Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
25. - 27. Mai 2020
Alter und Populärkultur scheinen gegensätzlichen Sphären anzugehören. Populärkultur beruht auf Konzepten wie Jugend, Dynamik und Schnelllebigkeit, die dem Alter diametral entgegenstehen. Populärkultur folgt dem Imperativ des up to date-Seins, sie strebt nach Grenzüberschreitungen und geht mit der Mode, oder noch besser: sie setzt neue Modetrends. Bietet sie somit keinen Raum, in dem Bilder und Prozesse des Alter(n)s verhandelt werden können?
Noch nie gab es so viele gesunde und unternehmungslustige ›junge Alte‹, zugleich aber auch so viele schwer kranke Hochbetagte, Multimorbide und an einer Form der Demenz erkrankte Menschen wie heute. Da sie zusammen bald ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, müssen sich Politik, Medizin, Soziologie, Kultur- und Literaturwissenschaft interdiskursiv um eine Revision unserer Altersbilder bemühen und unser Verständnis vom guten Leben neu austarieren. Dem Aktualitätsprinzip verpflichtet, nimmt sich zunehmend auch die Populärkultur schwerwiegender und belastender Themen, wie Demenz, Krankheit und Sterblichkeit an. Insbesondere seit der Jahrtausendwende (2000) hat eine enorme Diversifikation innerhalb der Massen- und Subkulturen stattgefunden: Comics erklären Kindern, was mit ihren an Alzheimer erkrankten Großeltern passiert, im Brettspiel versuchen Spieler kooperativ einen Patienten aus dem Koma zurückzuholen und eine Popband mit einem Durchschnittsalter von 78 Jahren erobert die britischen Charts.
Dieser Entwicklung möchte die Tagung nachgehen, die Repräsentationsformen des Alter(n)s in unterschiedlichen Medien der Populärkultur beleuchten und den darin zum Ausdruck kommenden Normenwandel reflektieren. Dabei wird Alter(n) auch als Ergebnis von Wissen und von kultureller Praxis untersucht und – analog zu Geschlecht, Rasse und Ethnie – als eine kulturelle Konstruktion verstanden. Altersbilder sind Vorstellungen von der Rolle, den Eigenschaften und dem Wert alter Menschen in der Gesellschaft. Sie beruhen auf gesellschaftlich geteilten Normen, die in Diskursen im historischen Verlauf immer wieder aktualisiert, also erinnert, bestätigt und modifiziert werden. Längst ist der Altersdiskurs in den Künsten angekommen, die für Generationskonflikte sensibilisieren, Rollenerwartungen auf den Prüfstand stellen, Deutungsschemata frei legen, Werturteile zur Diskussion stellen und Altersstereotype aufbrechen. „Alter(n) als kulturelle Konzeption und Praxis“ ist seit vielen Jahren ein Forschungsschwerpunkt an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (www.phil.hhu.de/ageing). Nach zahlreichen Tagungen und Publikationen zu Alter(n) in Literatur, Film und auf der Bühne wendet sich die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft nun dem Alter(n) in der Populärkultur zu.
Populärkultur soll nicht in starrer Abgrenzung zu einer elitären Hochkultur verstanden werden, sondern vielmehr in einem möglichst umfassenden Sinn als kulturelle Alltagspraxis. Vielfache Ambivalenzen und die Aufhebung scheinbarer Gegensätze wie Massen- und Elitekultur, Kunst und Kapitalismus, Virtualität und Realität, Globalisierung und Regionalisierung sowie Technologie und Emotion kennzeichnen die Populärkultur. Aus diesem Grund bietet sie sich als Feld an, auf dem sich gesellschaftliche Konflikte und Veränderungen ‒ wie Generationenkonflikte und das Aufkommen neuer Alter(n)skonzepte ‒ mit besonderer Deutlichkeit manifestieren. Zudem erscheinen gerade die diversen Subkulturen als kulturelle Sphären, die aufgrund ihrer Flexibilität und Dynamik auch gesellschaftlich marginalisierten Gruppen Ausdrucks- und Repräsentationsmöglichkeiten bieten. Dieser Dynamik entspricht, dass Populärkultur nicht an bestimmte mediale Formate gebunden ist. Für sie sind vielmehr mediale Grenzüberschreitungen konstitutiv, zu denen insbesondere Transformationen wie Verfilmungen, Hörspielumsetzungen, Comicadaptionen oder ›Verspielungen‹ zu zählen sind.
Die interdisziplinär ausgerichtete Tagung wird vom 25.05. bis 27.05.2020 im Haus der Universität in Düsseldorf stattfinden. Erbeten werden Beiträge zu Alter(n)sbildern und Alter(n)skonzepten in der Populärkultur, wobei Untersuchungen zu den unterschiedlichsten Medien und Künsten wie Literatur, bildende Kunst, Musik, Film, Tanz, Theater, Hörspiel, Comic sowie Brett- und Videospiel willkommen sind. Denkbar sind die folgenden Fragenstellungen:
- Affirmiert die Populärkultur bestehende Alter(n)sstereotype oder kann sie ‒ vor allem in ihren subkulturellen Ausprägungen ‒ einen Beitrag dazu leisten, Klischees aufzubrechen, zu subvertieren und zu dekonstruieren sowie im Gegenzug neue Altersrollen anzubieten? Wie wirkt sich in diesem Zusammenhang die Kommerzialisierung der Populärkultur aus?
- Welchen Einfluss hat die in vielen populärkulturellen Medien wie Film, Comic oder Videospiel stark ausgeprägte visuelle Dimension auf die Vermittlung der Alter(n)skonzepte? Und in welchem Spannungsverhältnis stehen visuelle und textliche Elemente zueinander?
- An welche Zielgruppen richten sich ‒ rezeptionsästhetisch gefragt ‒ populärkulturelle Auseinandersetzungen mit Alter(n)skonzepten? Oder inwiefern ermöglichen ‒ produktionsästhetisch gefragt ‒ populärkulturelle Medien alten Menschen neue Ausdrucks- und Repräsentationsmöglichkeiten?
- Welche Bedeutung hat die serielle Dimension vieler populärkultureller Phänomene? Inwiefern wirken sich bei sehr langlebigen Serien, wie etwa den diversen Ablegern des Star Trek-Franchise, Wandlungen von Alter(n)skonzepten auf die Figurendarstellungen aus? Oder wie wird auf der intradiegetischen Ebene der Alterungsprozess der Figuren nachgezeichnet, wie dies etwa Frank O. King in seiner über mehrere Jahrzehnte hinweg erschienenen Comicserie Gasoline Alley erprobte?
- Welche Bedeutung kommt der körperlichen Dimension bzw. der Welt der Dinge zu? Inwiefern können körperliche Aspekte (Falten, graue Haare, Kraftlosigkeit) bzw. mit dem Alter assoziierte Dinge (Gebisse, Rollatoren) narrative Potentiale entfalten?
Dem interdisziplinären Fokus der Tagung entsprechend sind nicht nur germanistische Beiträge, sondern auch Beteiligungen aus benachbarten Philologien und Fächern wie der Theater- und Musikwissenschaft, den Medien- und Kulturwissenschaften, der Filmwissenschaft sowie der Kunstgeschichte ausdrücklich willkommen. Eine Publikation der Beiträge ist vorgesehen. Wir planen, Reise- und Unterbringungskosten zu übernehmen; hier stehen die Ergebnisse der Drittmitteleinwerbung noch aus.
Themenvorschläge in Form von Exposés im Umfang einer Seite für 25-minütige Vorträge sowie eine Kurzvita werden bis zum 30.06.2019 per Email erbeten an:
Dr. Mara Stuhlfauth-Trabert (stuhlfauth@phil.hhu.de) oder
Univ.-Prof. Dr. Henriette Herwig (herwig@phil.hhu.de)