12:30 Uhr
11:00 Uhr: Comics gegen den großen Krieg. Zur Anatomie des Antikriegscomics über den 1. Weltkrieg: Von Harvey Kurtzman bis Jacques Tardi
Martin Frenzel (Darmstadt)
Kriegscomics gibt es wie Sand am Meer: Doch lässt sich im Comic – ähnlich wie in Film oder Literatur –ein eigenes Genre der antimilitaristischen, gesellschaftskritisch-politischen Antikriegs-Erzählung verorten? Bildet das Prinzip Bildgeschichte einen Beitrag zur aktiven Erinnerungskultur des 21. Jahrhunderts? Der Vortrag vergleicht dazu US-amerikanische und europäische Comic-Künstler, die sich der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ widmen: So kommen kaleidoskopisch der Bildgeschichten-Pionier Gus Bofa ebenso zum Zuge wie eine frühe Kurzgeschichte von Harvey Kurtzman/Russ Heath, aber auch – neben dem Anti-Kriegs-Klassiker Jacques Tardi (von „La Véritable Histoire du soldat inconnu“ bis heute) – neuere Arbeiten aus Europa, u.a. David Vandermeulens „Fritz Haber“, David B., Kris/Maël („Notre Mère La Guerre“/„Mutter Krieg“), die Erzählung „Sang Noir“ von Frédéric Chabaud/Julien Monier sowie Joe Saccos jüngster Panorama-Bilderbogen „The Great War“, um Merkmale des Antikriegscomic-Genres typologisch herauszuarbeiten.
11:30 Uhr: Gespenster der Vergangenheit: Transgenerationales Gedächtnis in Miriam Katins und Art Spiegelmans grafischen Arbeiten zum Holocaust
Andrea Schlosser (Bochum)
Der Vortrag behandelt das Thema des Augenzeugenberichts anhand einer generationenübergreifenden Sichtweise Katins und Spiegelmans auf den Holocaust, die kathartische Wirkung auf ihre Autoren hat. Während Art Spiegelman in seinem Hauptwerk „MAUS“ seinen Vater interviewt, bedient sich Katin in „We Are On Our Own“ ihres eigenen kulturellen und transgenerationalen Gedächtnisses, das stark durch ihre Mutter geprägt wurde. Beide Autoren erzählen die Geschichte ihrer Eltern und legen dar, wie die zweite Generation Überlebender mit den Folgen des Holocaust leben muss. Besonders deutlich wird dies in „MAUS“ – die Gewissensbisse des Protagonisten, den Holocaust nicht aus erster Hand miterlebt zu haben, stehen hier besonders im Vordergrund. Katin hingegen beschreibt in „Letting It Go“, wie sie durch ihren Sohn gelernt hat, Berlin nicht mehr stereotyp und verbittert zu begegnen. Das moderne Berlin empfängt Katins Familie mit offenen Armen und ist mit der Hauptstadt des Nationalsozialismus nicht mehr zu vergleichen.
12:00 Uhr: Fredric Wertham und die Dämonisierung des Comics
Michael Hörner (Erlangen)
Comics gefährden das gesellschaftliche Miteinander: Sie verwandeln ihre einst harmlosen Leser in aggressive Kriminelle, die jederzeit außer Kontrolle geraten und ihren Mitbürgern Schaden zufügen können – zumindest wenn man dem Psychiater und Comicskeptiker Fredric Wertham Glauben schenkt. Die Thesen des Deutschamerikaners, der einen Teil seines Studiums in Erlangen absolvierte, beeinflussten den US-amerikanischen Anti-Comic-Diskurs der McCarthy-Ära massiv und stellten auch für die Einführung des „Comics Code“ einen entscheidenden Faktor dar. Mögen Werthams Ansichten aus heutiger Perspektive auch befremdlich wirken, so verweisen sie dennoch auf eine durchaus relevante Frage: Wie wissenschaftlich kann die Wissenschaft in Zeiten einer „moral panic“ bleiben?