CFP: Abhängigkeiten

Konferenz
GfM-Jahrestagung 2023
Universität Bonn
Abteilung Medienwissenschaft
27.-30. September 2023
Stichtag: 31.03.2023

Die Jahrestagung 2023 der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) lädt unter dem Titel „Abhängigkeiten“ zur Rekonstruktion, Reflexion und systematischen Kritik medienspezifischer Abhängigkeitsverhältnisse ein. Thema- tisch adressiert werden:

  • die Bedingungen, unter die Gesellschaft, Kultur und Subjektivität durch Medien gestellt werden;
  • die ökonomischen, technologischen und historischen Interdependenzen, unter denen Medien operieren;
  • die auf Zwang, Sucht und Abhängigkeit bezogenen Wissensformen und ästhetischen Erfahrungen, die Medien generieren;
  • die institutionellen, politischen und medialen Gegebenheiten und Erfordernisse, von denen Medienwis- senschaft als akademische Praxis selbst abhängt.

Aufgerufen ist damit ein breites Spektrum an Abhängigkeiten, das Ermöglichungsbedingungen ebenso umfasst wie zwanghafte Dependenz. Abhängigkeiten sind nicht bloß im negativen Sinne zu verstehen: Von jemandem oder etwas abzuhängen kann etwa als genussvolle Anhänglichkeit auf Bindung und Verbundenheit verweisen, auf die Irreduzibilität des anderen und die Vermitteltheit interdependenter soziokultureller Prozesse selbst. Auch Unabhängigkeit hängt von Bedingungen ab: So realisiert sich autonomes Fahren erst durch die materiellen und technologischen Infrastrukturen von Ladesäulen und 5G-Netz, Plattformen setzen auf ‚alten‘ Medieninfrastruktu- ren auf, und das Funktionieren computationaler Medien ist u.a. an die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft und die Extraktion seltener Erden gebunden.

Abhängigkeiten und Unabhängigkeiten gehen so ineinander über, verweisen und beziehen sich aufeinander. Für die Medienwissenschaft erweist sich diese Thematisierung von Abhängigkeiten in vielfacher Hinsicht als produk- tiv:

  1. Medien machen abhängig. Noch jedes ‚neue‘ Medium hat Diskurse zu seinem Abhängigkeitspotenzial provoziert: Ob Lese-, Fernseh-, Computer(spiel)- oder Smartphone-Sucht – Abhängigkeit von Medien wird ihren Nutzer:innen immer wieder neu attestiert, verstärkt in jüngeren Diskursen zu Wearables, (Hy- per-)Nudging und smarten In der darin implizierten Annahme einer Vorrangigkeit der Tech- nik vor den produzierenden und nutzenden Akteur:innen sind solche Abhängigkeitsdiskurse zu einem neuralgischen Punkt medientheoretischen Denkens geworden. Nicht nur einzelne Subjekte, auch Staa- ten, Gesellschaften und Kulturen jedoch hängen von Medien ab. Medien setzen kulturelle Wissens-, Sinn- und Affektproduktion unter die Bedingungen ihres Wahrnehmungs-, Repräsentations-, Registrierungs- und Aufzeichnungsregimes. Diese Diagnose scheint heutzutage besonders akut zu sein: Globale digitale Plattformen sind zum geopolitischen stack geworden, schichten sensorische und algorithmische, mari- time, terrestrische und orbitale Infrastrukturen interdependent in- und übereinander. Medien werden damitzu infrastrukturellen Voraussetzungen nicht nur für Kommunikation und Unterhaltung, sondern auch für Verkehr, Handel, industrielle Produktion und Gesellschaft überhaupt.
  2. Medien sind abhängig. Ein rein technikdeterministischer Blick auf Medien als unabhängiger Variable gegenüber den abhängigen Variablen von Wahrnehmung, Wissen und Gesellschaft verkennt die multip- len Abhängigkeiten, unter denen Medien selbst entstehen und Ökologische, ökonomische und institutionelle Zwänge bedingen die materielle, sozio-kulturelle, technische und ästhetische Ausprägung von Medien. Nicht nur in repressiven politischen Systemen unterliegen Medieninstitutionen und Medien- nutzung etwa politischer Regulation und Zensur. Und kapitalistische Verwertungslogiken durchdringen die globale Medienproduktion, -distribution und -nutzung.
    Über Medien nachzudenken erfordert ebenso die Reflexion auf ihre ökologischen und ökonomischen Abhängigkeiten. Digitale Medien basieren materiell auf Extraktivismus und Exploitation menschlicher Ar- beit, welche auf kolonialen Infrastrukturen aufsetzen. Ökonomisch sind Medien von Finanzspekulationen und Risikokapital abhängig.
    Was Medien sind, hängt zudem von ihrer historischen Genese ab: Der Blick auf die Kontingenz und Vielgestaltigkeit von Medienentwicklung vermag europäische und US-amerikanische Moderne-Erzählun- gen neu zu perspektivieren und zu korrigieren.
  3. Medien machen Abhängigkeiten (un)wahrnehmbar. Nicht erst der politisch engagierte Dokumentar- film versteht sich als Vehikel der Repräsentation gesellschaftlich marginalisierter Gruppen und als Mittel im Kampf um politische Teilhabe. Medien fungieren von jeher auch als Werkzeuge des Protests, tragen zur Konstitution von politischen Bewegungen und (Gegen-)Öffentlichkeiten bei. Auch Soziale Medien oder digitale Kunst werden zu Orten des politischen Aktivismus.
    Medien schreiben aber auch kulturelle Stereotype, Mythen und Ideologeme in ihren Formen, Repräsen- tationen und Narrativen fort. Sie basieren auf menschlicher Arbeit, kulturellen Vorstellungen, Vorurteilen und Machtgefügen, die sie zu verdecken versuchen. So tragen Sie dazu bei, Abhängigkeiten zu ver- schleiern und zu verfestigen.
  4. Medienwissenschaft ist abhängig. Medienwissenschaft ist abhängig von Sie nutzt Medien, um Medien wissenschaftlich zu beschreiben. Bestimmte medienwissenschaftliche Forschung wurde erst möglich durch Medienentwicklungen (Videorecorder, Plattform-APIs, digitale Datenbanken und Tools etc.). Der Erfolg von Medienwissenschaft als Fach hängt auch vom Erfolg der ‚Neuen‘ Medien ab: Die Konfrontation mit neuen Technologien und die gesellschaftliche Durchsetzung von Medien erzeugen je- nen Reflexionsbedarf, den Medienwissenschaft für sich in Anschlag bringen kann. Zugleich reproduziert Medienwissenschaft zuweilen unkritisch die ideologischen Erzählungen ‚Neuer‘ Medien. Medienwissen- schaft ist mithin auch abhängig von ihrem eigenen historischen Werden, das sexistische, eurozentrische und klassistische Abhängigkeiten mit sich bringt und fortdauernde Reflexion auf das disziplinäre Anders- Werden der Medienwissenschaft erfordert.
    Medienwissenschaftliches Arbeiten ist schließlich auch sozial, kulturell und institutionell abhängig: Wie nicht erst die Diskussionen um #ichbinhanna, #ichbinreyhan und „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ ge- zeigt haben, erzeugen WissZeitVG, Drittmittelfinanzierung, universitäre Organisationsstrukturen und Konkurrenzdruck prekäre Abhängigkeiten akademischen Arbeitens, welche die Ausübung von Wissen- schaft zum Privileg derjenigen werden lassen, die sich die damit verbundenen Abhängigkeiten leisten können.

Mit dem Thema „Abhängigkeiten“ der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft 2023 adressieren wir somit unterschiedliche Abhängigkeiten von und in Medien wie in der Medienwissenschaft selbst. Im Rahmen der Rekonstruktion, Reflexion und systematischen Kritik medienspezifischer Abhängigkeitsverhältnisse findet zu- dem ein Austausch mit dem Exzellenzcluster „Beyond Slavery and Freedom“ der Universität Bonn statt.

Formate

Einreichungen für die Jahrestagung sind in drei Formaten möglich:

  1. AG-Symposien: Symposien, getragen von den Arbeitsgemeinschaften innerhalb der GfM, umfassen ei- nen 90-minütigen Zeitslot und dienen der intensiven Bearbeitung des Tagungsthemas im Rahmen eines von der jeweiligen AG festgelegten Schwerpunkts. Organisation und Koordination erfolgen in den AGs.
    Die Form (Vorträge/Diskussion/Workshop usw.) wird ebenfalls von den AGs bestimmt. Bitte wenden Sie sich zur Abstimmung an die jeweiligen AG-Sprecher:innen (https://gfmedienwissenschaft.de/gesell- schaft/ags).
    Auch die Kommissionen und Foren der GfM können unter diesem Format Slots beantragen. AG-Sympo- sien werden bei der Auswahl bevorzugt berücksichtigt.
  2. Präkonstituierte Panels: Panels umfassen einen 90-minütigen Zeit-Slot mit drei Vorträgen (à max. 20 Minuten), die das Tagungsthema im Rahmen eines gemeinsamen Schwerpunktes bearbeiten. Es muss zusätzlich zu den Vortragenden ein:e Moderator:in benannt werden. Erwünscht sind insbesondere Pa- nels, die standort- sowie kontextübergreifende Forschungen zusammenführen.
  3. Einzelvorträge: Einzelvorträge (à 15-20 Minuten) zur individuellen Bearbeitung des Tagungsthemas sind ebenfalls möglich. Diese werden von der Programmkoordination zu thematischen Panels zusammenge- fasst und mit einer Moderation versehen. Einreichungen von Nachwuchswissenschaftler:innen werden für dieses Format bevorzugt berücksichtigt, um ihnen Vernetzung zu ermöglichen.

Darüber hinaus wird für jede AG ein halber Slot (45 Minuten) für ein AG-Treffen reserviert. Sollte dieser Slot nicht benötigt werden, bitten wir um eine kurze Nachricht bis spätestens zum Ende der Einreichungsfrist.

Formalitäten

Einzureichen sind für die Einreichungsformate „AG-Symposium/Panel“ ein Rahmentext mit Titel (max. 2000 Zei- chen inkl. Leerzeichen). AG-Symposien sollten durch die Sprecher:innen mit Verweis auf die jeweilige AG einge- reicht werden. Für jeden Vortrag sind zusätzlich Titel, Abstract und Bibliografie (insg. max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen) einzureichen. Für jede:n Teilnehmer:in ist außerdem eine Kurzbiografie (max. 500 Zeichen inkl. Leerzeichen) einzureichen.

Aus organisatorischen Gründen kann nicht mehr als ein Vortrag pro Person für das Tagungsprogramm berück- sichtigt werden.

Fristen

Deadline für alle Einreichungen ist der 31.03.2023.

Einreichungen sind ab dem 16.12.2022 ausschließlich über das externe Conf-Tool, www.conftool.pro/gfm2023 möglich. Verspätete Einreichungen können nicht berücksichtigt werden. Die Benachrichtigungen zur Annahme oder Ablehnung erfolgen per E-Mail spätestens bis zum 31.05.2023.

 

Kontakt

Für Rückfragen steht das Organisationsteam unter info@gfm2023.de gerne zur Verfügung.