Neues aus der ComFor

ComFor-Leseempfehlungen 2024

Auch in diesem Jahr wünscht die Redaktion und der Vorstand der Gesellschaft für Comicforschung all ihren Leser_innen  und Freund_innen einen guten Start ins neue Jahr 2025 und präsentiert zu diesem Anlass wieder aktuelle Leseempfehlungen von Comicforscher_innen, die wir zum Jahresabschluss gesammelt haben. (Die Leseempfehlungen der letzten Jahre finden sich hier.) Viele unserer Mitglieder haben uns erneut ganz subjektive Lektüretipps geschickt, die aus den vergangenen zwölf Monaten im Gedächtnis geblieben sind – aus welchen Gründen auch immer. Darunter haben sich auch ein, zwei Titel eingeschlichen, die bereits zuvor publiziert worden sind, aber in diesem Jahr nochmal besonders im Gedächtnis geblieben sind.

Jörn Ahrens

Kultursoziologe, Justus Liebig Universität Giessen

Neyef: Hoka Hey!
Hoka Hey!
Die Pine Ridge Reservation 1904. Die Frontier ist geschlossen, die Kinder der Lakota werden zu Amerikanern erzogen. So auch George, ein Junge, der Arzt werden will, die rechte Hand des Reservatsverwalters und doch nur sein Diener ist. Der Comic eröffnet mit einem Picknick in der Prärie, dessen Idylle schnell gestört, der Verwalter erschossen wird von einer Gruppe aus zwei versprengten Indianern (zur Legitimität des Begriffs vgl. Mattioli 2023) und einem Weißen. Die kleine Gruppe ist der letzte Widerstand indigener Identität gegen die längst vollzogene Eroberung des Westens. Sie müssen sehr viel und sehr viele rächen und versuchen zugleich, eine Lebensweise zu rekonstruieren, die ihre ist, die sie aber selbst gar nicht mehr wirklich kennen. George müssen sie mitnehmen, erst als Gefangenen, als Ballast, dann als Schüler und Kompagnon, schließlich als Nachfolger. Die Gruppe wird bald von einem Kopfgeldjäger beseitigt, auch eine aussterbende Art der Zeit. Nur George überlebt; er wird die Rache sechs Jahre später vollenden und den Faden einer Existenz als Lakota wieder aufnehmen. In lichten Bildern, stilistisch irgendwo zwischen Manga und Bande Dessinée, der Text gut verteilt, in schönen Panels, die den Lesefluss ebenso steuern, wie sie die Lust am Hinschauen befeuern, erzählt dieser Band ebenso ruhig wie atemlos. Die 220 Seiten legt man nicht vor der letzten Seite aus der Hand.

Noel Simsolo und Bézian: Doktor Radar, Bd.1: Mörder der Wissenschaftler
Doktor Radar
Was ist das für ein Zeichner, dieser Bézian! Warum liegt bislang kaum etwas von ihm vor auf deutsch? Rasant skizzenhafte Zeichnungen, Hintergründe nur wo nötig, von Seite zu Seite, manchmal von Panel zu Panel wechselnd monochrome Kolorierung, zuweilen unterbrochen von Farbtupfern, so viel Gebrauchsgraphik des Art déco als Stilistik. Dieser Comic entfaltet schon allein ästhetisch eben jene Dynamik, die auch seine Geschichte prägt, ruhelose Helden, die nie Charaktere werden, immer Schablonen bleiben, das aber erstklassig. Doktor Radar, dessen Gesicht niemand kennt, tötet Wissenschaftler. Ob er damit auch die Vernunft mordet, bleibt dahingestellt. Gejagt wird er vom Gentleman-Detektiv Ferdinand Straub, ein Ass, ein detektivisches Genie, aber immer einen Moment zu spät. Angesiedelt in den frühen 1920er Jahren ruft dieser Comic die ganze Kolportage der Zeit auf, kreiert ihr eine große Hommage mit ständigem Augenzwinkern. Am Ende entkommt Doktor Radar als Roter Baron und die Frage steht im Raum: „Wird die Welt weiterhin erzittern?“ In Frankreich gibt es bereits mindestens drei Bände. Bitte schnell übertragen!

Mikael: Harlem
Harlem
New York City im Jahr 1931. In original zwei Bänden, hier zusammengefasst zu einer Ausgabe, tauchen wir ein in eine Welt, in der der Jazz entsteht und der moderne Journalismus, in der Rassismus nicht nur alltäglich ist, sondern gut sichtbar die Ordnung der Gesellschaft prägt, ihre Strukturen und Institutionen, und in der Kriminalität und Unternehmergeist so eng beieinander liegen, dass klar wird, weshalb gerade zu dieser Zeit Disruption und kreative Zerstörung zu einem Topos werden konnten. Mittendrin eine schwarze Frau ohne wirklichen Namen, „Queenie“ oder „Frenchy“, die als Zugewanderte aufgestiegen ist und ein undurchsichtiges Imperium aus eher zwielichtigen Unternehmungen regiert. In losen Rückblenden wird ihre Geschichte halbwegs transparent gemacht. Atmosphäre, Erzähltempo und Artwork stimmen sehr schön zueinander. In großen Bildern in gedeckten Farben, während die Rückblenden in blau und gelb gehalten sind, und in visuell stark durchkomponierten Seiten entfaltet dieser Comic große erzählerische und graphische Intensität. Vordergründig geht es dabei um das allzu gut bekannte, ikonische New York der dreißiger Jahre, dessen vielfach zu Klischees geronnene Facetten auch allesamt bedient werden. Aber in Wirklichkeit geht es um Emanzipation, der schwarzen Amerikaner_innen, der Migrant_innen, der Frauen. Dafür dreht dieser Band dann so ziemlich alles um und entwirft eine Reihe beeindruckend starker Charaktere, die die Geschichte noch einmal neu lesbar machen.

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Arnold Bärtschi

Klassischer Philologe, Ruhr-Universität Bochum

Mari Yamazaki und Tori Mikki: Plinius (Pline), Band 12

Pline 12

Im Mai 2024 erschien der zwölfte und letzte Band der französischsprachigen Übersetzung der Mangareihe Plinius von Mari Yamazaki und Tori Mikki (Casterman 2017-2024). Die Serie folgt dem antiken Naturforscher Gaius Plinius Secundus auf seinen Forschungsreisen quer durch das Mittelmeer und illustriert die Entstehung seiner monumentalen Enzyklopädie Naturalis historia. Nicht nur geben die Autor_innen mit ihren realistischen Zeichnungen einen lebendigen Einblick in die antike Welt unter Kaier Nero, sondern sie liefern auch eine neue und subtile Darstellung von dessen Karriere, die von gesundheitlichen Problemen und Machenschaften am Kaiserhof geprägt ist. Dementsprechend bietet die Lektüre nicht nur spannende Anknüpfungspunkte an Aspekte der Antikerezeption wie den berühmten Ausbruch des Vesuvs, sondern auch an den Bereich der Graphic Medicine. (Und nebenbei erweitert man beim Lesen gehörig seinen französischen Wortschatz, da sich Plinius für alle möglichen obskuren Naturerscheinungen interessiert.) Allen Leser_innen, die von Yamazaki-senseis unterhaltsamer Serie Thermae Romae um den zeitreisenden Thermenarchitekten Lucius begeistert waren, ist Plinius wärmstens zu empfehlen!

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Ole Frahm

Comicforscher, Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) Hamburg

Salomon J. Brager: Heavyweight. A Family Story of the Holocaust, Empire, and Memory

HeavyweightEin Comic wie eine Doktorarbeit. Etwas zu lang, zu viele Themen, sehr belesen und mit Fußnoten am Ende. Und doch ist es sicher einer der interessanteren Beiträge der letzten Jahre: gerade weil es wie ein langer Essay wirkt, der nach über 300 Seiten gesteht, er hätte gerade mal die Oberfläche angekratzt. Schade, dass Brager daraus kein Argument für den Comic selbst macht, der ja immer wieder der Oberflächlichkeit bezichtigt wurde. Gleichzeitig ist dies nicht die Tradition, in die sich Brager stellen will. Lange Zitate, von Primo Levi bis Dirk Moses, unterbrechen die Geschichten, es geht um settler colonialism (ohne Israel zu erwähnen), Stolpersteine, Deutsche Erinnerungspolitik, die Frage nach Entschädigungen… Es ist der Versuch, die eigene Familiengeschichte, die nicht eine, sondern mehrere Geschichten meint, in einem größeren historischen Kontext zu begreifen – bis zu einem afro-amerikanischen Friedhof, der in Flatbush, Brooklyn, wo Brager wohnt, überbaut wurde. „It’s the unmarked graves that haunt, that call to be unsettled“. Bragers Comic ist ein solcher Ruf, erschüttert zu sein – ohne vorzuschreiben, was aus dieser Erschütterung folgt. Es ist kein Zufall, dass die Comics deutscher Zeichner_innen in ihren Familiengeschichten eher die Momente aufsuchen, die beruhigend wirken… Der Urgroßvater Bragers war übrigens Boxer, was den Titel etwas ‚leichter‘ macht…

Leela Corman: Victory Parade

Victory ParadeDas ist das Beste, was ich seit Jahren gelesen habe. Corman lässt erfrischend die meisten Konventionen der Holocaust-Comics beiseite, wie schon der Titel andeutet: er ist farbig, es gibt nicht eine Hauptfigur (und sei es nur, wie bei Salomon J. Brager die eigene Persona), sondern mehrere, die vor dem Tod nicht sicher sind; die Vernichtung der Juden wird zwar erzählt, aber vor allem durch ihre Auswirkungen auf die Leben in New York; es spielt in der Working Class; die Träume, Alpträume, die Phantasien und Kinofilme der Zeit sind ebenso real wie das, was gemeinhin als real begriffen wird; es gibt keine Erzählerin, die das ganze rahmt und durch in der Perspektive absichert; Figuren der Leinwand und Gespenster treten auf wie alle anderen Figuren. Dies führt nicht zu einer Relativierung, Banalisierung oder Trivialisierung, sondern erinnert aufgrund der Schilderungen der Wirkungen des Holocaust daran, was uns heute daran noch betreffen sollte.

Sascha Hommer: Das kalte Herz

Das kalte HerzWalter Benjamin und Siegfried Kracauer lobten in den 1920er Jahren die Erzählform des Märchens als eine, die sich der bürgerlichen Welterklärung, wie sie im Roman populär und bis heute dominant wurde, entziehen würde. Walter Benjamin hat 1932 sogar Hauffs Das kalte Herz für das Radio als Hörspiel eingerichtet. In den Graphic Novels, die leider viel zu häufig der Ästhetik des Romans folgen und damit das proletarische Erbe der Comics verdrängen, sind Märchen selten. Authentische Lebensbeichten oder Familiengeschichten, wie sie Bragers Heavyweight vorführen, herrschen vor. Doch in den letzten Jahren scheint sich etwas zu ändern, wie auch Cormans Victory Parade andeutet. Sascha Hommer, der in Freiburg, nahe des Schwarzwalds aufgewachsen ist, wendet sich in seiner jüngsten Publikation Hauffs Klassiker zu. Hommers Werk darf sicher zu einem der heterogensten und insofern experimentellsten im deutschsprachigen Comic gelten. Es gibt Autobiographisches (In China), das aber eher als Vorwand dient, über die Fremdheit verschiedener Kulturen nachzudenken (weshalb er Spiegelmans Masken aus Maus zitiert), es gibt Fantasy (Im Spinnenwald), eine eher erkenntnistheoretische Erzählung, er hat mit Jan-Frederik Bandel einen Comic-Strip gezeichnet (Im Museum) und sich literarische Texte angeeignet (Dri Chinisin nach Brigitte Kronauer), auch hier favorisiert Hommer die kleine Form der Erzählung gegenüber dem Roman. Nun also Das kalte Herz, das 1827 zuerst veröffentlicht wurde. Kein einfacher Stoff, zur Romantik zählend und von Geld, Geiz und Wucher als bösen Kräften handelt. Doch Hommer weiß den Stoff aus seinen antisemitischen Implikationen zu lösen – und durch kleine Veränderungen (aus dem Glasmännlein wird ein Glasweiblein) zu etwas zeitgenössischem zu machen. Alles überzeugt: die gedeckten Farben, die naive Hauptfigur Peter Munk, der vom Köhler zum Handelsherr wird, die rätselhaften Geister des Waldes – vor allem aber die Erzählung selbst, die den Ton wahrt, das Phantastische unterstreicht und ohne Zierrat zum Nachdenken über das Verhältnis von Märchen, Moderne und Comics einlädt.

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Benedikt L. Freiling

Germanistikstudent, Philipps-Universität Marburg

Edgar Allan Poe, adaptiert von Gaby von Borstel und Peter Eikmeyer: Der Rabe/The Raven
The RavenDie neue Adaption von Edgar Allan Poes Gedicht „Der Rabe/The Raven“ ist ein absolutes Meisterwerk! Die Autor_innen Gaby von Borstel und Peter Eickmeyer haben es geschafft, Comic und beeindruckende Bildkunst auf eine völlig neue Art und Weise zu arrangieren. Doch für das kreative Autor_innenpaar ist das keineswegs eine neue Erfahrung. Nach der Adaption von „Im Westen nichts Neues“ und „Heinrich Heine – Eine Lebensfahrt“ reiht sich das Gedicht von Poe in diese beeindruckende Reihe ein.
Die zweisprachige Ausgabe, die dieses Jahr im Splitter Verlag erschienen ist, ist ein echtes Highlight! Die Autor_innen verknüpfen darin die Lyrik mit einem roten Faden, der den Inhalt unterstreicht, und präsentieren uns dazu noch bildgewaltige Hintergrundportraits von dem Raben. Die Dualität der zweisprachigen Ausgabe ist absolut beeindruckend und wird von den kontrastreichen Zeichnungen perfekt ergänzt. Der Band enthält nicht nur einen faszinierenden Beitrag über das Leben des Autors, sondern auch einen inspirierenden Text über die Rehabilitierung eines verkannten Tieres, der spannende Bezüge zur Comicwelt aufweist. Die düstere Stimmung wird auf eindrucksvolle Weise durch dunkle Farben und gezielte Akzente eingefangen. Auf jeden Fall eine absolute Empfehlung für alle Lyrik-Fans, die auch mit Comics beschäftigen. Nach dem Lesen sollte man allerdings darauf achten, dass die Antwort auf die Frage „Wie oft man denn dieses Buch in der Zukunft lesen will?“ nicht lautet „Nimmermehr“.

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Aleta-Amirée von Holzen

Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM

Flix: Das Zyx

Das Zyx

Hier legt der deutsche Comic-Künstler Flix erstmals ein Werk vor, das an Kleinkinder (und ihre vorlesenden Eltern) gerichtet ist. Versiert kombiniert er Bilderbuch und Comic, bleibt seinem cartoonhaften Stil treu, präsentiert diesen aber so bunt und rasant wie noch selten – ausgerechnet in einem ABC-Buch, das in eine Gutenachtgeschichte mündet. Der Clou ist, dass das ABC von hinten aufgesagt wird. Auf jeder Seite beginnt der durchgehend gereimte Text mit dem nächsten Buchstaben des Alphabets. Am Anfang stehen entsprechend die letzten drei: Zyx. Sie bilden Namen eines putzigen Fantasiewesens, das beim Zähneputzen von einem wundersamen Licht in eine Zwischenwelt «geblitzt» wird – hier steht es vor lauter Türen, die aber alle verschlossen sind. Zum Glück sitzt in der Nähe «am Lagerfeuer […] ein riesiges Ungeheuer», das als Gegenleistung für seine Hilfe nur gemeinsames Teetrinken fordert. Nach 26 Tassen rückt es den Schlüssel für Tür Nummer 17 raus. Schon schwebt das Zyx in rosa Wolken und landet flugs auf einem Piratenschiff, das von einer Seemannsbraut befehligt wird – hier wird es brenzlig für das Zyx, aber sehr spassig für die Lesenden. Von Doppelseite zu Doppelseite fällt, schwebt, rudert und schwingt das Zyx von einer absurden Situation in die nächste, bis das Bett verlockender scheint als alle Abenteuer. Das Umschlagen der Seite nutzt Flix meisterlich für die Szenenwechsel, und die Freude an der Sprache ist allgegenwärtig. Bei dieser irrwitzig-spektakulären Abenteuerfahrt muss man einfach gute Laune bekommen.

 

Pei-Yu Chan, Jian-xin Zhou (aus dem Taiwanischen von Johannes Fiederling):Tsai Kun-Lin (4 Bde.)

Tsai-Kun LIn

«Tsai Kun-lin – Der Junge, der gerne las» lautet der schlichte Titel des ersten Bandes dieser

Biografie des taiwanischen Verlegers und Menschenrechtsaktivisten Tsai Kun-lin (1930–1923). Seine Lebensgeschichte, die immer wieder von erschütternden Schicksalsschlägen geprägt wird, bündelt dabei gleichsam die Nachkriegsgeschichte Taiwans und macht die schwer überschaubare Geschichte des Landes als Spielball der Weltmächte greifbar.  Wort und Bild prägen dabei eine gewisse Behutsamkeit, die Tsai Kun-lin als Menschen und seine Geschichte umso beeindruckender wirken lassen. Jeder Band ist stilistisch angepasst: In zarten Rosatönen und Bleistiftgrau wird von der relativ ungetrübten Kindheit erzählt, während seine Familie die Kriegszeit übersteht. Dank seiner Liebe zu Büchern kommt er auf eine höhere Schule, doch wird ihm diese zum Verhängnis. Weil er einen Buchklub besucht hat, wird er während der Schreckensherrschaft der Kuomintang als Verräter verurteilt und auf eine Gefangeneninsel deportiert. Die unmenschlichen Zustände während seiner zehnjährigen Haft dort spiegelt ein harter, holzschnittartiger Stil. Der Neuanfang danach ist in klaren Filzstiftstrichen und mit Gelbtönen präsentiert, und für Comic-Geschichtsinteressierte ist vor allem auch dieser Band interessant: Tsai Kun-lin war eine prägende Figur für Comics in Taiwan. Er brachte als Übersetzer Mangas nach Taiwan und gründete eine erfolgreiche Kinderzeitschrift – bis auch hier eine Naturkatastrophe für die Pleite sorgte. Der letzte Band schliesslich ist seinem Engagement für das Erinnern und Aufarbeiten der Erlebnisse seiner Generation gewidmet. Beeindruckend ist dabei, wie Tsai Kun-lin trotz all der politischen Verwerfungen, die sein Leben prägen und immer wieder erschweren, nicht verbittert, sondern stets Wissensdurst, Schaffensdrang und Bescheidenheit zu erhalten vermag. Eine unbedingte Leseempfehlung!

 

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Myriam Macé

Literaturwissenschaftlerin, Uni Bremen

Lou Lubie: Racines (franz.)

Racines

In dieser Bande Dessinée (BD) erzählt Lou Lubie die Geschichte von Rose: Im französischen Überseegebiet La Réunion geboren, hadert das Mädchen mit ihrem genetischen Erbe. Denn mit ihrer hellen Hautfarbe ähnelt sie den metropol-französischen Mädchen in ihrer Klasse – wären da nicht ihre krausen Haare! Um auch beim späteren Studium in Paris als ‚echte‘ Französin durchzugehen, glättet Rose ihre Haare mit allen erdenklichen Mitteln. Die BD thematisiert Identitätskonflikte und Selbstverleugnung, Rassismus und strukturelle Diskriminierung sowie die französischen Kolonialgeschichte und ihre postkolonialen Effekte. Gleichzeitig zeigt Lou Lubie anhand von Roses Geschichte, wie tief das dominierende Schönheitsideal glatter Haare in sozialen Machtstrukturen verankert ist und welche Rolle Haare als Ausdruck von Identität und Widerstand spielen.

Wie Rose durch die Akzeptanz ihrer kreolischen (Haar-)Wurzeln (= Racines) ihre Identität neu definiert und stolz zu zeigen lernt, erzählt die selbst aus La Réunion stammende Autorin durch die Verbindung von (auto-)fiktionaler Erzählung und Sachcomic-Elementen. Lou Lubie verbindet damit persönliche und gesellschaftliche Themen zu einem Werk, das soziale, kulturelle und historische Zusammenhänge nachvollziehbar macht. Eine lesenswerte BD für alle, die die Geschichte des menschlichen Haars und die gesellschaftlichen Verflechtungen und politischen Dimensionen eines scheinbar alltäglichen Themas erkunden möchten.

Luz: Deux filles nues (franz.)

Deux filles nues

Die Geschichte eines Bildes aus seiner Perspektive erzählen? Luz zeigt uns mit seiner neusten quasi-biographischen Bande Dessinée (BD), dass dies möglich ist! In ihrem Zentrum steht das Gemälde Zwei weibliche Halbakte (=Deux filles nues) des deutschen Malers Otto Mueller. Von seinen ersten Pinselstrichen im Berliner Vorstadtwald 1919, über seine Zeit an den Wänden seines ersten Besitzers, bis hin zu seiner nationalsozialistischen Einstufung als „entartete Kunst“ während der NS-Diktatur blickt das Gemälde auf die Menschen und Ereignisse um es herum – und wird damit zum stillen Zeugen einer der dunkelsten Epochen der Moderne.

Bezeichnend ist die Verbindung zwischen Luz‘ neustem Werk und seiner eigenen Lebensgeschichte. Als langjähriger Zeichner bei Charlie Hebdo und Überlebender des Anschlags auf die Redaktion am 07. Januar 2015 hat er mit Deux filles nues eine historische Erzählung geschaffen, die sich mit Überleben, Zensur und der Instrumentalisierung von Kunst durch autoritäre Regime auseinandersetzt. Ob seine künstlerisch-pointierte Recherche mit Lorbeeren belohnt wird, bleibt abzuwarten: Die BD ist Teil der Sélection Officielle des Festivals von Angoulême 2025 und könnte eine der größten Auszeichnungen Europas für Comics gewinnen, die Ende Januar vergeben wird.

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Hanspeter Reiter

Comicoskop-Redakteur

Andrus Kivirähk, Maximilian Murmann (Übersetzer) und Veiko
Tammjärv (Illustrator): November, Erster Teil

November

Eine Graphic Novel im Sinne grafischer Literatur, übertragen aus reiner Text-Vorlage in eine Bild-Geschichte. November handelt von einem namenlosen Dorf in Estland, in einer Zeit, als die Esten den Deutsch-Balten als Leibeigene dienten, mit einer gehörigen Portion Bauernschläue und Mystizismus. Da gibt es die Geister der Toten, die zu Allerseelen an den Familientisch geladen werden und die aus Haushaltsgegenständen gefertigten „Kratts“, die den Esten bei ihren Machenschaften gegen die Obrigkeit helfen. Mit staunenswerten Figuren wie Meereskühen aus Normal-Kuh plus Seekuh – ergänzt ums Fliegen. Oder eine Werwölfin. Graphic Novel-klassisch ist dies in SW plus Grautönen, allerdings ergänzt um die Schmuckfarbe Rot, spärlich und deshalb umso auffallender eingesetzt, etwa bei eben der Werwölfin oder besonders nachvollziehbar, um Feuer zu verdeutlichen – doch auch für eher Übernatürliches. Das Layout ist variabel eingesetzt, seien es sechs Panels oder auch ganzseitige. Texte kommen ergänzend in Umrahmung, wenn auch schlecht lesbar (Negativschrift schwach auf schwarzem Fond), in Versalien wie auch (leider üblich) in den Sprechblasen. Interessant die in manchen der 16 Kapitel einleitenden Personen-Vorstellungen, z.B. S. 99 „Die junge Baronin“.

Bastien Vivès: Letztes Wochenende im Januar

Letztes Wochenende im JanuarDas Cover deutet es gleich bildlich an, der Rückseiten-Text verstärkt es: Hier geht es um einen Seitensprung beim Comicfestival in Angoulême. Mit dem Besucher_innenstrom aus aller Welt trifft der etablierte Zeichner Denis Choupin ein, als Teil dieser gigantischen Maschinerie. Routiniert arbeitet er die Signierstunden und Meetings ab, plaudert leutselig mit Fans. Alles ist wie immer… Bis in der Schlange vor seinem Signiertisch eine Frau steht, die für ihren Mann eine Widmung möchte… Es kömmt, wie es kommen „muss“. Dargestellt mit feiner Feder, frei von jeglichem Porno-Anklang und ziemlich „ohne Worte“. Ähnlich wie vorher die schwungvollen Tanz-Szenen, in denen die beiden einander näher kommen, Bewegungen toll ausgearbeitet, unter Verzicht auf sonst Comic-übliche Hilfsmittel à la Swoosh oder Speedlines: Hier wie dort zeigt der Zeichner meisterlich, dass und wie Comic rein bildlich wirken kann & wirkt! Apropos, die SW-Graphic Novel bietet vielerlei Grau-Töne und „Massen-“ wie auch Einzel-Porträts, fein gestaltet – siehe Doppelseite 46/47 im Vergleich mit/ohne Fond plus Schattenwürfe usw. Nun, wieviel Autobiografisches ist da drin, ist dieser Story rund um „brich doch mal aus der family aus“, die eben an jenem Wochenende die Verlobung des Sohnes feiert? Schön dieses Verbinden mit quasi Meta-Position und einer feinen Liebes-Geschichte!

Rewriting Earth: Der wichtigste Comic der Welt

Der wichtigste Comic der WeltQuasi ein Reader zum Thema – oder ist das dann ein „Viewer“, weil: Comic 🙂 ?! Nun also 120 Geschichten zur Rettung des Planeten: 300 Umweltschützer_innen, Künstler_innen, Autoren_innen, Schauspieler_innen, Filmemacher_innen und Musiker_innen haben sich für den wichtigsten Comic aller Zeiten zusammengeschlossen, inkl. zwei für Deutschland exklusive Zusatz-Storys von Timo Wuerz  – und übrigens mehrfach vertreten Wars and Peas, ebenfalls bei Panini erschienen (ursprünglich in den USA veröffentlicht). Mit einer Förderung für die beteiligten Organisationen je verkauftem Exemplar. Apropos: Deren sieben werden vorgestellt, intensiv illustrativ präsentiert als „Projektprofil“, mit integrierten Text-Beiträgen, etwa „Born Free“ (Lasst Wildtiere in der Wildnis). Das sind die Kapitel: 1 Veränderung (u.a. Konsum-Verhalten), 2 Schützen (u.a. Plastik…) 3 Retten (u.a. Regenerierung) 4 Motivieren (Geschichten…). Neben klassischen Comics mit vielseitig gestalteten Panel-Folgen und variierenden Layouts, Ligne-claire z.B., gibt´s auch integrierte ganz- und doppelseitige Darstellungen: Ein Füllhorn anregender Impulse, nachdenklich machend – oder gar Vorlagen liefernd. Und natürlich inkl. klimaneutraler Herstellung als nachhaltigem Konzept – wenn auch mit den üblichen Text-Fragezeichen: Fast durchgängig kommen die Sprechblasen-Texte in Versalien daher = schlecht(er) lesbar. Ausnahmen gibt es, erfreulich immerhin: S. 168ff., 207ff. u.a. Und übrigens auch besondere Fundstücke, siehe OHNO als Pogo-Remake. Manga-Adaptionen dagegen suchen Betrachter_innen vergebens…

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Natalie Veith

Anglistin und Mediendidaktikerin, Universität Frankfurt

Emil Ferris: My Favourite Thing Is Monsters, Book 2

My Favourite Thing Is Monsters, Book 2

Monster werden häufig als Manifestationen von Ängsten gesehen, doch Emil Ferris dreht den Spieß um: Für ihre junge Protagonistin Karen Reyes sind Monster Teil ihrer Identität sowie eine Bewältigungsstrategie, um mit den Herausforderungen ihres Lebens umzugehen, etwa mit Trauer, Verlust, Gewalterfahrung und Diskriminierung. Monster werden hier zur positiven Antithese menschlicher Abgründe und zum Zeichen von Geborgenheit. Da sich Karens Liebe für Monster mit einer Leidenschaft fürs Zeichnen und Kunst paart, stellt Ferris Comic auch eine Art grafische Sammlung des Monströsen dar – von den Titelbildern billiger Groschenromane bis hin zu berühmten Gemälden.
Nachdem der erste Band so einige Fragen offen gelassen hatte, war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung, die nahtlos an die geschichtsträchtige Handlung anknüpft: Wir befinden uns erneut im turbulenten Chicago der 1960er Jahre. Noch immer beschäftigt Karen der mysteriöse Tod ihrer Nachbarin, der KZ-Überlebenden Anka, und nun auch die Identität von Viktor und ihre eigenen Familiengeheimnisse. Wie schon der erste Band ist auch dieser so gestaltet, als blicke man direkt in Karens Tagebuch: ein Ringbuch mit handschriftlichen Texten, Zeichnungen und Kommentaren. Ferris gelingt es hier, ihrer Geschichte eine spontane und unmittelbare Atmosphäre zu verleihen und klassische Erzählstrategien und visuelle Konventionen von Comics durch andere Elemente zu ergänzen, ohne dabei jedoch Abstriche bei der ästhetischen Gestaltung zu machen – im Gegenteil!

Ram V, Filipe Andrade: Rare Flavours

Rare FlavoursDer menschenfressende Dämon Rubin träumt davon, in die Fußstapfen Anthony Bourdains zu treten und möchte mithilfe des arbeitslosen Filmabsolventen Mo eine Netflix-Food-Doku drehen. Aus dieser bizarren Ausgangssituation entwickelt sich eine wunderbare Parabel über die Rolle von Gier und Genuss in der kapitalistischen Massen- und Konsumgesellschaft, über die Wertschätzung von Geschmack und die Anerkennung von Geschichten und Schicksalen, die mit Essen verbunden sind. Für Mo wird die Geschichte zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und Einstellung zum Essen und Filmemachen, während anhand von Rubin die Frage nach Menschlichkeit und Monstrosität verhandelt wird.
Ram V hat mich schon oft mit seinem Talent beeindruckt, interessante Szenarien und ungewöhnliche Charaktere zu schreiben, die trotzdem sehr greifbar wirken und sich klar vom Comic-Mainstream abheben, und Rare Flavours ist hier keine Ausnahme! Auch habe ich mich sehr gefreut, dass es eine erneute Zusammenarbeit mit Zeichner Filipe Andrade ist, mit dem Ram V bereits The Many Deaths of Leila Starr veröffentlicht hat. Die Darstellung der massiven körperlichen Präsenz Rubins in Kombination mit den teils surrealen Farben und dem Zeichenstil ist wirklich sehr gelungen und unterstreicht die Geschichte ganz wunderbar.

Zoe Thorogood: It’s Lonely at the Centre of the Earth

It’s Lonely at the Centre of the EarthComics zum Thema mentale Gesundheit gibt es einige, aber leider enden sie manchmal (zu?) versöhnlich – in einem Moment der sozialen Integration oder der persönlichen Erfüllung und des Wachstums einer fiktiven Figur. Sowas ist zwar eine nette Geschichte, angenehm zu lesen, hat aber leider häufig wenig mit der Realität zu tun, denn Depression zieht sich oft wie Kaugummi und es fällt den Betroffenen schwer, die Situation zu akzeptieren oder einen Sinn darin zu finden. Thorogoods „auto-bio-graphic-novel“ sticht hier als eine vergleichsweise ehrliche und ungeschönte Auseinandersetzung mit Depressionen heraus. Sie zeigt den realen, zwischen Höhen und Tiefen schwankenden Alltag einer an Depressionen leidenden Comicschaffenden: In Momenten des Beisammenseins fällt es ihr schwer, eine echte Verbindung zu ihren Mitmenschen zu fühlen. In Momenten des Erfolgs nagt stets der Selbstzweifel an ihr (und das in einer unbeständigen Branche mit hohem Leistungsdruck).
Auch die grafische Umsetzung des Themas ist bemerkenswert, denn Thorogood experimentiert mit grafischen Konventionen, etwa wenn ihre verschiedenen Alter Egos, die unterschiedliche Aspekte ihrer Persönlichkeit verkörpern und in unterschiedlichen Zeichenstilen dargestellt sind, miteinander interagieren. Dieser uneinheitliche, bisweilen zerrüttete Stil trägt viel dazu bei, dieses schwer greifbare Thema zu veranschaulichen und hilft bei einer angemessenen Auseinandersetzung und Sensibilisierung. Der Comic ist schon seit einiger Zeit im englischen Original verfügbar, seit 2024 gibt es nun auch eine deutsche Übersetzung.

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Christine Vogt

Direktorin LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Eva Müller: Scheiblettenkind

ScheiblettenkindEin ungewöhnliches, aber wichtiges gesellschaftliches Thema verarbeitet Eva Müller in ihrem in sehr direkten Bleistiftzeichnungen ausgeführten Werk Scheiblettenkind: die Scham über die soziale Herkunft und den Zweifel an sich selbst, ob der Bildungsferne des eigenen Elternhauses. Die Autorin beginnt mit einem Intro, in dem sie erklärt, dass sie die Autofiktion als Erzählweise gewählt habe und wünscht „Viel Spaß beim Lesen“, während sie Herz und Hirn der Leserschaft entgegenstreckt. Mit vielfachen Zitaten erzählt sie ihre Lebensgeschichte. Aus einem Dorf und einfachen Verhältnissen stammend, stets – teils schwer – für ihr eigenes Geld arbeiten müssend, findet sie nach und nach ihren Weg zur Zeichnerin und Künstlerin. Doch bleibt der Selbstzweifel in Form der Schlange visualisiert, stets an ihrer Seite und schleicht sich manchmal nur am Rande und manchmal sie gänzlich verzehrend ins Bild. Eine große Erzählung und grandiose Identifikation für alle, die einen Bildungsaufstieg machen und sehen, dass sie mit ihren inneren Widerständen nicht allein sind. Karl Marx kommentiert jedes Kapitel am Schluss humorvoll.

Tanja Esch: Boris, Babette und lauter Skelette

Boris, BabetteAuf amüsante und ganz selbstverständliche Weise nähert sich Tanja Esch in diesem unterhaltsamen Buch dem Thema der Identitätssuche und des „Andersseins“. Boris erhält von seiner Nachbarin Lynette deren „Haustier“, das sie vor langer Zeit in einer Tierhandlung als Hamster gekauft hat. Doch ein Hamster ist Babette nicht und auch die anderen Versuche sie einer Tierart zuzuordnen – hier lernen die jungen Leser_innen ganz nebenbei etwas über Tiere, wie zum Beispiel das Wiesel – misslingen. Babette ist gelb, kann sprechen und liebt Grusel und Skelette. Da Boris mit seinem Haustieranliegen bei seinen Eltern auf Ablehnung trifft – seine Mutter arbeitet ständig, ist zugewandt aber geistig abwesend, sein Vater putzt ständig und ist übertrieben ordentlich – geht er zu seinem Opa, der skurril mit lauter ausgestopften Tieren zusammenlebt. Er hilft Boris „Knochen“ aus Ästen zu schnitzen und für Babette ein erstes Skelett zu bauen. Schließlich zieht Babette bei dem Opa ein und sie tauschen sich über das „Anderssein“ aus, das der Opa als dunkelhäutiger Zuwanderer in den 1970er Jahren ebenfalls persönlich erfahren hat.

Walter Moers: EDWARD GOREY. Großmeister des Kuriosen

GoreyBestseller-Autor Walter Moers hat sich von seinem zamonischen Kontinent weg in ein neues Abenteuer gewagt: die Vorstellung des amerikanischen Zeichners und Autors Edward Gorey. In einem Prachtband mit zahlreichen Abbildungen der Werke Goreys sowie Fotografien zu seinem Schaffensort, dem Elephant House, gibt Moers Einblick in das Werk des Multitalents, das das eigene Schaffen Moers stark beeinflusst (hat). In einem Abecedarium, das mit diesem Begriff anfängt und mit „Z wie ZILLAH – who dank too much gin“ aufhört, werden spezielle Begriffe aus dem Gorey-Kosmos gedeutet. Moers übersetzt einige der bekanntesten Geschichten Goreys ins Deutsche, so Eine Harfe ohne Saiten, Der fragwürdige Gast, Die Kleinen von Gashlycrumb oder Der Westflügel. Herrlich auch die Zeichnungen mit Zweizeilern zu Die Stimmgabel und Der Wackelhump. Ebenfalls wird der Cover-Kunst Goreys, seinen handgenähten kuriosen Figbash-Puppen und dem Dracula-Theater jeweils eigene Kapitel gewidmet Ein wundervolles Buch um sich mit den grafischen wie textlichen Umsetzungen der fantastischen Art des Edward Gorey bekannt zu machen oder sein Wissen zu vertiefen. Eine Reise in fremde und anrührende Welten.

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Lukas R.A. Wilde

Medienwissenschaftler, NTNU Trondheim

Adam Ellis: Bad Dreams in the Night

Bad Dreams in the NightUnbemerkt von Feuilleton Comic-Kritik wurde Adam Ellis in den letzten Jahren zu einem echten Webcomic-Superstar mit Millionen von Follower_innen auf allen wichtigen Social Media-Kanälen. Diese Print-Ausgabe, eine Horror-Anthologie namens Bad Dreams in the Night, gibt einen faszinierenden Einblick, wie meisterlich Ellis die vielleicht schwierigste Erzählform überhaupt bespielt, nämlich extrem kompakte Kurzgeschichten. Auch wenn die Artworks eher funktional als überwältigend anmuten transportieren sie perfekt die große Bandbreite erzählerischer Stile, die zwar alle irgendwie im Genre Horror verortet sind, dabei aber enorm experimentierfreudig daherkommen und ihre jeweilige Schreckenspointe zu einem immer wieder überraschenden, schnörkellosen Kern verdichten. Die beigefügten Endnoten, in denen der Künstler Einblicke bietet, wie und warum das jeweilige Szenario entstanden ist, wirken authentisch und sympathisch – eine rundherum beeindruckende Publikation!

Richard Blake: Hexagon Bridge

Hexagon BridgeHier ist es ein wenig umgekehrt wie bei Ellis: die Zeichnungen, Layouts und das grafische Welt-Design sind absolut überragend und einzigartig, während sich die Handlung weitgehend verschließt und auch an einer einigermaßen beliebigen Stelle endet bzw. abbricht. Vielleicht weil die anzitierten Themen KI und Multiversen dennoch genau den erzählerischen Zeitgeist treffen, wurde Richard Blakes Hexagon Bridge sicher eines der meistgenannten „Best of 2024“-Comics des vergangenen Jahres. Immer wieder wurde dieses „High Concept“-SciFi-Opus mit den Filmen Christopher Nolans, den Romanen Isaac Asimovs  oder den Comic-Frühwerken Jonathan Hickmans verglichen. Für mich ist es eher eine Art Musikvideo in Moebius-Ästhetik, das seinen Sog alleine über Rhythmus und visuelle Symphonien entfaltet. Dass es sich dabei tatsächlich um das Comic-Debut von Blake handeln soll, ist kaum zu glauben – hoffentlich ein Name, den man noch viel häufiger hören und lesen wird!

Ken Forkish und Sarah Becan: Let’s Make Bread: A Comic Book Cookbook

Let's make breadDas ist jetzt, zugegeben, schon eher die Kategorie „Highly Special Interest“, aber was einem als Deutscher im Ausland natürlich vor allem immer fehlt, ist: gutes Brot! Zufällig habe ich in diesem Jahr damit begonnen, fast täglich zu backen als ich zeitgleich in einem Comicladen über dieses herrliche Sachcomic gestolpert bin, das eine ganz wunderbare Handreichung zur Pflege von Sauerteigkulturen, zu verschiedensten Backtechniken und -traditionen sowie zahlreiche Brot-„Fun Facts“ mit äußerst empfehlenswerten Rezepten kombiniert. Forkish hat bereits zahlreiche „richtige“ Bücher übers Brotbacken verfasst, aber die schönen Bebilderungen von Becan und die sympathischen Avatare machen (mir) viel mehr Lust aufs Ausprobieren als irgendwelche Hochglanz-Stock Photos. Highly special interest, wie gesagt…

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„International Public History“-Ausgabe zu „Teaching History Through Comic Books“ erschienen

International Public History: Teaching History Through Comic Books

Einleitung von Amie Wright und Christine Gundermann
De Gruyter
2024
ISSN: 2567-1111

Christine Gundermann und Amie Wright  haben diese neue Sonderausgabe zum Thema „Teaching History Through Comic Books“ mitverantwortet und zahlreiche Beiträge darin verfasst und betreut, die Comicforschung und Comiceinsatz möglichst interdisziplinär und breit vorzustellen versuchen. Einige Beiträge sind bereits open access, andere sollen noch freigeschaltet werden:

 

Introduction by Amie Wright and Christine Gundermann

“The Graphic Anne: Anne Frank Comics as Transnational Lieux de Mémoire” by Christine Gundermann

“Illustrating History: April 25th and Its Legacy in Portuguese Comics” by Alexandra Lourenco Dias

“Teaching History Through Comic Books: New Opportunities for Public and Visual History” by Amie Wright

Visualizing the ‘Godmothers’ of the First World War: About the perks of writing a hybrid theses in image and text” by Aliénor Gandanger

Roundtable Conversation – ‘Making the Invisible and Private Seen and Public: On the Potentials of Graphic Medicine for Public History’, a discussion by Matthew Noe, Ian Williams, Soha Bayoum and Eugenia Garcia Amor

Graphic Collections and Resources

  • Katharina Hülsmann: Yoshihiro Yonezawa Memorial Library of Manga and Subcultures
  • Barbara Margarethe Eggert: nextcomic Festival (Austria)
  • Felipe Gómez-Gutiérrez: Latin American Comics Archive (LACA) – Carnegie Mellon
  • Felix Giesa: Comic Archive at Goethe-University Frankfurt, Institute of Children’s and Young Adult Literature Research
  • Astrid Böger: The Center for the study of Graphic Literature @ University of Hamburg
  • Graphic Medicine Collection – Harvard Medical (Boston, USA)

 

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Neuerscheinung: „Faust-Comics“ von Linda-Rabea Heyden

Faust-Comics: Adaption und Arbeit am Klassiker

Linda-Rabea Heyden
Christian A. Bachmann Verlag
2024
470 Seiten
ISBN 978-3-96234-082-7

Vor einigen Monaten bereits ist im Christian A. Bachmann Verlag eine neue Publikation von Linda-Rabea Heyden erschienen, auf die wir hier noch einmal aufmerksam machen möchten:

„Goethes Faust ist eines der zentralen Werke der deutschen Literatur. Unter den vielen Adaptionen hat es auch mehrfach seinen Weg zum Comic gefunden. Doch weder die Faust-Forschung noch die Comicwissenschaft hat das Phänomen der Faust-Comics bis jetzt in einer Weise aufgearbeitet, die dem Drama-›Klassiker‹ mit seiner langen und intensiven Rezeptionsgeschichte und den spezifischen medialen Bedingungen einer Dramenadaption im Comic gerecht wird.

Die vorliegende Studie schließt diese Lücke. Sie führt ein Analysemodell ein, das die Faust-Comics und ihre Verfahren anhand der Dimensionen Inhalt, Medialität und Rezeption genau in den Blick zu nehmen vermag. Dazu werden fünf Faust-Comics vorgestellt und an ihnen demonstriert, welche Arbeit am ›Klassiker‹ sie leisten, ein Status, den sie in der Adaption erst herstellen und im eigenen Sinnzusammenhang modellieren. Der Status als ›Klassiker‹ zeigt sich so als wichtige Bezugsgröße, zu der sich Comic­adaptionen positionieren. Dabei unterlaufen sie die vermeintliche Spaltung von ›Hochliteratur‹ und ›trivialem‹ Comic.“

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Closure #10.5 erschienen

Titelbild von Closure, Ausgabe 10.5.Kürzlich ist Ausgabe #10.5 des Kieler eJournals CLOSURE unter der Gastherausgeber*innenschaft von Irmela Marei Krüger-Fürhoff und Nina Schmidt erschienen: »KörperZeitenBilder: Verkörperte Darstellungen ›anderen‹ Zeiterlebens im Comic«.  Die Ausgabe stellt gleichzeitig die Dokumentation eines internationalen Workshops dar, den die »PathoGraphics«-Forschungsgruppe der Freien Universität Berlin in Kooperation mit der »AG Comicforschung« veranstaltete.  Aus der zweisprachigen Online-Veranstaltung im ersten Corona-Sommer ist nun ein deutsch- und englischsprachiges Themenheft geworden. Sie enthält Beiträge der ComFor-Mitglieder Marina Rauchenbacher und Natalie Veith:

Über die Ausgabe:

„Comics und Literatur sind auf je spezifische Weise ›Zeitkünste‹, die Handlungen entfalten, Erzählzeit und erzählte Zeit kontrastieren und zeitliche Abläufe narrativ – im Comic zusätzlich visuell-räumlich – darstellen können. Dabei sind sie keiner einfachen Chronologie unterworfen, sondern können Analepsen und Prolepsen einsetzen und Fragmentierungen, Überlagerungen und Gleichzeitigkeiten evozieren. Vor allem bei der Darstellung ›ungewöhnlicher‹, als ›anders‹ wahrgenommener Erfahrungen wie derjenigen von Krankheit oder Behinderung spielen Zeitwahrnehmungen, die von einer ›normalen‹ chronometrischen (oder chrononormativen) Zeit abweichen, eine zentrale Rolle: Angesichts tiefgreifender körperlicher oder psychischer Veränderungen sowie existentieller Bedrohungen kann Zeit sich subjektiv dehnen oder zusammenziehen, Vergangenes gewaltsam in die Gegenwart einbrechen oder die Endlichkeit des Lebens in den Blick geraten. Eine subjektiv erlebte Krankheits-Zeit, die mit Schmerzen oder Warten verbunden ist, erfordert ebenso spezifische Darstellungsweisen wie das Zeitempfinden, das mit chronischem Leiden, degenerativen Erkrankungen und Traumatisierungen einhergeht oder als crip time (Kafer 2013, 25–27) bezeichnet werden kann, also als veränderte – aus der Perspektive der clock time einer ableistischen Gesellschaft verlängerte – Zeit für die Bewältigung von Alltagsaktivitäten unter erschwerten Bedingungen.

Die Beiträge im Themenheft »KörperZeitenBilder: Verkörperte Darstellungen ›anderen‹ Zeiterlebens im Comic« untersuchen Comics unterschiedlicher Genres (Autobiographie, Reportage, (historische) Fiktion); drei der sieben Aufsätze berücksichtigen zudem vergleichend literarische Texte verschiedener Gattungen (Lyrik, Drama, Prosa). Obgleich das Spektrum der behandelten Phänomene groß ist und so unterschiedliche Erfahrungen wie das Leben mit psychischen Krankheiten, die Sterbebegleitung vertrauter Menschen und das Erleiden medizinischer Menschenversuche oder Folter umspannt, fragen alle Beiträge nach den ästhetischen und gesellschaftspolitischen Bedeutungen individueller ›KörperZeiten‹, die als ›ZeitenBilder‹ in Form graphischer und literarischer Narrationen eine breite Öffentlichkeit adressieren.“

→ Zur Website von CLOSURE.

Beiträge:

  • Nancy Pedri: „Manipulating Time across the Body: Subjectivity in Graphic Illness Narratives“
  • Nina Schmidt: „»So I took some photos.«: Time, Photography and the Materialization of Memory in Graphic Narratives of Bereavement“
  • Sucharita Sarkar: „Repairing Time out of Joint: Narratives of Caring for Mothers with Cancer“
  • Anne Rüggemeier: „Krankheit, Tod und Sterblichkeit: Die ›arthrologische‹ Gestaltung von Nacht-Zeiten in Drama, Lyrik und Comic am Beispiel von Sarah Kane, Philip Larkin und David Small“
  • Marina Rauchenbacher: „Zeit-Körper: Zeitkonzepte in Ulli Lusts und Marcel Beyers Flughunde
  • Sebastian Köthe: „Zeitlichkeiten von Folter und Zeugenschaft in Sarah Mirks dokumentarischer Comic-Anthologie Guantánamo Voices
  • Natalie Veith: „Diseased Bodies and Notions of Time in Ian Edginton and Davide Fabri’s Comic Book Series Victorian Undead

Verkündung der Preisträger*innen des Martin Schüwer-Publikationspreises 2024

Wir freuen uns, die Preisträger*innen des sechsten Martin Schüwer-Publikationspreis für herausragende Comicforschung 2024 verkünden zu dürfen!


In diesem Jahr wird der Comic-Essay From Giotto to Drnaso: The Common Well of Pictorial Schema in ‘High’ Art and ‘Low’ Comics von Bruce Mutard mit dem Martin Schüwer-Preis prämiert. Der Beitrag ist im von Ian Horton und Maggie Gray herausgegebenen Band Seeing Comics Through Art History: Alternative Approaches to the Form in der Reihe Palgrave Studies in Comics and Graphic Novels erschienen.

Stellvertretend für die ComFor und die AG Comicforschung gratuliert die diesjährige Jury Bruce Mutard sehr herzlich zu seinem spannenden Beitrag und freut sich, diesen mit dem Martin Schüwer-Publikationspreis für herausragende Comicforschung 2024 auszeichnen zu dürfen!

Laudatio für Bruce Mutard:

With his paper on the ever-contested relationship between comics and art history, Bruce Mutard takes the title he has chosen literally. The question itself is not necessarily new. However, the form he found is extraordinary. His academic paper is a comic that reflects on art styles through art history by showing them directly on the page. It stands out because it aims to provide a detailed reflection of iconography and the visual resemblance between classic arts and comics on the level of form.

Mutard tells us a story about the representation of art through time by including classical paintings in the scenery and panels full of artworks, as well as repeatedly switching the drawing style. However, the visual information is not only part of the story the comic tells, it is also part of the academic side of the article. Mutard provides full transparency in meticulous notes and references to different sources and artists who inspired his style choices—breaking new ground on how to include visual information into an academic argument.

Mutard’s paper is a significant contribution to the controversial debate on the roots of comics within the history of the arts. The answer to this question is as apt as simple. The question is not whether historical works of art are themselves comics, which is a well-introduced strategy for a retrospectively applied identification of any sort of art that (seemingly) refers to modes of sequentiality as comics. In this perspective, there is eventually nothing beyond the comic form; hence, comics have always existed. That way, the comic medium can be understood as the end of a long-lasting teleological development in art history.

Contrary to this assumption, Mutard suggests a much more coherent and subtle response to that question. According to him, the decisive question is whether comics could have existed at the respective historical point in time. Hence, the question is not simply one of resemblance, like the sequentiality on the Column of Trajan or the Bayeux Tapestry, but that of cultural preconditions. Which cultural setting makes comics possible? And, particularly, on which cultural techniques do comics depend? Mutard finds a historical link in Susan Vogel’s concept of the “Western Eye,” developed for Vogel’s work on the Western perception of African Baule art. Mutard’s essay applies Vogel’s concept strictly and straightforwardly, which produces inspiring results. Overall, this marks the essay as an essential contribution to the understanding of the comic medium, which will, theoretically as much as methodologically, certainly inspire the further development of comics studies.

Lobende Erwähnung:

Neben dem Hauptpreis vergab die Jury in diesem Jahr auch eine lobende Erwähnungen. Diese geht an Helene Bongers für ihren Aufsatz Frauendarstellungen in Catherine Meurisses ‚Moderne Olympia‘: Eine bande dessinée als feministische Kunst-Geschichte. Der Beitrag erschien 2023 im Themenheft „La bande dessinée au féminin : tendances, thèmes, styles“ der Zeitschrift lendemains. Études comparées sur la France (47. Jahrgang, Nr. 185) und ist über Academia.edu abrufbar.

Laudatio für Helene Bongers:

Helene Bongers besticht in ihrem Artikel „Frauendarstellungen in Catherine Meurisses ‚Moderne Olympia‘: Eine bande dessinée als feministische Kunst-Geschichte“ durch eine präzise Sprache und theoretische Weite bei gleichzeitig differenzierter Analyse am Comic. Der Artikel untersucht, wie in „Moderne Olympia“ Frauen und weibliche Körper dargestellt und angeschaut, welche kunsthistorischen Tropen aufgegriffen und welche zurückgewiesen werden. Dabei arbeitet Bongers die feministische Perspektive des Comics auf zwei kanonische Kunstwerke aus dem Musée d’Orsay in Paris heraus und bindet die gesellschaftliche und kunsthistorische Rezeption der Kunstwerke mit ein, welche durch Sexismus und Rassismus geprägt sind. Damit wählt Bongers einen intersektionalen Zugang zum Werk, dem eine differenzierte und eingehende kunsthistorische Analyse zugrunde liegt.

Die Laudatios zu beiden prämierten Beiträgen wurden im Rahmen feierlichen Preisverleihung auf der 19. ComFor-Jahrestagung (23.-25. Oktober 2024) in Groningen verlesen.

Die diesjährige Jury des Schüwer-Preises:

Jörn Ahrens
Anna Beckmann
Barbara M. Eggert
Iris Haist 
Vanessa Ossa 

Neue ComFor-Publikation / Gewerkschaftsstudie: „Die Arbeitsrealität Comicschaffender im deutschsprachigen Raum“

Die Arbeitsrealität Comicschaffender im deutschsprachigen RaumHarte Fakten, große Aufgaben: Die Arbeitsrealität Comicschaffender im deutschsprachigen Raum

Herausgegeben von der Comic Gewerkschaft
& der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor)

Redaktion
Romain Becker, Nino Bulling & Sheree Domingo
Wissenschaftliche Herausgabe
Christina Meyer
&  Lukas R.A. Wilde

1. Auflage, Oktober 2024
100 Seiten
Open Access
ISBN 978-3-9826707-1-3
DOI 10.5281/zenodo.14008383

Wer macht eigentlich Comics im deutschsprachigen Raum? Können Comickünstler*innen von ihrer Arbeit leben? Was für Ansätze gibt es, um Arbeitsbedingungen zu verbessern und Zugang zu Ressourcen gerecht zu gestalten? Die vorliegende Studie zur sozioökonomischen Situation von Comickünstler*innen wurde von einer Arbeitsgruppe der Comic Gewerkschaft in Kooperation mit Jana Rutar, Dr. Romain Becker und Katharina Serles konzipiert und finanziell von der documenta fifteen unterstützt.

Die Studie ist die erste ihrer Art im deutschsprachigen Raum und umfasst demografische Faktoren, um eine intersektionale Analyse zu ermöglichen. Die Umfrage lief vom 1. September bis zum 31. Dezember 2022 in Deutschland, Österreich und der Schweiz. An der Umfrage nahmen 810 Personen teil — damit ist sie repräsentativ für die Zielgruppe.

Die Auswertung erfolgte durch Dr. Romain Becker in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe der Comic Gewerkschaft und Unterstützung des Hauses der Selbstständigen. Die Ergebnisse wurden von Mitgliedern der Comic Gewerkschaft visualisiert und kommentiert. Die vorliegende Auswertung bildet noch nicht das ganze Volumen der Studie ab, da einige Bereiche noch nicht fertig abgedeckt werden konnten. Die Ergebnisse werden hier mit Unterstützung des Comic-Salon Erlangen erstmals präsentiert

Vollständige Publikation herunterladen (10MB)

Symposium „Walter Moers im Fokus der Kunst-, Literatur- und Medienwissenschaften“

Wie wir schon im Sommer berichteten, präsentiert die LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen aktuell die Walter Moers-Ausstellung „Humor ist ein ernstes Geschäft“. Vom Freitag, 29. 11., bis Samstag, 30. 11. 2024, findet begleitend ein wissenschafltiches Symposium statt, für das nun auch das vollständige Programm veröffentlicht worden ist.

Ankündigungstext:

„Wie kein anderer in Deutschland hat Walter Moers als zeichnender Autor oder schreibender Zeichner die unterschiedlichsten Figuren
erdacht und mit Witz und Hintergründigkeit ihre Geschichten erzählt. Dabei gehören Text und Bild stets kongenial zusammen. Eine umfassende Präsentation seiner Arbeit zeigt die LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen ab dem 22. September 2024 mit der Ausstellung Was gibt’s denn da zu lachen? Anlässlich dieser umfangreichen Retrospektive lädt der Freundeskreis der LUDWIGGALERIE am 29. und 30. November 2024 zu einem wissenschaftlichen Symposium zu dem vielfältigen Werk des Allroundtalents ein. Das Moers’sche Œuvre zeichnet sich insbesondere durch Multimedialität, intertextuelle Verweise und Kunstzitate aus. Bisher ist es im Forschungszweig der Kunstwissenschaft jedoch nur marginal behandelt worden. Das Symposium greift dieses Forschungsdesiderat mit interdisziplinären Beiträgen auf“

Die Teilnahme am Symposium ist kostenfrei.
Anmeldung unter sarah.huelsewig (ät) oberhausen.de oder 0208 41249 12

Vollständiges programm herunterladen
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„Was war, ist, wird Comicforschung – für uns?“ (Publikation zur 18. ComFor-Jahrestagung)

Christina Meyer, Vanessa Ossa & Lukas R.A. Wilde (Hg.):
Was war, ist, wird Comicforschung – für uns? 10 Jahre ComFor e.V. als eingetragener Verein

Gesellschaft für Comicforschung (ComFor),
1. Auflage, Oktober 2024
240 Seiten, 109 Abbildungen
Open Access
ISBN 978-3-9826707-0-6
DOI  10.17605/OSF.IO/PDWFH

 

 

Herausgegeben von Christina Meyer, Vanessa Ossa und Lukas R.A. Wilde, mit Beiträgen von Daniel Stein, Jaqueline Berndt, Stephan Packard, Andreas Veits, Myriam Macé, Daniela Kuschel, Arnold Bärtschi, Lukas R.A. Wilde, Martin Wambsganß, Dietrich Grünewald, Barbara M. Eggert, Ralf Palandt, Christine Vogt und Iris Haist.

Zum Tagungsprogramm der 18. ComFor-Jahrestagung (2023)

Die Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) wurde am 11. Februar 2005 in Koblenz gegründet. Zweck war und ist die Förderung und Vernetzung von interdisziplinärer Comicforschung im deutschsprachigen Raum, zu deutschsprachigen, aus den deutschsprachigen Ländern stammenden oder ins Deutsche übersetzen Werken sowie, genereller, Forschung und Lehre zum Comicmedium an deutschen, österreichischen und schweizer Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. Am 11. April 2014 wurde die ComFor in Frankfurt am Main als eingetragener Verein neu gegründet und blickt somit im Jahr 2024 auf eine zehnjährige Geschichte als e.V. zurück. Mit derzeit etwa 167 aktiven Mitgliedern, inkl. Förder- und Ehrenmitglieder aus verschiedenen Ländern (u.a. Italien, Österreich, Schweden, Norwegen, Niederlande, Belgien, USA) und unterschiedlichen Fächern wie z.B. Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Medienwissenschaft, Soziologie, Japanologie und vielen anderen ist die ComFor in diesen zehn Jahren seit der Neugründung zu einer der auch international größten und sichtbarsten Institutionen der interdisziplinären Comicforschung angewachsen. In diesen zehn Jahren hat sich das Feld zugleich stark ausdifferenziert, professionalisiert und gewandelt. Comicforschung nutzt dabei häufig die Stärken eines institutionell kaum verankerten und gerade deswegen rege interdisziplinären und internationalen Felds, um nicht nur die Vielfalt an spezifischen Perspektiven, sondern auch eine Kompetenz zu deren Vermittlung zu fokussieren – und zu reflektieren.

Zum zehnjährigen Bestehen unserer Institution soll diese Phase der interdisziplinären Comicforschung im deutschsprachigen Raum hier einer kritischen Reflexion unterzogen werden. Die vorbereitende 18. ComFor-Jahrestagung, die für die Mitglieder der Gesellschaft als eine Art ‚Think Tank‘ gedacht war, fand dazu vom 11.–13. Dezember 2023 in der Stiftung Akademie Waldschlösschen (bei Gleichen) statt. Diese Reflexion muss notwendig hochgradig selektiv bleiben und möchte daher jeden Anspruch auf Vollständigkeit oder Repräsentativität bewusst vermeiden. „Was war, ist, wird Comicforschung – für uns?“ meint daher keine Exklusion im Sinne eines sprachlich, geographisch oder gar national konstruierten ‚Wir‘, sondern ganz wörtlich: Die Mitglieder unserer Gesellschaft für Comicforschung, mit ihren persönlichen, oft interdisziplinär mäandernden Forschungsbiographien, Interessen und Schwerpunkten.

Der erste Teil unserer Sammelschrift, „Reflection Papers“, bietet Schlaglichter von Kolleg*innen, die bereits seit mehreren Jahrzehnten im Feld tätig sind und die um persönliche Reflexionen ihrer ‚Forschungsbiographie‘ – mit ganz individuell gewählten Schwerpunkten – gebeten wurden. Der Hauptteil, „Aktuelle Forschungsperspektiven“, bietet Einblicke in aktuelle Fragen, Themen und Anliegen, die insbesondere jüngere Mitglieder und early career scholars unserer Gesellschaft in ihren gegenwärtigen Forschungsprojekten antreiben. Die darauf folgende Sektion „Schwerpunkt Comic-Ausstellungen“ beleuchtet die oft vernachlässigte Frage der Ausstellungskommunikation und -praxis. Abgerundet wird unsere Sammelschrift durch 80 Seiten Dokumentation der republizierten ComFor-ComicsForum.org-Kolumnen 2014–2023, insgesamt 36 Texte von 9 Autor*innen, welche die vergangenen zehn Jahre Comicforschung in den deutschsprachigen Ländern noch einmal Revue passieren lassen und festhalten.

Vollversion in Druck-Qualität herunterladen (40 MB)

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comfor_comicforschung neu auf Instagram

Die ComFor-Redaktion freut sich, die digitale Präsenz der Gesellschaft für Comicforschung zu erweitern und nun auch als comfor_comicforschung auf Instagram vertreten zu sein. Unter der Betreuung von Laura Glötter wird der Instagram-Account der ComFor mit ansprechenden und relevanten Inhalten aus der Welt der Comics und der Comicforschung bespielt. In einer fruchtbaren Kooperation mit der AG Comicforschung der GfM, repräsentiert durch Barbara M. Eggert, intensiviert die ComFor ihre Aktivitäten in den sozialen Medien. Diese Zusammenarbeit, die im Rahmen der GfM-Jahrestagung startete, verspricht eine facettenreiche und informative Präsenz auf Instagram. Das Kooperationsteam hat ein abwechslungsreiches Konzept entwickelt, das jeden Sonntag neue Einblicke in verschiedene Aspekte der Comicforschung und -kultur bietet:

„Frisch erschienen“: Präsentation aktueller comicwissenschaftlicher Publikationen
„Comic Fact“: Prägnante Einblicke in die Welt der Comics
„Comic Empfehlung“: Kuratierte Leseempfehlungen (Vorschläge willkommen und per Mail an redaktion@comicgesellschaft.de einsendbar!)
„Panelplausch“: Interaktiver Austausch mit der Community

Diese Initiative zielt darauf ab, den Dialog zwischen Comicforscher*innen, Enthusiast*innen und der interessierten Öffentlichkeit zu fördern sowie gleichzeitig aktuelle Entwicklungen in der Comicforschung zu kommunizieren. Wir laden alle Interessierten herzlich ein, unseren Instagram-Auftritt zu verfolgen und sich aktiv an einem spannenden Diskurs über Comics zu beteiligen.

„Comics | Histories“ als erster Band der gleichnamigen neuen Reihe in open access erschienen

Comics | HistoriesComics | Histories: Texts, Methods, Resources

Jessica Bauwens-Sugimoto, Felix Giesa, Christina Meyer (Hg.)
Rombach
September 2024
259 Seiten
eBook ISBN 978-3-98858-056-6 (Open Access)
Print ISBN 978-3-98858-055-9

Soeben ist der erste Band der neuen Comicforschungsreihe „Comics | Histories“ bei Rombach erschienen, der unter dem gleichen Covertitel von Jessica Bauwens-Sugimoto, Felix Giesa und Christina Meyer herausgegeben wurde. Die Publikation mit insgesamt 10 Beiträgen unter den Sektionen „Re-Reading Punch Magazine“, „(Re-)Productions“, „War [in] Comics“ und „Periodization, Canonization, Digitization“ ist kostenlos als Open Access-Download bestellbar.

Ankündigungstext:

„This edited study is the first book in a new series of publications which aims to revise the wide spectrum of what are now regarded as comics (including caricatures, cartoons, graphic novels, etc.), broadening the view of Comics Studies, not only retrospectively but also prospectively at a time when modern media identities are dissolving. While there are already significant numbers of publications that foreground representations of history in comics, our edited study (and the new series) seeks to highlight contributions to history by comics in particular. In addition to that, the book (and the series) aims to address comics from a transnational, yet culturally situated, perspective, without privileging national histories of the medium in the narrower sense, i.e., as confined to the North American, Franco-Belgian or Japanese publication markets. The contributions to this first book in the series not only address questions relating to practices of canonisation, periodisation and digitisation, but also provide historical perspectives on a variety of humorous magazines and newspapers and deal with issues relating to adapting and revising comics in different parts of the world and in different cultures. The contributors to this book include a number of international scholars working in different areas and disciplines, such as literary and cultural studies, me-dia studies, history, children’s and youth literature research, computational studies and digital humani-ties. The book is divided into four parts, entitled ‘Re-Reading Punch Magazines’, ‘(Re-)Productions’, ‘War [in] Comics’ and ‘Periodization, Canonization, Digitization’ respectively. The editors of the book hope that the collection of (ongoing) research projects will spark readers’ curiosity and ignite their ambition to ex-plore comics|histories in multifarious ways. The newly launched series is looking for future projects that will also focus on the historiography of Comics Studies, in other words, inter- and transdisciplinary research on comics as objects of analysis in themselves. Multidisciplinary assessments of the field and its practices in terms of research and publishing and author- and editorship promise new insights into processes of knowledge formation, as well as the power relations involved.“

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